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Wie viel Halligalli in Tirol steckt

Von Daniel Bischof und Martin Tschiderer

Politik

In der Wintersport-Hochburg Tirol soll es rundgehen. Zuletzt machten Bilder einer wilden Feier in St. Anton die Runde. Die Polizei weist Berichte über exzessive Partys zurück und gibt an, "lückenlos" zu kontrollieren.


In Scharen landen die Flüge in Innsbruck. Sie spucken Horden an Engländern aus, die sogleich die Skiorte stürmen. In Hotspots wie St. Anton am Arlberg sind überfüllte Pisten und feuchtfröhliche Abende an der Tagesordnung. Dieses Bild von Halligalli-Hüttengaudi in Corona-Zeiten wird in sozialen Medien derzeit zuhauf gezeichnet.

Verbreitet wurde auf Facebook beispielsweise eine Liste der Website Flightradar24, nach der am Samstag gleich acht Flüge aus England in Innsbruck landeten. Wie konnte das sein, gilt doch für englische Flüge mit Passagieren ein Landeverbot in Österreich?

Das Gerücht um die Ankünfte aus England sei "definitiv falsch", sagt Patrick Dierich, stellvertretender Direktor des Innsbrucker Flughafens, zur "Wiener Zeitung": "Am vergangenen Samstag sind keine Maschinen aus England bei uns gelandet." Vielmehr dürfte hier Flightradar24 seine Daten nicht aktualisiert haben, weshalb es zur Falschdarstellung kam.

Das Aufkommen am Flughafen Innsbruck liege derzeit bei einem Prozent der Vor-Corona-Zeit, sagt Dierich: "Wir haben auch Tage, wo kein einziges Flugzeug landet." Nur noch aus Wien gebe es an den meisten Tagen ein bis zwei Flüge. Bis auf einen weiteren Flieger aus Berlin, der noch am Freitag und am Sonntag nächste Woche lande, sei dann aber nichts mehr los, erklärt Dierich.

Mit Argusaugen wurde in den vergangenen Tagen auch der Tiroler Ort St. Anton am Arlberg beäugt. Grund dafür ist ein Video, das eine junge Schwedin im Internet veröffentlichte. Es zeigte eine Gruppe junger Ausländer, die im Schnee vor einer Hütte und in ihren Unterkünften feierten und Polonaise tanzten. Der St. Antoner Bürgermeister reagierte empört.

"Es hat Fälle gegeben. Das ist nicht abzustreiten", sagt ein Unternehmer aus der Region zur "Wiener Zeitung". Dabei handle es sich aber um einzelne schwarze Schafe. Er verstehe daher nicht, warum "da auf ein Dorf eingeprügelt wird, das ohnehin schon im März niedergeprügelt wurde". "Es kann mir ja niemand erzählen, dass nicht auch in Wien Menschen zusammenhocken und Partys machen."

Polizei registriert "Corona-Müdigkeit"

Die Polizei in St. Anton und die Landespolizeidirektion Tirol haben bisher keine wilden "Heustadel-Partys" registriert. Die Lage in St. Anton stelle sich als diszipliniert dar, wird dieser Zeitung aus der dortigen Polizeiinspektion berichtet. Bei Feiernden soll es sich um Einzelfälle handeln.

Laut Landespolizeidirektion sei in der Bevölkerung landesweit jedoch eine "gewisse Müdigkeit, sich an die Corona-Maßnahmen zu halten", erkennbar. Die Zahl der Anzeigen steige. Im privaten Bereich gebe es vermehrt Zusammenkünfte, bei denen meist gemeinsam Alkohol getrunken werde. Auch wurden in Igls jüngst 33 Personen rund um einen Faschingswagen angetroffen. Die Polizei erhielt einen Hinweis, alle Personen wurden angezeigt. Der Höchstrahmen für Strafen liegt hier bei 1.450 Euro.

