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Ministerin Raab: "Es wird definitiv keine Kürzungen geben"

Von Martina Madner

Politik

Auch wenn der Familienlastenausgleichsfonds Schulden anhäuft, sagt die neue Familienministerin Susanne Raab zu, dass es keine Kürzungen bei Familienleistungen geben wird. Zusätzliche Krisenhilfen sind aber (vorerst) auch keine geplant.


Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) ist nun zusätzlich zum Frauen- und Integrationsressort auch für Familien und Jugend verantwortlich. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" konkretisiert sie ihre ersten Pläne für Familien. Das Pensionssplitting ist mit dabei und aus dem Familienhärteausgleich steht bis Ende März noch Geld für weitere Krisenhilfe für Familien zur Verfügung.

"Wiener Zeitung":Familien kämpfen nach wie vor mit den Folgen der Pandemie: Andere Hilfen wurden aufgestockt, warum der Corona-Familienhärteausgleich bisher nicht?

Susanne Raab: Wir haben noch ausreichend finanzielle Mittel für Familien, bis Ende März können noch Anträge gestellt werden. Ich bin froh, dass wir auch jetzt in dieser schwierigen Phase noch Familien unterstützen können.

Die Hilfe gibt es einmalig für drei Monate. Die Krise aber dauert bereits deutlich länger. Warum erhalten jene, die schon einmal Geld erhalten haben, nicht ein zweites Mal eine Hilfe?

Der Familienhärteausgleich ist ein ganz wichtiges Mittel für die Unterstützung von Familien, auch für Alleinerzieherinnen, insbesondere dort, wo es Corona-bedingte Arbeitslosigkeit gibt. Ich sehe an der Anzahl der Anträge, dass es ein effektives Mittel ist. In den letzten Monaten sind auch viele Anpassungen passiert, auch die Auszahlungen passieren jetzt sehr rasch. Man muss sich auch die Hilfe über den Gesamtzeitraum ansehen: vom Familienhärteausgleich über den Familienkrisenfonds und dem Kinderbonus, über den 665 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Im internationalen Vergleich gesehen haben wir Familien sehr gut unterstützt. Und ich kann Ihnen garantieren, dass ich nun auch als Familienministerin alles tun werde, die Familien auch in den kommenden Monaten der Pandemie gut zu unterstützen. Das wird mein erster Fokus, meine wichtigste Aufgabe zum Start sein.

Sie sagten selbst vor kurzem: "Alleinerzieherinnen stemmen Übermenschliches" in der Krise. Warum gibt es für die nicht mehr Geld?

Eine Vielzahl der Hilfen kommt ja auch Alleinerzieherinnen zu Gute. Das Wichtigste ist, dass es nun einen Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeiten gibt. Eine alleinerziehende Mama von zwei Kindern, die arbeiten geht, kann grundsätzlich ihre Kinder in die offenen Schulen zur Betreuung geben, das war mir immer ein besonderes Anliegen. Und wenn das Kind oder die Klasse in Quarantäne muss, dann kann die Mutter Sonderbetreuungszeiten in Anspruch nehmen, ohne dass sie Probleme am Arbeitsplatz bekommt. Das ist eine große Entlastung für Alleinerzieherinnen. Und es gibt den Unterhaltsvorschuss, wenn der Expartner nicht zahlen kann, springt der Staat für den verminderten Unterhalt ein.

Der Unterhaltsvorschuss wurde ja jetzt bis März verlängert. Schon 2017 sagten alle Parteien - auch Kanzler Sebastian Kurz, damals noch ÖVP-Kandidat - eine Unterhaltsgarantie für Kinder zu, wo es keinen Vater gibt, von dem der Staat sich Vorschüsse wieder zurückholen kann. Warum kommt das nicht?

Wenn es einen Unterhaltspflichtigen gibt, dann springt der Staat mit Vorschüssen ein, das ist der Unterhaltsvorschuss. Wenn es keinen Unterhaltspflichtigen gibt, wäre das eine zusätzliche Sozialleistung, die im Regierungsprogramm in dieser Form nicht vorgesehen ist. Das wäre auch primäre Sache des Sozialministers beziehungsweise der Bundesländer, in solchen Fällen zu helfen. Mir ist aber wichtig, zu betonen, dass Österreich unter den Top-5 in der EU bei monetären Familienleistungen ist. Es ist wichtig, dass wir dort unterstützen, wo es punktuell notwendig ist und wir haben jetzt mit dem Unterhaltsvorschuss und dem Familienhärteausgleich Instrumente, mit denen uns das gut gelingt.

Dürfen die Eltern auch 2021 mit einem neuen Kinderbonus rechnen?

Das war zum Schulstart 2020 eine einmalige finanzielle Entlastung für die Eltern. Wie es mit der Krisenbewältigung nach Corona weitergeht, werden wir erst sehen.

Gegen Österreich läuft ja auch ein Verfahren beim EuGH aufgrund einer Klage der Europäischen Kommission wegen der Indexierung der Familienbeihilfe, weil Österreich an Eltern für Kinder, die im Ausland leben, weniger Familienbeihilfe ausbezahlt. Planen Sie, das vorab zu ändern, oder warten Sie das Ergebnis des Verfahrens ab?

Aktuell sind keine Gesetzesänderungen geplant. Wir warten nun einmal die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ab.

