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Corona-Demos als politischer Spaltpilz

Von Daniel Bischof und Martin Tschiderer

Politik

Nachhall um Rechtsextreme auf Corona-Demos: Die ÖVP will Kickls Rücktritt, die FPÖ warnt vor "Kriminalisierungen".


Die Nachwehen der Wiener Corona-Demos am Samstag hielten Österreichs Innenpolitik am Montag in ihrem Bann. Eine "Hooligan-Mentalität", die zu Gewalt und einem schwer verletzten Wachmann geführt habe, sei "inakzeptabel", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Rahmen der Nationalrat-Sondersitzung zum Frauentag. "Es widert mich an", antwortete Nationalratsabgeordneter Axel Kassegger (FPÖ), dass bis zu 30.000 Teilnehmer der Demonstrationen als Hooligans "beschimpft" werden würden.

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Mit den Wortmeldungen setzt sich der politische Kampf um die Deutung der Demos fort. Die Proteste waren am Samstag von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl befeuert worden. Bei seinen Reden sprach er von "Corona-Stahlhelmen in den Regierungsbüros" und beschrieb die EU-Gesundheitspolitik als ein "gleichgeschaltetes Machtspiel", denn "die da oben wollen uns beherrschen". Nach dem offiziellen Ende der FPÖ-Kundgebung im Prater zogen die Demonstranten weiter durch die Leopoldstadt. Bei der Unteren Augartenstraße wurden sie von der Polizei eingekesselt.

Daraufhin stürmten einige Demonstranten die Garage der "Wiener Städtischen"-Versicherung. Ein dort arbeitender Wachmann wurde schwer verletzt und musste operiert werden. Es war der gravierendste Zwischenfall eines aufgeheizten Demo-Tages: 42 Festnahmen, mehr als 3.000 Verwaltungsanzeigen und 60 Strafanzeigen vermeldete die Polizei.

"Da wird mir schlecht"

Für Diskussionen sorgt vor allem, dass sich erneut Rechtsextreme unter die Demonstranten gemischt haben. So waren etwa bei Kickls Rede im Prater auch antisemitische Kommentare zu vernehmen.

Georg Bürstmayr, grüner Sicherheitssprecher, beklagt gegenüber der "Wiener Zeitung", dass die FPÖ sich radikalisiere und "alle Grenzen zum Rechtsextremismus fallen lässt". Es dürfe nicht passieren, dass ein Demozug durch die jüdischen Viertel der Leopoldstadt ziehen könne und dabei "Heil-Hitler-Rufe zu hören sind": "Da wird mir schlecht." Damit sei ein weiterer Schritt in Richtung Normalisierung von Rechtsextremismus auf Wiens Straßen gemacht worden.

Auch laut Nationalratsabgeordneter Sabine Schatz (SPÖ) "verbreiten sich auf diesen Demonstrationen ungeniert rechtsextremes Gedankengut und antisemitische Verschwörungstheorien". Demos, die klar antisemitisch besetzt sind, "müssen zu einer Untersagung führen", fordert Schatz.

Die Freiheitlichen warnen hingegen vor einer "pauschalen Kriminalisierung" der Demonstranten. Bei der Kundgebung im Prater habe es ein "buntes Feld" an Teilnehmern gegeben, sagt FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer: "Ich habe auch Israel-Flaggen und Rastafaris gesehen." Die Masse der Teilnehmer habe sicherlich nicht aus Rechtsextremisten bestanden.

Fest steht, dass die Corona-Demos nicht die letzten ihrer Art gewesen sein werden. Auch bei der Frage, wie man künftig mit den Protesten umgehen soll, zeigen sich aber Differenzen. Für ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer wird weiterhin die Frage entscheidend sein: Was passiert, wenn eine Demo nicht nur zur politischen Äußerung verwendet, sondern dadurch auch die Gesundheit gefährdet wird? Etwa durch "das provokante Abnehmen von Masken und das provozierende Nicht-Einhalten von Abständen", so Mahrer.

Die Polizei müsse im Voraus prüfen, bei welchen Demo-Anmeldern zu erwarten sei, dass Gesundheitsregeln nicht eingehalten werden. Sei dies der Fall, sei es "keine Kann-, sondern eine Muss-Bestimmung", die Demo zu untersagen.

"Gezielt scharfgemacht"

Genau das sieht Amesbauer anders. Ob es zu gehäuften Verwaltungsübertretungen kommen werde, könne man im Vorhinein nicht feststellen: "Nur aufgrund einer Vermutung eine Demo zu untersagen, ist aus meiner Sicht schon eine schwere Verletzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit."

Was aber soll die Polizei machen, wenn es trotz Untersagung zu Versammlungen kommt? "Das Zauberwort ist Verhältnismäßigkeit", meint Mahrer. Wichtig sei vor allem, die Missachtung der Gesundheitsregeln anzuzeigen. Das Auflösen einer Demo sei mit großen Risiken verbunden und müsse daher abgewogen werden: "Da sind auch Familien mit Kinderwägen dabei." Dass Ex-Innenminister Kickl "im Wissen um die sensible Materie noch Öl ins Feuer gießt", bezeichnet Mahrer als verantwortungslos. Die ÖVP forderte am Montag Kickls Rücktritt von allen Ämtern.

Amesbauer spielt den Ball zurück an die ÖVP. Die Polizei habe im Vorfeld der Demos "gezielt scharfgemacht". So habe sich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nach früheren Demos darüber beklagt, dass zu wenig gestraft werde.

SPÖ-Mandatarin Schatz fordert, dass bei den Demonstrationen künftig noch mehr Polizisten im Einsatz stehen: "Wir wollen nicht, dass die Polizei wieder so dünn gestreckt wird, dass sie die Demos nicht mehr unter Kontrolle behalten kann."

Wiens Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl verteidigte am Montag das Vorgehen der Polizei. Es sei "sehr konsequent eingeschritten" worden, Chaos oder Eskalationen habe es bei den Demos nicht gegeben.