"Es ist der 27. Dezember des Jahres 2020 ein historischer Tag", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach den ersten Impfungen von Menschen in Österreich mit der Covid-Vakzine. Die Impfung sei "der Anfang vom Sieg gegen die Pandemie" und ein "Game Changer". "Wir nähern uns Schritt für Schritt, mit jeder Impfung, die durchgeführt wird", der Normalität, meinte der Regierungschef.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte, noch sei der Kampf gegen das Coronavirus nicht gewonnen. Der heutige Tag markiere aber eine Wende. Er berichtete weiters von einer zweiten Option, die Österreich mit der EU bezüglich der Pfizer-Biontech-Vakzine gezogen habe: Mit zusätzlichen 1,962 Millionen Dosen sei die Anzahl der hierzulande bis zum Sommer verfügbaren Dosen auf etwas über vier Millionen gesteigert worden.

Rückkehr zur Normalität

Theresia Hofer aus dem Marchfeld, der allererste in Österreich geimpfte Mensch, habe ihm berichtet von ihrer Freude, endlich wieder ihre Familie zu sehen und ein normales Leben führen zu können, sagte der Kanzler. Mit dem Wunsch nach Normalität "spricht sie uns allen aus der Seele", meinte Kurz und skizzierte die nächsten drei Phasen der Impfkampagne in den kommenden Monaten: zuerst die Hochrisikogruppe, vor allem die Über-80-Jährigen mit starkem Fokus auf die Pflegeheime sowie das medizinische Personal, dann ältere Menschen und Mitarbeiter kritischer Infrastruktur und schließlich die dritte Phase, in der die Impfung "allen angeboten werden kann".

Man hoffe auch auf weitere Zulassungen von Covid-Vakzinen. "Bei Moderna sieht es derzeit sehr gut aus", sagte Kurz, der betonte, dass es keine Impfpflicht geben werden. Aber gerade bei älteren Menschen könne das eine Frage über Leben oder Tod sein. Anschober fügte hinzu, man werde auf "ehrliche Information" setzen. Der Gesundheitsminister erinnerte an die Ausrottung der Kinderlähmung in Österreich durch Impfung.

Wiedermann-Schmidt überzeugt: Wirkt gegen Mutation

Ursula Wiedermann-Schmidt, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie und Vorsitzende der österreichischen Impfkommission, geht davon aus, dass der Impfstoff der Firmen Biontech/Pfizer auch gegen die zuletzt aufgetretene Mutation des Coronavirus wirksam ist. Das betonte sie in einer Pressekonferenz am Sonntag im Anschluss an die ersten Covid-Impfungen in Österreich.

"Wir wissen, dass es immer wieder Mutationen gibt. So wie es aussieht, sind die aber nicht von einer so großen Veränderung, dass der Impfstoff nicht wirken sollte", betonte die Expertin. Sie zeigte sich überzeugt, dass auch die kommenden Impfstoffe gegen diese Mutation wirksam sein werden.

Freude, Impfappell und Hick-Hack in der Innenpolitik

Hick-Hack und Kritik seitens ÖVP und FPÖ, Freude und Impfappell seitens NEOS bzw. SPÖ waren am Sonntag die innenpolitischen Beiträge zum Corona-Impfstart in Österreich. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, von Beruf Epidemiologin, appellierte via Twitter für die Teilnahme an der Immunisierung. NEOS drängten auf einen klaren Impfplan.

"Beim Impfen geht's ums große Ganze. Jeder, der sich gegen #Covid impfen lässt, hilft mit, die Pandemie zu stoppen. Wer sich selbst schützt, schützt auch andere. Jetzt braucht es Gemeinsinn und Überzeugungskraft, Zuhören und Aufklärung", betonte Rendi-Wagner im Kurznachrichtendienst.

NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker freute sich - in einer Stellungnahme gegenüber der APA - "sehr, dass am Sonntag die ersten Menschen in Österreich die Corona-Impfung erhalten haben". Damit sei ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Pandemie gesetzt. Aber jetzt müsse mit einem nachvollziehbaren Impfplan rasch sichergestellt werden, dass auch die breite Masse bis zum Sommer Zugang zur Immunisierung bekommt.

Für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl war die Verabreichung der ersten Covid-19-Impfungen hingegen ein "neuer Tiefpunkt". Denn Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe "eine Propaganda-Show in Ostblockmanier abgezogen". Zudem seien "hochbetagte Risikopatienten als Statisten für seinen Auftritt als Impf-Propagandist missbraucht" worden. Zudem unterstrich Kickl die Impf-Skepsis der FPÖ: Die Regierung jage "die Österreicher in ein ungewisses Impf-Abenteuer".

Seine Kritik an Kritikern bekräftigte am Sonntag ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior. Nicht nur dem FPÖ-Klubobmann Kickl, sondern auch dem burgenländischen SPÖ-Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil hielt er in einer Aussendung vor, "zu jener Sorte von Politikern" zu gehören, "die es vorziehen, die Menschen zu verunsichern und die Bevölkerung zu spalten". Doskozil hatte sich vor Weihnachten skeptisch gegenüber der schnellen Zulassung des Impfstoffs gezeigt und die Teilnahme an den sonntäglichen "Show-Impfungen" der Bundesregierung abgelehnt. Im Burgenland wurde am Sonntag in einem Pflegeheim ein symbolischer Impfauftakt gesetzt.

Regierung hofft auf Wende

Sie sollen ein "Gamechanger" werden und eine Wende im Kampf gegen die Corona-Pandemie einläuten: Am Sonntag wurden in ganz Österreich und den meisten EU-Staaten die Impfungen gegen das Coronavirus gestartet. In der Nacht auf Samstag hatte das Konsortium der Pharmafirmen Biontech und Pfizer die ersten 10.000 Dosen seines Corona-Impfstoffs geliefert. Am Sonntag wurden in der MedUni Wien die ersten Patienten geimpft. Unterdessen ist ein weiterer Lockdown in Kraft.

