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Transparenzgesetz: Der Teufel im Detail

Von Martin Tschiderer

Politik

Ein Informationsfreiheitsgesetz soll bald neue Transparenz in die Verwaltung bringen. Ohne unabhängigen Beauftragten, der strittige Fälle prüft, dürfte ein Kulturwandel aber ausbleiben, befürchtet das Forum Informationsfreiheit.


Das Ziel soll nahe sein. Ein Entwurf zu einem neuen Parteiengesetz, das dem Rechnungshof Einblick in Parteifinanzen gibt und Offenlegungspflichten wie Parteispenden-Obergrenzen umfasst, soll laut der grünen Klubchefin Sigrid Maurer in "einigen Wochen" kommen. Das lange angekündigte Informationsfreiheitsgesetz, das für mehr Transparenz bei Behörden und in der Verwaltung sorgen soll, dürfte dagegen bereits kommende Woche in Begutachtung geschickt werden.

Ein Bekenntnis zur Schaffung eines solchen Gesetzes hatte die türkis-grüne Bundesregierung bereits im Regierungsprogramm abgegeben. Nach einem runden Tisch im Juni unter Beteiligung verschiedener Stakeholder landete das Projekt aber für Monate auf dem Abstellgleis. Das war zum Teil der Corona-Pandemie geschuldet, aber auch Folge einer inhaltlichen Auseinandersetzung: Vor allem kleinere Städte und Gemeinden stiegen auf die Bremse, weil sie durch ein neues Transparenzgesetz ausufernden Arbeitsaufwand und Konflikte mit der Datenschutzverordnung erwarteten.

Mit ihrem Nein zum Misstrauensantrag gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), gegen den rund um den Verdacht auf Spenden des Glücksspielkonzerns Novomatic als Beschuldigter ermittelt wird, fanden die Grünen nun aber offenbar einen Weg, um Druck für eine rasche Umsetzung auf den Koalitionspartner auszuüben. Worum geht es konkret?

Abrutschen im Korruptions-Ranking

Österreich ist das letzte Land der EU mit einem Amtsgeheimnis in Verfassungsrang. Zahlreiche Experten, Organisationen wie Transparency International (TI) oder das Forum Informationsfreiheit fordern - wie auch die Grünen - seit Jahren die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit, um etwa intransparenten Auftragsvergaben und Korruption entgegenzuwirken. Erst kürzlich war Österreich in der weltweiten Korruptions-Rangliste von TI vom 12. auf den 15. Platz abgerutscht. Statt des Amtsgeheimnisses soll nun die Informationsfreiheit in der Verfassung verankert werden, die Bürgerinnen und Bürgern das Recht gibt, Dokumente und Informationen vom Gesetzgeber, von Behörden und öffentlichen Unternehmen zu erhalten. Auch eine Veröffentlichungspflicht, etwa von Gutachten und Stellungnahmen, aber auch von Auftragsvergaben der öffentlichen Hand soll das Paket enthalten.

Umgesetzt werden soll die neue Transparenz einerseits über ein digitales Register, in dem man etwa nach Verträgen zu Privatisierungen oder Beschaffungen (ab einem gewissen Investitionswert) suchen könnte. Andererseits über das Recht, Informationen von Behörden aktiv zu erfragen - etwa den E-Mail-Verkehr eines Ministers mit einem Lobbyisten, wie das etwa in der Slowakei bereits möglich ist. Die Informationen müssten dann innerhalb einer bestimmten Frist übermittelt werden. Ausnahmen, etwa wenn öffentliche Sicherheit oder Datenschutz berührt werden, sind im Gesetzestext konkret zu definieren.

Der Gemeindebund betont gegenüber dieser Zeitung, dass man eine Neuregelung der Transparenzvorschriften grundsätzlich begrüße. Bedenken hat man aber bei der praktischen Umsetzbarkeit. Eine aktive Veröffentlichungspflicht würde etwa bedeuten, dass Gemeinden künftig bei Auftragsvergaben, Kaufverträgen oder Gemeinderatsbeschlüssen in jedem einzelnen Fall Geheimhaltungsinteressen und Verschwiegenheitspflichten prüfen und gegen Transparenzpflichten abwägen müssten - nicht mehr nur auf explizite Anfrage hin, wie bisher. Aus Regierungskreisen war indes zu erfahren, dass man die Befürchtungen des Gemeindebundes hinsichtlich ausufernder Mehrarbeit nicht teile.

"Kulturschock" für Verwaltung möglich

"Der Teufel steckt hier sicher im Detail", sagt Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit (FOI), das auch am runden Tisch im Juni teilgenommen und sich in Folge mit Ministerium und Verfassungsdienst ausgetauscht hat, zur "Wiener Zeitung". So mache es für Gemeinden natürlich einen Unterschied, ob die Frist, innerhalb derer Informationen zur Verfügung gestellt werden müssten, im Gesetz auf zwei oder acht Wochen festgelegt werde. Das FOI fordert nichtsdestotrotz eine zweiwöchige Frist im Gesetz. Auf EU-Ebene beträgt sie 15 Arbeitstage. "In einer modernen Verwaltung müsste das möglich sein", sagt Huter. "Ich kann mir aber vorstellen, dass das ein gewisser Kulturschock ist."

Gemeinden und Länder, aber auch Behörden würden die Zunahme der Dauerbelastung tendenziell überschätzen, meint Huter. Er vermutet, dass es mit einem neuen Transparenzgesetz zu Beginn eine Welle von Anfragen gäbe, die aber bald nachlassen würde. Das zeige die Erfahrung aus anderen Ländern. Was regelmäßigen Mehraufwand durch aktive Veröffentlichungspflichten angehe, sei es "Aufgabe der öffentlichen Hand, gegebenenfalls zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen".

Für die tatsächliche Wirksamkeit eines neuen Gesetzes hält Huter aber die Einrichtung eines unabhängigen Informationsbeauftragten für entscheidend, an den sich Bürger im Streitfall wenden können. Etwa wenn eine angeforderte Information ausbleibt. Ein solcher steht allerdings nicht im Regierungsprogramm. Die Erfahrungen aus Europa würden laut Huter zeigen: "Ohne einen Informationsbeauftragten wird dieses Gesetz keinen Kulturwandel bringen. Dann bleibt es geduldiges Papier."