Zum Hauptinhalt springen

Was vom Fernunterricht bleiben könnte

Von Petra Tempfer

Politik

Die Schulen haben aus dem Lockdown auch etwas gelernt: Digitale Plattformen für die Hausübung oder Online-Elternsprechtage zum Beispiel haben sich laut Pädagogen bewährt und könnten in den Alltag integriert werden.


Nach und nach poppen die Namen der Teams-Teilnehmer der 1a auf dem Bildschirm auf. Einige mit Kamera, einige ohne. Der Stundenbeginn der Kinder der Mittelschule Feuerbachstraße in Wien-Leopoldstadt im Fernunterricht ist viel stiller als früher. Keine Schulglocke, kein Getuschel, kein Sesselrücken. "Unser heutiges Thema ist: Naturkatastrophen", sagt Lehrer Klaus-Jürgen Spätauf, hinter dem ein leeres Klassenzimmer mit seinen aufgeräumten Sesseln vom monatelangen Pandemie-Lockdown samt Schulschließungen erzählt. Spätauf selbst sitzt aber auch nicht in der Klasse - es ist ein digitaler Hintergrund.

"Natürlich war es am Anfang eine Umstellung, den gesamten Unterricht auf online umzustellen", sagt Spätauf zur "Wiener Zeitung", während ein virtuelles Zufallsrad entscheidet, welche Kinder in den nächsten 50 Minuten eine Präsentation über Erdbeben, Tsunamis, Wirbelstürme oder Vulkane erstellen sollen. "Aber", so der Geografie- und Mathematiklehrer weiter, "wir haben auch viel daraus gelernt." Und einiges davon möchte und werde er in den Präsenzunterricht nach dem Lockdown mitnehmen, sagt er.

Niederschwellige Unterstützung

Zum Beispiel, dass Lehrer online "ganz andere Möglichkeiten haben, die Schüler zu unterstützen", sagt Spätauf. Denn über eine Plattform wie etwa Teams sei man als Lehrer bei Fragen über Tablet, Laptop oder Handy viel niederschwelliger und leichter erreichbar, als wenn sich die Schüler jedes Mal im Schulgebäude oder Konferenzraum auf die Suche begeben müssten.

Gleiches gelte für die Elternsprechtage. "Den heurigen Sprechtag haben wir digital erledigt, und das war ein deutlich geringerer Zeitaufwand", so Spätauf - und zwar vor allem für die Eltern: Diese konnten vorab fixe Online-Gesprächstermine mit den Lehrern vereinbaren. Dadurch fiel das für Elternsprechtage sonst übliche, mitunter nachmittagfüllende Warten in den Gängen vor den Besprechungsräumen der Lehrer weg - speziell für Berufstätige eine Erleichterung. Und für den Elternabend der Klasse gab es einen YouTube-Link. "Die Kommunikation mit dem Elternhaus funktioniert digital grundsätzlich viel besser", sagt Spätauf, der diese Möglichkeit auch im normalen Schulalltag ohne Lockdown bieten möchte. Ob die Eltern Deutsch können oder nicht, spielt zum Beispiel beim digitalen Mitteilungsheft ebenfalls keine Rolle mehr. Denn die Nachrichten können in jede gewünschte Sprache übersetzt werden.

Der Lockdown habe auf jeden Fall ein Umdenken bewirkt, was Schule bedeutet, so Spätauf weiter: "Es wird nicht mehr das reine Faktenwissen überprüft." Sondern auch, wie die Schüler technische Problemstellungen bewältigen, wie sie gezielt im Internet nach Informationen suchen oder sich bei gemeinsamen Präsentationen untereinander organisieren.

Damit die Internetsuche nicht während der Prüfung zum Einsatz kommt, setzt Ursula Madl, Direktorin des Billroth-Gymnasiums in Wien, auf den geteilten Bildschirm. "So sieht man, ob der Schüler beim Beantworten schriftlich gestellter Prüfungsfragen nicht schummelt", sagt Madl.

