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Die Tücken von Österreichs Öffnungsplan

Von Simon Rosner

Politik

Drei Gründe, warum es schwierig werden wird, die Lockerungen umzusetzen: Entwicklung der Fallzahlen, mangelnde Verfügbarkeit von Antigen-Schnelltests und Ressourcenprobleme beim Contact Tracing.


Erst Anfang der Woche hat die Bundesregierung die Öffnungspläne für die Zeit bis Ostern präsentiert. Sie waren kein inniger Wunsch der Regierung selbst, und sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wollten keine Garantie für eine Umsetzung abgeben. Es war ein Kompromiss mit den drängenden Landeshauptleuten. Vorarlberg ausgenommen, wären es auch eher kleine Schritte, sie betreffen den Outdoor-Nachwuchssport (ab 15. März) sowie Schani- und Gastgärten (ab 27. März).

Bei diesen Plänen gibt es jedoch drei konkrete Probleme, und diese bringen das gesamte Vorhaben zum Wackeln. Das erste Problem ist das erwartete, es betrifft die Entwicklung der Fallzahlen. Anschober nennt sie alarmierend, Kurz ist derselben Ansicht: "Wir divergieren hier nicht."

So ganz eindeutig ist das Bild aber nicht. In immerhin 21 Bezirken war die Sieben-Tages-Inzidenz sogar rückläufig, wie die jüngste Analyse der Corona-Kommission ergab, andererseits steigt die Anzahl der Infizierten in sieben Tagen, gemessen an der Einwohnerzahl in 26 anderen Bezirken wirklich sehr stark. In ganz Österreich hat sich zuletzt die durchschnittliche Wachstumsrate der Inzidenz etwas eingebremst und führt, wie auch der Statistiker Erich Neuwirth sagt, zu einem linearen Anstieg, nicht mehr zu einem exponentiellen.

Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass Ursache dafür ein statistischer Effekt ist, weil etwa das plötzlich erhöhte Testaufkommen durch die Zutrittstests abgeflaut ist. Ein so deutlicher Anstieg der Wachstumsraten wie zweimal im Herbst, ist bisher aber nicht zu sehen - noch nicht. Andererseits mehren sich die Hinweise, dass Infektionen mit der britischen Variante B.1.1.7 zu mehr Spitalsaufenthalten führen. Die Bettenauslastung, auch auf Intensivstationen, steigt stärker an.

Antigentests sind endliche Ressource

Das zweite Problem betrifft die Antigen-Schnelltests. Sie sind das von der Regierung ausgerollte Sicherheitsnetz für die Lockerungen. So hat Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gesagt, ihm sei es lieber, die Menschen würden sich getestet in einem Schanigarten treffen als ungetestet in einem Park. Der Anreiz für einen Test wäre groß, dadurch könnten, so die Hoffnung, viele unentdeckt Infizierte erwischt, abgesondert und Infektionsketten unterbrochen werden. Doch Antigentests sind ein endliches Gut, und nun kommen auch andere Länder auf die Idee, vor allem Deutschland.

Die Antigentests werden in China hergestellt und nach Europa geflogen. In eine Boeing 747 passen etwa 1,2 Millionen solcher Tests, damit kommt Österreich derzeit eine Woche durch. Wenn die Schanigärten öffnen, bräuchte es wohl eine zweite Maschine. In Deutschland aber würde dieselbe Menge nur für ein paar Stunden reichen.

Der Transport ist derzeit der Flaschenhals. Langfristig wird man auf Schiffe umsteigen, aktuell helfen sie aber nicht. Auch die Produktionskapazität hat ihre Grenzen. Die Fabriken in China stellten vor der Pandemie insgesamt 1,8 Milliarden ähnlicher Tests her. Pro Jahr. Hört man sich bei Herstellern um, wird es trotz bereits erfolgter Skalierung schwierig, die Nachfrage zu bedienen, wenn halb Europa diese Teststrategie wählt. Auch hier heißt es: Langfristig schafft das China, in wenigen Wochen jedoch nicht.

Noch gibt es keine unmittelbare Gefahr, dass die Tests in Österreich ausgehen. Und durch den Fortschritt beim Impfen wird man auch zunehmend weniger benötigen. In einigen Wochen könnte aber die Situation entstehen, dass man die Einsatzgebiete der Tests priorisieren muss. Und das wird eher nicht der Freizeitbereich sein.

Bundesheer will sich aus Contact Tracing zurückziehen

Das dritte Problem hängt eng mit den Tests zusammen: das Contact Tracing. Es ist eine Achillessehne in der Virusbekämpfung, die im Herbst früh riss. Mittlerweile wurden die personellen Ressourcen aufgestockt, wobei Tirol hier führend ist, pro Kopf doppelt so viele "Tracer" wie Salzburg hat. Einige Bundesländer setzen jedoch seit Monaten auf das Bundesheer, das aber auch anderswo gebraucht wird, etwa für Einreisekontrollen und in Teststraßen. Ein Rückzug würde wieder zu Ressourcenproblemen führen, einige Länder haben da nicht vorgesorgt.

Zudem ist für ein wirklich effektives Contact Tracing das Tempo entscheidend. Bei positiven Ergebnissen eines Schnelltests wird aber die Überprüfung durch PCR-Test noch abgewartet. Da vergeht zu viel Zeit zwischen Test und Tracing. Sieben Bundesländer haben zudem berichtet, dass die Mitwirkung sinkt. Angaben seien unvollständig oder falsch, teilweise auch wegen einer Order der Arbeitgeber. Die Effizienz des Contact Tracing werde dadurch beeinträchtigt, heißt es in einem internen Dokument des Gesundheitsministeriums. Für Lokale und Veranstaltungen wär eine Test- und Tracing-App eine Option. Da stellt sich jedoch die Frage, ob dies von der datenschutzsensiblen Bevölkerung akzeptiert werden würde.