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Bundesamt ohne Parteibuch?

Von Daniel Bischof

Politik

Reform des Verfassungsschutzes im Endspurt, die SPÖ ist skeptisch. Die Streitpunkte im Überblick.


Unauffällig seine Arbeit machen und ein gutes Verhältnis zu den Kollegen pflegen: Das ist dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zuletzt nicht gelungen. Die BVT-Razzia, Wirecard-Affäre und Ermittlungspannen beim späteren Wien-Attentäter ramponierten den Ruf der Behörde. Von ausländischen Partnern wird sie gemieden.

Mit der BVT-Reform will Türkis-Grün nun einen Befreiungsschlag setzen. Die Verhandlungen befinden sich im Endspurt, sagte Georg Bürstmayr, Sicherheitssprecher der Grünen, zur "Wiener Zeitung". Die Bundesregierung will einen schlagkräftigen, entpolitisierten Verfassungsschutz schaffen. Die SPÖ zeigte sich bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten hingegen skeptisch.

Zwei Säulen-Struktur

Bisher ist das BVT ein Hybrid aus Nachrichtendienst und Polizeibehörde. Die Mitarbeiter analysieren nicht nur mögliche Gefahren, sie haben auch exekutive Befugnisse (siehe Kasten). Der analytische Arm der Behörde ist bisher aber deutlich schwächer als der polizeiliche ausgeprägt.

Das soll sich ändern, die Behörde wird aufgespalten. Ein Teil soll sich um die nachrichtendienstliche Analyse kümmern, der andere die Polizeiarbeit übernehmen. Diese zwei Bereiche werden künftig jeweils von einem eigenen Vizedirektor geleitet. An der Spitze der Behörde steht ein Direktor. Weitere Details dazu will Bürstmayr nicht bekanntgeben.

Die SPÖ sieht diese Konstruktion kritisch. Letztlich seien Nachrichtendienst und Polizei wieder unter einer Behörde und einem Direktor vereinigt. Dadurch werde es wieder keine vernünftige Trennung dieser beiden Bereiche geben, bemängelt Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner. "Die polizeiliche Arbeit sollte ins Bundeskriminalamt verlagert werden", sagt er. Der Verfassungsschutz hingegen solle in einer eigenständigen Behörde aufgehen.

"Entpolitisierung der Spitze"

Für den Nachrichtendienst-Experten Thomas Riegler ist die Zwei-Säulen-Reform ein Indiz dafür, "dass sich die Polizei das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen will. Sie will die Strukturen unter ihrer Kontrolle halten. Das hat sich während der Debatte um die BVT-Reform laufend gezeigt."

Ein weiterer Knackpunkt ist die Personalauswahl. Denn bisher wurde immer wieder der Vorwurf laut, dass Posten im BVT mit ÖVP-Günstlingen aufgefüllt wurden. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) möchte nun ein Politik-Verbot im Verfassungsschutz etablieren: "Ähnlich wie beim Bundesamt für Korruptionsbekämpfung sollen Führungskräfte im neuen Verfassungsschutz keine politischen Ämter ausüben dürfen", erklärte er am Freitag. Der "Kurier" berichtete, dass Bewerber für Leitungsfunktionen in den vergangenen sechs Jahren auf Bundes- und Landesebene nicht in der Politik tätig gewesen sein dürfen. Eine unabhängige Kommission soll künftig den Direktor und Vizedirektor des Verfassungsschutzes bestellen. Bürstmayr möchte diese Details zwar noch nicht bestätigen. "Aber eine Stoßrichtung ist klar: Es wird eine Objektivierung bei der Personalauswahl und Entpolitisierung an der Spitze geben."

Einwallner zweifelt daran. Laut "Kurier" gilt der Chef des Landeskriminalamts Niederösterreich, Omar Haijawi-Pirchner, als klarer Favorit für den Posten des Direktors. Haijawi-Pirchner äußerte sich dazu nicht. Einwallner verweist auf ein Foto, das Haijawi-Pirchner im Jänner 2020 bei einem Wahlkampfauftritt der ÖVP Himberg in Niederösterreich mit Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigt. "Die Entpolitisierung des BVT ist für uns mehr als fraglich", sagt er. Riegler hält eine Entpolitisierung für wichtig. Es sei aber wieder einmal bezeichnend, dass einem hochrangigen Polizisten aus Niederösterreich "vorab die besten Chancen ausgerechnet werden".

Parlamentarische Kontrolle

Einig sind sich ÖVP und Grüne, dass das BVT einen neuen Namen bekommen soll. Künftig soll auch ein neues Gremium die Nachrichtendienste kontrollieren. Dieses soll den ständigen Unterausschuss zum Innenausschuss im Nationalrat, der bisher für die Kontrolle zuständig ist, "mit seiner Expertise" unterstützen, so Bürstmayr. Da es hier um die parlamentarische Kontrolle gehe, werde man dazu noch Gespräch mit allen Parteien führen.

"Wenn erstmals in der Zweiten Republik tatsächlich ein echter Inlands-Nachrichtendienst entsteht, ist die parlamentarische Kontrolle das Um und Auf", sagt Riegler.

Wissen: Ein Nachrichtendienst sammelt Informationen, wertet sie aus und zieht Schlüsse über mögliche Gefahren. Exekutive Befugnisse, etwa zur Festnahme von Personen, hat er nicht. Daher muss ein Nachrichtendienst nicht Anzeige an die Justiz erstatten, falls er Straftaten wahrnimmt. Er kann seine Beobachtungen fortsetzen und sein Wissen für sich behalten, darunter Informationen von Partnerdiensten und Informanten. "Andere Dienste sehen es nämlich nicht gerne, wenn ihre Informationen in Strafakten aufscheinen - so wie es in der Vergangenheit mitunter passiert sein soll", sagt Riegler.