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Klima im Umbruch

Von Sarah Kleiner

Politik

Die Corona-Maßnahmen hatten im Jahr 2020 deutlich positive Effekte auf die heimische Klimabilanz. Fraglich ist, ob sie von Dauer sind.


Wir haben uns schon 2019 dafür entschieden, mit öffentlichen Geldern kein Feuerwerk mehr zu organisieren, egal wo und zu welcher Jahreszeit", sagt der St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler. In diesem Jahr wird es am 31. Dezember am St. Pöltner Domplatz nicht krachen. "Wir haben uns als Alternative eine Licht- und Akustikshow einfallen lassen", sagt er. Öffentliche Feuerwerke sind heuer auch in vielen anderen österreichischen Gemeinden und Städten aufgrund der Corona-Bestimmungen abgesagt. Und während die einen sich grämen und eine Silvesternacht "wie früher" wünschen, fühlen sich jene bestärkt, die schon vor Corona die Finger von Raketen und Böllern gelassen haben, um die Umwelt zu schützen.

Kein Feuerwerk, weniger Verkehr, weniger Flugreisen - der Appell der Regierung, Silvesterfeuerwerke heuer auszusetzen, gliedert sich in eine Reihe von Corona-Maßnahmen, die einen positiven Effekt auf unser Klima haben. Schließlich ist die explosive Tradition ein klarer Ausreißer in der Feinstaub-Bilanz der Republik. Vor allem in den Bundeshauptstädten wurden zum Jahreswechsel bisher oft die höchsten Feinstaubwerte des ganzen Jahres gemessen. Auf den ersten Blick scheint Corona auch hier ein Segen für Umwelt und Natur zu sein. Auf den zweiten stellt sich schnell die Frage, ob diese Entwicklungen auch anhalten werden.

"Wir haben in Österreich bei zwei Schadstoffkategorien Luftgüteprobleme," sagt Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt. "Das eine ist der Feinstaub, das andere sind die Stickoxide." Am deutlichsten zeigten sich die Auswirkungen der Corona-Restriktionen bei der Luftqualität. "In der Zeit des Lockdowns wurden beim österreichischen Straßenverkehr Rückgänge zwischen 50 und 70 Prozent beobachtet", erklärt Lichtblau, ein ähnlicher Rückgang zeigte sich nun speziell bei der Belastung mit Stickoxiden. In Wien erreichten die Werte zum Beispiel heuer den tiefsten Stand seit sehr langer Zeit.

Weltweit rechnet man für 2020 mit einem Rückgang der CO2-Emissionen von rund sieben Prozent - Veränderung fürs Klima bringt das aber nur bedingt. Viele Staaten sind nach den Maßnahmen schnell wieder auf das Vorkrisenniveau der Emissionen zurückgeschnellt. "7 Prozent weniger Emissionen heißt außerdem nicht, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zurückgeht, die steigt ja mit jeder zusätzlichen Emission, die wir machen, weiter an", sagt Johannes Wahlmüller, Klimasprecher der Umweltschutzorganisation Global 2000. "Wenn wir jedes Jahr einen Rückgang von 7 Prozent schaffen würden, dann wäre das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichbar", so Wahlmüller. Es sei vor allem der günstige Diesel, der besonders viele Schadstoffe erzeuge und zum regelrechten Tanktourismus in Österreich führe. "Ein Dieselprivileg hat in einer klimafreundlichen Welt keinen Platz", sagt Wahlmüller.

Auch auf den Energieverbrauch wirkten sich die diversen Lockdowns und Maßnahmen positiv aus. Weltweit ist die Nachfrage nach Energie heuer um sechs Prozent gesunken, was den größten Rückgang seit den 1970ern darstellt. Allein in Österreich wurde seit März 2020 um 13 Prozent weniger Energie verbraucht, was hauptsächlich auf die verminderte Wirtschaftsaktivität zurückzuführen ist. Die Digitalisierungsoffensive, die durch die Corona-Pandemie einen starken Anschub erlebt hat, wird in dem Zusammenhang zur Gretchenfrage für die Klimapolitik.

