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Im Justizressort ist in Abwesenheit von Zadic viel passiert

Von Simon Rosner

Politik

Alma Zadic ist nach ihrer Babypause wieder zurück und gleich mittendrin in den Kabalen der Justiz.


Etwas mehr als zwei Monate nach der Geburt ihres Sohns ist Justizministerin Alma Zadic (Grüne) in ihr Amt zurückgekehrt. Sie freue sich, wichtige Projekte anzugehen, postete sie am Montag an ihrem ersten Arbeitstag auf Facebook. Ein paar Stunden später wurde das Handy von Johann Fuchs, dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, sichergestellt. Der Verdacht: Verletzung des Amtsgeheimnisses. Es war also ein Kaltstart für Zadic.

SPÖ und Neos fordern die Suspendierung des hohen Beamten, Zadic sagte bei der Amtsübergabe von Interimsminister Werner Kogler an ihrem zweiten Arbeitstag: "Die Sachlage wird von der zuständigen Präsidialsektion, die auch die Dienstaufsicht im Justizministerium innehat, gerade geprüft." Am Nachmittag wurde dann Disziplinaranzeige beim zuständigen Disziplinargericht in Graz erstattet und angeregt, eine allfällige Suspendierung zu prüfen. Außerdem werden Fuchs' Zuständigkeiten beschränkt: Er ist "vorübergehend" nicht mehr für die Aufsicht über die WKStA, für Verschlusssachen und alle den Ibiza-U-Ausschuss betreffenden Causen zuständig. In den wenigen Wochen ihrer Abwesenheit war bereits Sektionschef Christian Pilnacek vorläufig suspendiert worden, nachdem auch bei ihm das Handy beschlagnahmt worden war.

Zadic betonte, wenn auch in anderem Zusammenhang, dass die Staatsanwaltschaft "jeden Verdacht auf strafbare Handlungen prüfen müsse". Auch wenn nicht explizit erwähnt, war der Kontext doch klar: Die Justizministerin bezog sich auf die Anwürfe des Koalitionspartners in Richtung Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nach der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel. Auch diese Causa fiel in die Zeit ihrer Abwesenheit, inklusive des Schwenks der ÖVP, nun doch einen Bundesstaatsanwalt zu wollen.

"Jedem Verdacht nachgehen", das tut nun eben auch die Staatsanwaltschaft Innsbruck in Sachen Fuchs. Dieser hatte vergangene Woche im Ibiza-Untersuchungsausschuss auf eine Frage von Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper geantwortet, dass er das Justizressort über "geplante Zwangsmaßnahmen" informierte. Nach seiner Befragung korrigierte Fuchs seine Angabe gegenüber der APA dahingehend, dass er nicht Vorabinformationen gemeint habe. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Dass Fuchs Aktenteile an Pilnacek übermittelt hat, konnte er im U-Ausschuss nicht ausschließen.

Parteipolitischer Streit um Unabhängigkeit der Justiz

Zadic musste eine erneute Volte in einer vielästigen Causa registrieren, die längst zu einem tiefen politischen Konflikt geworden ist, obwohl alle Parteien öffentlich erklären, genau dasselbe anzustreben, nämlich die Stärkung der unabhängigen Justiz. Und dieser Begriff der "unabhängigen Justiz" war auch am Dienstag bei der Staffelübergabe zu hören, von Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler ebenso wie dann von Zadic. Bei der Deutung dieses Begriffs gibt es zwischen den Parteien aber Unterschiede.

Die Ermittlungen gegen Fuchs sind deshalb auch von Bedeutung, weil der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft auch eine zentrale Figur des seit Jahren bekannten und im U-Ausschuss wieder öffentlich ausgetragenen Konflikts innerhalb der Justiz ist. Konkret geht es um die dauerhafte Krise zwischen der WKStA und der OStA Wien, an deren Spitze eben Fuchs steht. Am Spielfeldrand dieses Konflikts: die Politik, konkret die Parteien. Während die ÖVP die OStA verteidigte und die WKStA massiv kritisierte, diese auch reformieren will und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei dieser sogar "rote Netzwerke" ortete, stellten sich SPÖ und Neos stets klar auf die Seite der Korruptionsjäger und nahmen wiederum die Oberstaatsanwaltschaft Wien ins Visier, die mutmaßlich die Arbeit der WKStA behindert habe.

Bundesstaatsanwalt als Lösung für die Dauerkrise

Die Schaffung einer neuen Weisungsspitze durch die Installierung eines Bundesstaatsanwalts soll nun der Weg aus dieser Krise sein. Kogler hatte in Zadic’ Vertretung bereits die dreitätige Berichtspflicht an die staatsanwaltlichen Oberbehörden abgeschafft, sie war seit jeher umstritten. Die ehemalige WKStA-Ermittlerin Christine Jilek hatte im Untersuchungsausschuss überbordende Berichtspflichten beklagt, dies habe viele Ressourcen gebunden.

Hinsichtlich der Berichtspflichten wird es weitere Initiativen von Zadic geben. Das stellte sie zumindest in den Raum, ohne jedoch konkret zu werden. "Dort, wo sie nicht notwendig sind, sollen sie vermieden werden", sagte sie. Ein Berichtswesen wird es aber weiterhin zur internen Kontrolle geben. Wer dann an der Spitze der Weisungskette stehen soll, ist die zentrale Frage für die kommenden Monate. Dazu wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die einen Vorschlag über die Funktion und die Besetzung des Bundesstaatsanwalts erarbeiten soll.

Die Rolle des Parlaments bei der Bestellung

Ziel sei eine "maximale Objektivität", so Zadic. Konkret wurde die Justizministerin dazu nicht, beim Bundesstaatsanwalt soll es sich jedenfalls um eine erfahrene Person aus der Justiz handeln und nicht um einen "politischen Akteur". Ein Justizgremium soll einen Vorschlag machen, die Bestellung soll durch den "Bundespräsidenten unter Einbeziehung des Parlaments" erfolgen. Außerdem soll die Funktion mit einer langen Amtsdauer einhergehen, wobei zumindest der letzte Punkt außer Streit steht - einer der wenigen.

Denn über die Rolle des Parlaments bei der Bestellung gibt es noch keinen Konsens. Die ÖVP und die SPÖ sind für eine sehr aktive Rolle, die Bestellung solle dem Parlament vorbehalten sein, die Neos sind da eher zurückhaltend, die Grünen beziehungsweise das Justizministerium haben sich dazu noch nicht deklariert. Türkis-Grün benötigt für dieses Vorhaben jedenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Verfassungsänderung.