Die Fortsetzung der Corona-Impfungen wird wegen des Konflikts zwischen der EU-Kommission und dem Impfstoffhersteller AstraZeneca um die möglichen Liefermengen zur Geduldsprobe für die EU-Staaten und vor allem auch für Österreich, das bei seinem Impfplan stark auf diesen Impfstoff gesetzt hat. Nachdem Verhandlungen auf EU-Ebene mit dem Hersteller in der Nacht auf Donnerstag ohne entscheidende Fortschritte geendet haben, heißt es zunächst Warten auf die für heute, Freitag, vorgesehene Zulassung.
Dabei geht es auch um die Frage, ob es für AstaZeneca eine Vollzulassung geben wird und damit auch für über 65-Jährige. Für Österreich ist das wichtig, weil in der zweiten Phase ältere Menschen, die daheim wohnen, damit geimpft werden sollen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat drei Notfallvarianten vorbereitet, über die nach der Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) die weiteren Schritte bei den Impfungen festgelegt werden. AstraZeneca hatte zuletzt weniger Liefermengen für März in Aussicht gestellt, was zu Unmut und Protesten der EU-Kommission wie auch in Österreich geführt hat.
Vertrag der EU mit AstraZeneca wird offengelegt
Kanzleramts- und Europaministerin Karoline Edtstadler sieht die EU-Kommission als Vertragspartner des Unternehmens am Zug im Konflikt um Lieferverzögerungen beim AstraZeneca-Impfstoff. "Wir sind dahinter", was den Rückhalt für eine rasche Lösung betrifft, wurde der "Wiener Zeitung" am Donnerstag im Büro der ÖVP-Ministerin erklärt, die selbst am Dienstag Gespräche mit dem EU-Kommissionsvizepräsidenten geführt hat. Praktisch setzt Edtstadler auf eine Doppelstrategie: Druck auf die Einhaltung der Impfstofflieferungen und Transparenz bei den Verträgen und gleichzeitig die Hoffnung, dass es zu einer Vollzulassung des Impfstoffs durch die EMA kommt und auch mit Johnson und Johnson bald ein weiterer Corona-Impfstoff zur Verfügung stehen wird.
Fraglich ist bisher, ob AstraZeneca für Menschen über 65 Jahren zugelassen wird, weil in dieser Altersgruppe keine ausreichenden Studienergebnisse vorliegen. Das Unternehmen hatte angekündigt, nur 31 statt der vorgesehenen 80 Millionen Impfdosen bis Ende März zu liefern. In Österreich würde das bei der Gruppe der über 65-Jährigen außerhalb der Heime sowie bei Personen aus systemrelevanten Berufen bedeuten, dass der Impfplan über den Haufen geworfen würde. Edtstadler ist dafür, dass die EU-Kommission als Vertragspartner Härte zeigt.
Es sind auch in Österreich bereits Politikerstimmen laut geworden, dass der am belgischen Standort von AstraZeneca hergestellte Impfstoff mit einem Exportverbot außerhalb der EU belegt werden solle. Diesbezüglich wird im Europaministerium betont: "Auch das liegt an der Kommission." Erklärtes Ziel bleibt eine Offenlegung von Vertragsdetails, nachdem AstraZeneca zuletzt Vereinbarungen über die Liefermengen in Abrede gestellt hatte. Die Europaministerin erwartet sich so auch für die Bevölkerung in Österreich Transparenz bei den vertraglichen Vereinbarungen. Unterdessen hat das Pharmaunternehmen am Donnerstag zugesagt, den Impfstoffvertrag mit der EU veröffentlichen zu wollen.
Wichtig sei nun vor allem, dass es zu einer Vollzulassung von AstraZeneca komme, hieß ex von Edtstadler. Denn erst das ermöglicht auch den Einsatz bei Corona-Impfungen für Menschen über 65 Jahren. Im Bundeskanzleramt in Wien hofft man aber vor allem auch auf die rasche Zulassung des Impfstoffs von Johnson und Johnson, weil sich damit eine weitere Alternative für die Corona-Impfungen ergibt. Nicht nur das: Dieser Impfstoff habe auch noch zwei Vorteile, er müsse nicht derart kühl gelagert werden - bei Biontech/Pfizer bis zu minus 70 Grad - und es reiche auch eine einzige Impfdosis. Bei Biontech/Pfizer sind es zwei. Die zweite Dosis ist in Österreich bisher an 5.000 Menschen geimpft worden.
AstraZeneca hat der EU-Kommission bei den Verhandlungen am Mittwochabend noch keine Lösung präsentiert, wie die Lieferengpässe bei seinem Corona-Impfstoff beseitigt werden könnten. Es sei an dem Unternehmen, Vorschläge dazu zu machen, wie es die Verpflichtungen aus seinem Liefervertrag erfüllen wolle, sagte ein Kommissionssprecher am Donnerstag in Brüssel.
Interessant ist vor allem auch das weitere Vorgehen in Deutschland. Dort hat die Ständige Impfkommission (Stiko) empfohlen, dass der Impfstoff von AstraZeneca nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren verwendet wird. "Zur Beurteilung der Impfeffektivität ab 65 Jahren liegen aktuell keine ausreichenden Daten vor", heißt es in einem Entwurf der Stiko.
EU denkt über Transparenz von Impfstoffen nach
Die Produktionsprobleme in einem Werk in Belgien bedeuten laut Angaben aus EU-Kreisen im ersten Quartal 75 Prozent weniger Dosen als vereinbart. Die EU-Kommission bestätigte eine Inspektion der belgischen Behörden in dem von Produktionsschwierigkeiten betroffenen Werk. Sie wollte sich aber nicht dazu äußern, ob sie die Kontrolle veranlasst hat. Brüssel kritisiert, dass die Lieferungen an Länder außerhalb der EU wie Großbritannien nicht eingeschränkt werden.
Die Kommission trieb unterdessen die Pläne voran, einen "Transparenzmechanismus" zu schaffen, um über Exporte von Impfstoff aus der EU in Drittstaaten informiert zu werden. Ein Vorschlag dazu soll am Freitag veröffentlicht werden. Anders als zu Beginn der Woche bezeichnete der Sprecher das Vorhaben jetzt als "Transparenz- und Genehmigungsmechanismus". Er ließ aber offen, ob Ausfuhren damit auch untersagt werden könnten.(ett/red./apa)