Was man am Gymnasium in Wien-Döbling vom Fern- in den Präsenzunterricht mitnehmen möchte, sind zum Beispiel die Online-Vorbereitungskurse für die vorwissenschaftliche Arbeit. "Weil die Schüler für diese aus verschiedenen Klassen kommen, findet man im Stundenplan meistens schwer eine Lücke", sagt Madl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Zudem habe man den Vorteil des Hochladens der Hausübungen auf eine digitale Plattform bis zum Ende des Tages erkannt. "Dann kann sie der Schüler nicht erst am nächsten Tag in der Stunde abgeben, sondern bis dahin können sie schon verbessert sein." Auch kranke Kinder würden auf diesem Weg nicht zu viel Lernstoff versäumen, um ihn später nachholen zu müssen.

Und: Der Jour fixe der Lehrer finde im digitalen Raum nun einmal wöchentlich statt. "Früher war er viel seltener", sagt Madl, "und der gegenseitige Austausch dadurch geringer."

Tablets für Schüler

Der persönliche Kontakt zwischen Lehrern, Schülern und Eltern könne und solle freilich nie gänzlich durch Online-Chats oder E-Mails ersetzt werden, sagen Madl und Spätauf unisono. Und die Schulschließungen hätten natürlich auch zahlreiche Nachteile und Probleme mit sich gebracht. Lockdown und Fernunterricht hätten aber einmal mehr gezeigt, dass man aus dem Lösen jedes Problems, vor dem man steht, auch lernen kann. "Lernen ist nichts anderes, als Probleme zu lösen", sagt Madl. "Und das ist die Aufgabe von Schule an sich."

Die Mittelschule Feuerbachstraße ist auf Informatik spezialisiert und hat dadurch einen gewissen Vorteil mit in den Fernunterricht gebracht: Jedes Kind hat bereits ein Tablet, das laut Spätauf fix in den Unterricht integriert ist. Können die Eltern dieses nicht finanzieren, stelle die Schule eins zur Verfügung. Ab kommendem Herbst sollen alle Schüler der fünften und sechsten Schulstufen Österreichs mobile Endgeräte wie Notebooks oder Tablets erhalten, hat der Nationalrat im Vorjahr beschlossen. Voraussetzung ist ein Digitalisierungskonzept am Schulstandort. Die Eltern müssen 25 Prozent des Einkaufspreises bezahlen, danach geht das Gerät ins Eigentum des Schülers über. Für Familien, die etwa Mindestsicherung oder Ausgleichszulage beziehen, sind die Geräte gratis. Auch Lehrer werden mit diesen ausgestattet. Die öffentliche Hand soll das rund 200 Millionen Euro kosten, hieß es zuletzt. Bereits 96 Prozent der Schulen hätten ihren Bedarf bekanntgegeben, so das Ressort von Bildungsminister Heinz Faßmann.

Online-Quiz als Wissenstest

Die Schüler der 1a Feuerbachstraße sind mittlerweile fast am Ende ihrer Stunde angelangt. Lehrer Spätauf hat für die vier Naturkatastrophen-Gruppen noch ein Online-Quiz zusammengestellt, in dem die Zehn- und Elfjährigen mit ihrem soeben angeeigneten Wissen um den Sieg kämpfen. Den Verlierern, die ihre Kamera eingeschaltet haben, ist die Enttäuschung anzusehen. "Und irgendwann", sagt Spätauf zum Abschluss, "werden wir auch wieder einen Lehrausgang machen: zur Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik."

Noch bis 12. Februar findet das Festival of Learning statt. Bei diesem erfährt man, wie man mit dem iPad unterrichten kann. Nähere Infos unter:
wasjetzt.net/festival-of-learning-ipad/

In Wien und Niederösterreich haben am Freitag
die Semesterferien begonnen. In allen anderen Bundesländern sind sie in der zweiten Februarwoche. Die Schulnachrichten werden größtenteils erst zu Beginn des zweiten Semesters verteilt.