Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission zum Terror-Anschlag vom 2. November in Wien, bei dem ein von der Polizei erschossener Attentäter vier Passanten getötet hat, bescheinigt der Justiz, der Strafvollzug des 20-Jährigen sei "unauffällig verlaufen". Nachschärfungen im Bereich des Terrorismus- und Staatsschutzstrafrechts hält das Gremium für nicht erforderlich.

Die Kommission unter Vorsitz der Wiener Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes geht davon aus, dass der Anschlag in der Innenstadt "kein Defizit des bestehenden Terrorismusstrafrechts sichtbar macht". In diesem Bereich bestehe "kein Ergänzungsbedarf", wird in dem Bericht betont: "Weder gibt der konkrete Fall Anlass, weitere Straftatbestände zu schaffen, noch lassen sich sonstige Fälle und Phänomene benennen." Die zuletzt ausgebauten Organisationsstraftatbestände im StGB reichen nach Ansicht der Experten aus. Den im Entwurf eines Terror-Bekämpfungs-Gesetzes vorgesehenen neuen Tatbestand einer religiös motivierten extremistischen Verbindung (§ 247b StGB) nennt die Zerbes-Kommission "überflüssig". Darüber hinaus wäre diese Strafbestimmung verfassungsrechtlich bedenklich, denn es gebe "keinen sachlichen Grund, bei religiös motiviertem Extremismus schwer wiegendere strafrechtliche Folgen vorzusehen als bei sonstigem, z.B. politischem Extremismus".

Den Vorschlag, für wegen einer extremistischen Straftat verurteilte "Gefährder" eine über ihre Strafe hinausreichende "Unterbringung" - etwa im Maßnahmenvollzug - vorzusehen, lehnt die Zerbes-Kommission ebenfalls ab. "Mit Blick auf den vorliegenden Fall, aber auch generell ist für diese Tätergruppe das strafrechtliche Unterbringungsgesetz ungeeignet, da dieses grundsätzlich an schwerwiegende psychiatrische Störungen und die damit verbundenen validen Prognosekriterien anknüpft. Ein eigenes neues Rechtsinstitut einer über die Strafhaft hinausgehenden Freiheitsentziehung wäre verfassungsrechtlich hoch problematisch", wird im Abschlussbericht betont.

Voraussetzungen für bedingte Entlassung verschärfen

Auch die bestehenden Regeln bzw. Voraussetzungen hinsichtlich der bedingten Entlassung sollten nach Dafürhalten der Kommission nicht anlassbezogen verschärft werden. Denn gerade eine bedingte Entlassung - der Attentäter wurde vorzeitig gegen Auflagen aus einer 22-monatigen Haftstrafe wegen terroristischer Vereinigung entlassen - mache in Verbindung mit Weisungen eine gewisse Kontrolle während der Probezeit möglich.

Dessen ungeachtet hat das Experten-Gremium im justiziellen Bereich Verbesserungsvorschläge im Umgang mit extremistischen Straftätern. So sollte die Deradikalisierungsarbeit strukturell besser verankert und finanziell besser ausgestattet werden. Deradikalisierung bedürfe einer Professionalisierung, gesetzlicher Rahmenbedingungen und ausreichender Mittel, ist dem Abschlussbericht zu entnehmen.

Vor der Entlassung von Straftätern sollte es überdies Fallkonferenzen geben, bei bedingten Entlassungen unter Einbindung von Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörden, um in gemeinsamer Abstimmung das vom Betroffenen ausgehende Risiko besser abschätzen zu können. Bedingte Entlassungen von extremistischen Tätern will die Zerbes-Kommission nur mehr Drei-Richter-Senate vornehmen lassen.

"Spontane Fallkonferenzen"

Für den Fall, dass bedingt Entlassene Handlungsweisen setzen, die auf eine anhaltende bzw. neuerliche Radikalisierung schließen lassen, schlägt die Zerbes-Kommission "spontane Fallkonferenzen" vor, die der Justiz ein rascheres Reagieren - etwa in Form eines Widerrufs der bedingten Entlassung - ermöglichen würde. Nichts hält die Untersuchungskommission dagegen von einer von der Regierung angedachten elektronischen Ortsüberwachung von Enthafteten. Bezogen auf den konkreten Fall hätte eine GPS-Überwachung "kaum zusätzliche Erkenntnisse geliefert. Die Defizite lagen nicht an einem Mangel an Informationen, sondern an der mangelhaften Verwertung dieser Informationen", hält die Kommission in ihrem 32-seitigen Bericht fest. Und sie gibt Folgendes zu bedenken: "Dass Täter, die zu extremistischen Handlungen bereit sind, sich durch den Eindruck abschrecken lassen, dass die Polizei sie beobachtet, gilt als zweifelhaft und ist jedenfalls nicht belegt."

"Viele Empfehlungen decken sich mit den schon länger vorgesehenen Plänen im Justizministerium", reagierte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in Vertretung der in Babypause befindlichen Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auf die Feststellungen der Zerbes-Kommission. Die Justiz haben nach dem Terrorattentat "schnell reagiert und es wurden bereits Neuerungen auf den Weg gebracht". Bereits im ersten Teil des Antiterrorpakets habe man Fallkonferenzen zu besseren Vorbereitung von bedingten Entlassungen vorgesehen und den Informationsaustausch zwischen den Behörden forciert. Die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für Extremismusprävention und Deradikalisierung im Strafvollzug sowie weitere Empfehlungen der Kommission würden jetzt geprüft, meinte Kogler in einer Aussendung. (apa)