Familie ist generell oft Müttersache. Was wollen Sie tun, damit sich Väter stärker an der Arbeit zu Hause beteiligen können?

Mir ist es wichtig, Familie nicht als Frauenagenda zu betrachten, sondern als gesamtgesellschaftliche Angelegenheit, wo Väter auch ihren familiären Verpflichtungen nachkommen. Es gibt allerdings keine ‚One-size-fits-all‘-Lösung, sondern unterschiedliche Stellschrauben, an denen man drehen muss. Beispielsweise brauchen Männer Vorbilder, die zeigen, dass Kinderkarenz auch in Branchen funktioniert, wo das bisher noch nicht üblich ist. Weil es oft auch eine ökonomische Entscheidung ist, wer in Karenz geht, ist es mir wichtig, dass Mädchen Berufe in besser bezahlten Branchen wählen, damit beide gleich viel verdienen. Das wären zwei langfristige Ansätze. Die Zahlen zum Kinderbetreuungsgeldbezug zeigen, dass dieser immer partnerschaftlicher verteilt ist. Aber ja, da braucht es noch einen Turbo.

Könnten Sie da nicht auch einen kurzfristig wirksamen Turbo setzen?

Es gibt ja den Partnerschaftsbonus für Eltern bei einer gleichberechtigten Aufteilung der Karenz von 1.000 Euro. Da muss man evaluieren, ob dieses Instrument greift und genutzt wird. Wichtig ist uns, Gleichberechtigung langfristig zu denken, von der Geburt der Kinder bis zur Pension. Deshalb wollen wir beispielsweise auch ein automatisches Pensionssplitting umsetzen, damit von dem Elternteil, der mehr arbeitet, jenem, der sich mehr um die Kinder kümmert, Pensionszeiten übertragen werden. Das ist für mich ein partnerschaftliches Modell, das mir sehr wichtig ist.

Warum dauert die Automatisierung des Pensionssplittings so lange?

Das ist ganz oben auf meiner Prioritätenliste und wird ehestmöglich umgesetzt. Tatsache ist aber, dass das eine komplexe Gesetzesnovelle ist. Warum? Weil es unterschiedliche Lebensrealitäten abzubilden gilt. Denken Sie an Patchworkfamilien, denken Sie daran, wenn jemand mehrere Kinder von unterschiedlichen Partnern hat. Deshalb wird an den Modellen noch gearbeitet.

Die Frauensprecherin Ihrer grünen Koalitionspartnerin, Meri Disoski, bezeichnet das Pensionssplitting als "kleines Pflaster auf eine klaffende Wunde der Altersarmut von Frauen". Braucht es nicht größere Änderungen im Pensionssystem, damit sich Teilzeit nicht so stark auswirkt?

Das Pensionssplitting wird sichtbare, positive Effekte auf Frauenpensionen bringen. Wir wollen außerdem das Bewusstsein dafür schärfen, was lange Teilzeitphasen für die Pension bedeuten, und zeigen, dass mit partnerschaftlichen Modellen in den Familien, Müttern der Wiedereinstieg nach einer Karenz in Vollzeit gelingt. Unser aller Ziel muss auch ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung sein, damit es bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf echte Wahlfreiheit gibt und jede Familie selbstbestimmt entscheiden kann, wie sie sich selbst organisiert.

Wann werden Sie nun die neue Zeitverwendungsstudie in Angriff nehmen, damit wir wissen, wer wie viel Familienarbeit übernimmt?

Die ersten Schritte sind bereits gesetzt. Jetzt mit Lockdown und Homeschooling macht das wenig Sinn. Mir ist wichtig, dass die Zeitverwendungsstudie zu einem Zeitpunkt durchgeführt wird, wo es sinnvolle Vergleichsdaten gibt zu jenen von vor zehn Jahren.

Der Familienlastenausgleichsfonds hatte schon vor der Pandemie Schulden, mit weniger Arbeitgeber-Beiträgen werden es noch mehr. Was tun, wenn es für die Familienbeihilfe eng wird?

Es wird definitiv keine Kürzungen von Familienleistungen geben. Und es ist ja auch gesetzlich geregelt, dass Mindereinnahmen des FLAF durch allgemeine Budgetmittel ausgeglichen werden. Das wird selbstverständlich auch dieses Mal so sein.

Noch eine Frage an die Frauenministerin: In Deutschland wird gerade ein Gesetz eingeführt, wonach auch in Vorständen zumindest ein Posten mit einer Frau besetzt wird. Was planen Sie?

Wir gehen als Bundesregierung mit gutem Beispiel voran und werden die Quote in Aufsichtsräten bei Unternehmungen mit Bundesbeteiligung von 35 auf 40 Prozent erhöhen. Dazu gibt es einen Ministerratsvortrag. Mir ist es wichtig, dass wir Frauen und Mädchen stärken, damit sie auch in Führungspositionen gelangen. Ich glaube aber, die Quote ist kein Allheilmittel, dementsprechend sind da derzeit keine weiteren Quotenregelungen für Vorstände vorgesehen.

Zur Person~Susanne Raab, 36, hat nach dem Rücktritt von Christine Aschbacher zusätzlich zum Frauen- und Integrationsressort nun auch die Familienagenden übernommen. Vor ihrer Ministerinnentätigkeit war die oberösterreichische Juristin unter anderem Leiterin der Sektion Integration im Außenministerium.