Die Pensionistin Theresia Hofer war die erste Österreicherin, die am Sonntag gegen das Coronavirus geimpft wurde. Ursula Wiedermann-Schmidt, Vorsitzende der österreichischen Impfkommission, injizierte Hofer und vier weiteren Patienten je eine Dosis der ersten in der EU zugelassenen Corona-Vakzine von Biontech/Pfizer - komplikationslos. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach von einem "historischen Tag": "Die Impfung ist der Anfang vom Sieg über die Pandemie, sie ist ein 'Gamechanger'."

Richtig losgehen wird es mit den größeren Lieferungen nach dem Jahreswechsel. Kurz skizzierte den Plan in drei Phasen. Die erste umfasst die Immunisierung der Hochrisikogruppe - Menschen über 80 mit einem Fokus auf Pflegeheimen. In der zweiten Phase sollen ältere Menschen und Mitarbeiter der kritischen Infrastruktur vorrangig geimpft werden, bevor in der dritten Phase alle Österreicher drankommen sollen, die das auch wollen. Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonten in einer Pressekonferenz erneut, dass an eine Impfpflicht nicht gedacht ist. Auch Anschober gab sich optimistisch: "Wir haben noch nicht gewonnen, aber die Impfung ist der entscheidende Schlüssel, um die Pandemie wirklich zu besiegen."

Die zweite Lieferung von Biontech/Pfizer werde nächste Woche erwartet, "in der zweiten Jännerwoche wird es flächendeckend so richtig losgehen", kündigte der Gesundheitsminister an. Zusätzlich habe man sich von Biontech/Pfizer weitere 1,962 Millionen Dosen gesichert, damit wird die Pharmakooperation rund vier Millionen liefern. Der Geschäftsführer von Pfizer Österreich, Robin Rumler, sprach von genügend Impfdosen seines Unternehmens für knapp drei Millionen Österreicher.

Wie die Impfstoffe unter die breite Bevölkerung gebracht werden, soll in den nächsten Tagen öffentlich erläutert werden. Anschober sprach von einem e-Bestellsystem. Ob - wie etwa in Slowenien - sich Impfwillige registrieren können, die dann verständigt werden, wenn ihre Bevölkerungsgruppe an der Reihe ist, blieb offen. In Alters-und Pflegeheimen werde jedenfalls zuerst geimpft, bekräftigte der Gesundheitsminister.

Anschober betonte, es schaue bezüglich einer Zulassung in der EU auch für die Vakzine des US-Unternehmens Moderna gut aus. Diese sollte Anfang Jänner erfolgen. Er wies auch auf geleakte Teilergebnisse des Impfstoffes von AstraZeneca in Kooperation mit der Universität von Oxford hin, die ebenfalls einen 95-prozentigen Schutz gegen das Coronavirus versprechen. Auch da dürfte die Marktzulassung nicht mehr allzu fern sein.

In den meisten anderen Bundesländern fanden im Tagesverlauf ebenfalls symbolische Starts der größten Impfkampagne in der Geschichte Österreichs statt. Rund zehn Monate nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa begannen zeitgleich am ersten Sonntag nach Weihnachten 2020 die Impfungen auch in Italien, Frankreich und zahlreichen weiteren EU-Staaten, in einigen anderen war schon am Samstag damit angefangen worden.

Unterdessen ist am Stefanitag ein weiterer Lockdown in Österreich in Kraft getreten. Bis inklusive 17. Jänner sind Privat-Treffen nur noch eingeschränkt erlaubt. Mehrere Personen aus einem Haushalt dürfen bloß eine Person aus einem anderen treffen. Ausgangsbeschränkungen gelten wieder rund um die Uhr. Man darf nur aus bestimmten Gründen das Haus verlassen, etwa um in die Arbeit zu kommen, anderen zu helfen, einzukaufen, spazieren zu gehen, Tiere auszuführen oder Outdoor-Sport zu betreiben. Erneut wird der Handel sowie körpernahe Dienstleistungen wie etwa Friseure geschlossen.

Nach dem 17. Jänner gibt es Lockerungen nur für jene, die sich davor auf das Corona-Virus getestet haben. Der Lockdown soll vor allem den im Herbst rasanten Anstieg weiter mindern. Am 13. November wurde noch ein Höchstwert von 9.586 Neuinfektionen registriert.

Von solchen Zahlen war man an diesem Wochenende weit entfernt, auch wenn aufgrund der freien Tage deutlich weniger PCR-Testergebnisse eingemeldet wurden. Am Samstag wurden österreichweit 1.429 Corona-Neuinfektionen bei 17.384 eingemeldeten Tests registriert, was einer Positivrate von 8,2 Prozent entsprach. Am Sonntag waren es 1.408 Neuansteckungen bei lediglich 9.909 eingemeldeten Tests, was einer Positivitätsrate von 14,9 Prozent entsprach. An beiden Wochenendtagen wurden 98 an oder mit dem Coronavirus Verstorbene registriert - 60 am Samstag, 38 am Sonntag. Insgesamt überlebten bisher 5.881 Menschen in Österreich die Folgen einer Infektion nicht. Der Sieben-Tages-Durchschnitt lag bei 75,7 Toten.

Am Sonntag befanden sich 2.557 mit einer Corona-Infektion im Spital, die meisten in Oberösterreich. Auf den Intensivstationen des Landes lagen am Sonntag 414 Patienten mit Covid-19, das waren um 17 weniger als noch tags zuvor. (apa)