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Debatte um "Impf-Vordrängler"

Von Martin Tschiderer

Politik

Bei konkreten Konsequenzen für Politiker sind die Parteien bisher zurückhaltend.


Mehrere Fälle vorgezogener Politiker-Impfungen sorgen aktuell für Aufregung. Bürgermeister in verschiedenen Bundesländern ließen sich kürzlich die Covid-19-Impfung in Alters- oder Pflegeheimen verabreichen, obwohl Politikerinnen und Politiker laut offiziellem Impfplan erst wesentlich später an der Reihe sind. Neben den Vorarlberger Ortschefs von Feldkirch und Rankweil (beide ÖVP) ließen sich etwa in Oberösterreich auch der Bürgermeister von Enns und der Ortschef so wie die beiden Vizebürgermeister von Eberschwang (SPÖ bzw. FPÖ) und mehrere weitere Politiker und deren Angehörige quer durch die Bundesländer bereits immunisieren.

Das Gesundheitsministerium verwies hinsichtlich der Kontrolle bei der Impfreihung am Dienstag auf die Verantwortung der Länder und der jeweiligen Impfbeauftragten der Gesundheitseinrichtungen. Von der Regierungsspitze kam am Mittwoch dann deutliche Kritik an den Vorgängen und kein Verständnis für "Vordrängler". "Wenn sich jemand vordrängt, ist das moralisch enttäuschend", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in der "Kronen Zeitung". Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bezeichnete die "Drängler" als "empörend". Die Bundesländer forderte er auf, in solchen Fällen durchzugreifen. Die Landeshauptleute sollten gegebenenfalls auch auf Bürgermeister einwirken, zurückzutreten.

"In den Ländern liegt das gut"

In den Parteien selbst gibt man sich bezüglich möglicher Konsequenzen für Politiker, die sich vorreihen ließen, indessen zurückhaltend, wie ein Rundruf der "Wiener Zeitung" bei den Gesundheitssprechern der Parlamentsparteien zeigt. Vorreihungen wurden zwar aus allen Fraktionen scharf kritisiert, bezüglich etwaiger parteiinterner Folgen war aber weniger Konkretes zu hören. "Vordrängen von Politikern geht natürlich gar nicht", sagt ÖVP-Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz. "Es gibt eine klare Priorisierung durch das Impfgremium, wo selbstverständlich alle Risikofaktoren abgewogen werden müssen." Im Falle erfolgter Vorreihungen müsse es daher intensive Gespräche geben. Das passiere auch bereits, wie sie aus den Bundesländern höre, sagt Schwarz. In Tirol habe Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) mit den Betroffenen bereits Gespräche geführt. "Und dort, in den Ländern, liegt das Thema auch gut."

In der Debatte um Vorreihungen kam auch immer wieder die Frage auf, ob Politikerinnen und Politikern in wichtigen Funktionen nicht grundsätzlich eine höhere Priorisierung bei der Impfung zuteilwerden sollte. Etwa weil sie, wie auch Bürgermeister, regelmäßig mit vielen Menschen (gegebenenfalls auch in Pflegeheimen) zusammenkommen. Oder weil sie, wie im Falle von Regierungsämtern, eine entscheidende Rolle für das Krisenmanagement in der Pandemie spielen. Die Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums weisen für "Personal in Schlüsselpositionen der Landes- und Bundesregierungen und Beschäftigte in der essenziellen Infrastruktur" die Priorisierungsstufe vier ("Moderat erhöht") aus. Minister oder Landeshauptleute sollten demnach gemeinsam mit der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen geimpft werden.

Für eine höhere Priorisierung von (Spitzen-)Politikern sprach sich gegenüber dieser Zeitung keiner der Gesundheitssprecher aus. "Entscheidend ist vor allem einmal, dass Menschen mit erhöhtem Gesundheitsrisiko priorisiert werden", sagt Schwarz. Auch SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher formuliert das ähnlich. Eine etwaige Priorisierung von Politikern solle zudem keine politische Entscheidung sein, sondern vom Nationalen Impfgremium festgelegt werden. Bezüglich etwaiger Konsequenzen für Politiker, die sich vorreihen ließen, müsse man "jeweils den konkreten Fall betrachten und bewerten", sagt Kucher. Er fordert zudem von der Bundesregierung transparente Kriterien für Warte- und Ersatzlisten: "Da kennt sich ein großer Teil der Bevölkerung momentan überhaupt nicht aus", sagt Kucher.

"Unausgereiftes Impfkonzept" der Regierung

Für den grünen Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner ist entscheidend, aus welchem Grund genau ein Politiker vorzeitig geimpft wurde. "Wenn er etwa eine Autoimmunerkrankung hat oder hauptberuflich in einem Pflegeheim arbeitet, ist die vorzeitige Impfung ja berechtigt." Wurde er aufgrund seiner politischen Funktion geimpft, sei das aber "schwer zu erklären, wenn wir der Bevölkerung gleichzeitig sagen müssen, dass der Flaschenhals bei der Impfung die Verfügbarkeit ist". Zudem sei es einem Politiker zumutbar, eine FFP2-Maske zu tragen, wenn er etwa öffentliche Auftritte oder Besuche absolviere.

FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak macht "das unausgereifte Impfkonzept" der Bundesregierung für das "Chaos bei den Impfungen" verantwortlich. Dieses habe auch dazu geführt, dass in der Koordinierung zwischen Anmeldung und Durchführung der Impfung viele Fehler passiert seien. So würden Fälle sich vordrängender Politiker erleichtert. Im Gesundheitsministerium habe man es verabsäumt, eine klare gesetzliche Grundlage zu schaffen, die auch rechtliche Konsequenzen gegenüber den Ortschefs erlauben würde, sagt sein Kollege von den Neos, Gerald Loacker. In Vorarlberg seien gerade 14 Prozent der bisher Geimpften Alters- oder Pflegeheimbewohner, "weil zuerst die Freunde von Rotkreuzlern und Kinder von Ärztinnen geimpft werden", so Loacker.

Auch Österreichs Staatsoberhaupt ist übrigens noch nicht geimpft. Bundespräsident Alexander Van der Bellen werde laut der vorgesehenen Prioritäten-Reihung immunisiert, heißt es aus der Präsidentschaftskanzlei gegenüber der "Wiener Zeitung". Seinem Alter von 77 Jahren entsprechend ist der Bundespräsident in Wien damit in Phase zwei ab Februar an der Reihe. In dieser Phase sollen unter anderem Personen ab 70 Jahren geimpft werden.