Digitalisierung mit großem Potenzial

"Die Digitalisierung wird einer der großen Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung sein", sagt Günther Lichtblau. Entscheidend wird sein, wie schnell genug erneuerbare Energien produziert werden können. "Wenn wir in eine Zukunft kommen, in der digitale Dienstleistungen sinnvoll implementiert und breit angewendet werden - und dies auf Basis erneuerbarer Energie - dann hat die Digitalisierung einen eindeutig positiven Effekt." Basieren die Energieversorgungssysteme weiterhin auf fossilen Energieträgern wie Öl oder Kohle, so könnten die positiven Effekte durch die negativen wieder aufgelöst werden.

Als einmalige Chance fürs Klima wurden die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus anfangs medial angepriesen. Auch die Bevölkerung sah das so - anfangs. Das Austrian Corona Panel Project der Uni Wien untersucht seit März mittels regelmäßiger Befragungen die Ansichten der Bevölkerung zur Corona-Krise. Gaben beim ersten Lockdown fast drei Viertel der 1.500 Befragten an, die Krise als Chance für Umwelt und Klima zu sehen, so waren es im Dezember nur noch gute 44 Prozent. "Der Lockdown führte den Menschen für einen Moment die Wichtigkeit von Nachhaltigkeitsthemen vor Augen, aber sobald sie aus den Augen sind, sind sie auch wieder aus dem Sinn", sagt Projektleiter Bernhard Kittel vom Institut für Wirtschaftssoziologie.

Kurzfristiges Wohlergehen wird oft priorisiert

Die Ergebnisse der Studie legen außerdem einen Zusammenhang zwischen der persönlichen wirtschaftlichen Situation und der Wichtigkeit von Nachhaltigkeitsthemen nahe. "In dem Moment, wo das eigene wirtschaftliche Wohlergehen in einen Konflikt gerät mit den Vorstellungen über nachhaltige Entwicklung, entscheiden sich sehr viele Menschen doch für das kurzfristige Wohlergehen", sagt Bernhard Kittel, was bei steigender Armut und Arbeitslosigkeit nicht außer Acht zu lassen sei.

Im Endeffekt zeigt sich beim Klimaschutz ein ähnliches Szenario, wie bei der Pandemie. Nur, wenn jeder einzelne achtsam und bereit ist, Veränderungen im eigenen Leben in Kauf zu nehmen, können die kurzlebigen Effekte in die Zukunft getragen werden. Mit Blick ins neue Jahr werden es wohl weniger neue Corona-Restriktionen als vielmehr konkret gestellte Weichen sein, die sich positiv auf das Klima auswirken. Das Klimaministerium brachte heuer das 1-2-3 Ticket für den öffentlichen Verkehr und einen 3-Punkte Plan zur Plastikreduktion auf den Weg. Kürzlich wurde das "Mobilitätspaket nördliches Niederösterreich" vorgestellt, das das öffentliche Verkehrsnetz im Bundesland mit rund 1,35 Milliarden Euro zukunftstauglich machen soll.

Weniger Feuerwerk zum Jahreswechsel

"Wir haben durch unsere Vorbildwirkung bemerkbar erzielt, dass auch privat viel weniger zu Feuerwerkskörpern gegriffen wurde," sagt Matthias Stadler und weist auf ein pikantes Detail hin, das viele Österreicher im Neujahrstaumel gern vergessen. "In den meisten Städten und Regionen sind Feuerwerke ab einer gewissen Kategorie immer schon verboten", sagt er. "Dass hier viele nicht gesetzeskonform unterwegs waren, liegt auf der Hand, sonst hätte es in den vergangenen Jahren nicht so viele Raketen über Österreichs Städten gegeben", sagt Stadler.

Es bleibt also sowohl beim Feuerwerk, beim Umweltschutz als auch bei der Virusbekämpfung zu hoffen, dass sich im neuen Jahr das Wohlergehen Vieler über das Vergnügen des Einzelnen stellt.