Kontrolliert wird laut der Polizei lückenlos. Seit 15. Jänner muss sich jeder Einreisende nach Österreich vorab elektronisch registrieren. An der Grenze wird das Formular oder ein QR-Code, den die Polizei auslesen kann, überprüft. Den Grund und die Dauer des Aufenthaltes gibt die Gesundheitsbehörde an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde weiter. Die lokale Polizei führt vor Ort Kontrollen durch. "Wir überprüfen zum Beispiel die Arbeitsbestätigung", heißt es von der Polizeiinspektion St. Anton. Die Daten werden an die Gesundheitsbehörde geschickt, die weitere Kontrollen beauftragen kann.

Vor allem gilt: Alle Einreisenden müssen sich zehn Tage in Quarantäne begeben, frühestens ab Tag fünf können sie sich "freitesten". Das wird laut Polizei "lückenlos, ohne Ausnahme" kontrolliert. Die Polizei hält am Wohnort Nachschau, ob die betreffende Person zu Hause ist. Allerdings gibt es Ausnahmen. Berufspendler oder Personen, die etwa übers Wochenende den Lebenspartner besuchen, fallen beispielsweise nicht unter die Quarantäne-Bestimmungen.

Bei den Kontrollen nehme man auch die Zweitwohnsitze ins Visier, betonte die Tiroler Polizei. Diese wurden zuletzt verstärkt angemeldet, etwa auch in St. Anton. In der rund 2.500-Seelen-Ortschaft gibt es laut Gemeinde derzeit rund 300 bis 400 Zweitwohnsitze. Die Anmeldung eines Zweitwohnsitzes allein sei aber nicht strafbar, so die Polizei.

Wegen illegaler Beherbergung sind in Tirol auch Strafen ausgestellt worden. Seit 13. Jänner sind rund 3.000 Betriebe kontrolliert und 19 Anzeigen an Gäste und Betreiber ausgestellt worden - bei einer Nachfrage der "Wiener Zeitung" am 13. Jänner war noch nicht gestraft worden.

Personal wartet auf Start der Saison

Ein Unternehmer bestätigt der "Wiener Zeitung", dass die Kontrollen regelmäßig stattfinden. Er selbst beherbergt Personal, das auf den Start der Saisonarbeit wartet. Denn im Hoffen auf Arbeit seien einige Ausländer angereist, teils bereits im November: "Wir wussten nie, ob die Saison losgeht oder nicht. Und ohne Saisonarbeiter können wir hier gar nicht arbeiten." Die Bundesregierung habe ja lange angekündigt, dass ein Skiurlaub in Österreich möglich sein werde, bis binnen kurzer Zeit alles bis Ende Februar abgesagt worden sei.

Auch bei dem Partyvideo der jungen Schwedin in St. Anton habe es sich um Leute gehandelt, "die auf ihre Saisonarbeit warten", so der Unternehmer. Deren Verhalten sei natürlich "dumm" gewesen. Dass man nun derart auf die Ausländer losgehe, sei aber unverständlich: "Die werden aus den Quartieren geschmissen, weil die Gastgeber Angst bekommen, und stehen quasi auf der Straße."

Landeverbot noch bis 8. Februar

Dass sich die Situation bald groß ändert, davon geht in Tirol niemand aus. Am Flughafen Innsbruck rechnet Dierich damit, dass im Februar und März nur die Wien-Strecke geflogen wird. Zwar seien ab dem 8. Februar - bis dahin gilt das Landeverbot für Großbritannien, Südafrika und Brasilien - noch zwei, drei Flüge aus England im System verzeichnet. "Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die tatsächlich kommen werden", sagt Dierich.

Flüge aus Großbritannien hatte es in Innsbruck Anfang Jänner gegeben, was für einigen Trubel gesorgt hatte. Diese Maschinen seien ohne Passagiere gelandet, daher sei nicht gegen das Landeverbot verstoßen worden, so Dierich. Es habe sich um Rückholflüge gehandelt, die Briten, die sich in Tirol befunden haben, in die Heimat gebracht haben.

Kolportierte Berichte von Augenzeugen, laut denen aus den Flugzeugen auch Passagiere ausgestiegen seien, wies Dierich zurück: "Ich war an dem Tag dort und habe mir die Landungen angeschaut. Da ist niemand ausgestiegen. Der Pilot ist einmal um das Flugzeug gegangen. Das muss er machen."