Die Rückkehr des Winters beflügelt nicht gerade die Gedanken für lauschiges Beisammensein im Schanigarten. Die Infektionszahlen tun es allerdings auch nicht. Dass tatsächlich am 27. März in ganz Österreich die Gastgärten aufsperren werden, wie das die Bundesregierung in Aussicht gestellt hatte, ist mehr als fraglich. Am Montag wird dazu wieder im Bundeskanzleramt evaluiert und diskutiert, ein nächster Lockdown steht wohl im Raum. In einigen Teilen Europas ist er bereits beschlossen, in Deutschland wird darüber zunehmend intensiv diskutiert.

"Ganz Europa ist mittlerweile in der dritten Welle - auch wir", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag in einer Pressekonferenz: "In manchen Regionen haben wir eine Situation, die ich wirklich als bedenklich erachte, was die Situation auf intensivmedizinischen Abteilungen betrifft." Man müsse alles tun, um "harte Triagen" in Österreich zu vermeiden, so Anschober bei der Präsentation des Obersten Sanitätsrats, der sich nach einjähriger Pause wieder konstituierte. Das 35-köpfige Beratungsgremium wird von Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien, geleitet. Michael Grimm von der Med-Uni Innsbruck und Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethik-Kommission, sind die Stellvertreter.

Haimbuchner auf Intensivstation verlegt

Die Fallzahlen selbst sind noch nicht so hoch, wie sie es im November waren, doch die infektiösere Virusvariante B.1.1.7. verursacht offenkundig mehr schwerwiegende Verläufe. Der Anstieg der Intensivpatienten in Österreichs Spitälern ist seit etlichen Tagen deutlich steiler als jener der Neuinfektionen. Auch jüngere Personen sind öfter von Komplikationen betroffen.

Nur einen Tag nach seiner Aufnahme im Linzer Kepler Uniklinikum wurde Oberösterreichs Landeshauptmann-Vize Manfred Haimbuchner (FPÖ) wegen seiner Covid-Erkrankung auf eine Intensivstation verlegt, er wird dort künstlich beamtet. Haimbuchner ist erst 42 Jahre alt.

Die Auslastung der Intensivstationen ist laut Anschober je nach Region unterschiedlich, hauptbetroffen ist Wien, Niederösterreich und das Burgenland, wo B.1.1.7. am weitesten verbreitet sind. Wenn dieser Trend weitergehe, so Anschober, sei man nicht mehr von der Situation im vergangenen Herbst entfernt.

In Wien musste beim Höchststand am 21. November 162 Patienten intensivmedizinisch wegen einer Covid-Erkrankung behandelt werden, am Freitag waren es bereits 137. Und es ist schnell hinaufgegangen, denn vor drei Wochen lagen in Wien noch 74 Covid-Patienten auf einer Intensivstation. Seit einigen Tagen schlagen Mediziner in Wien deshalb auch Alarm.

Gastronomie rechnet nicht mit Öffnung

Mit weiteren Öffnungen rechnet nun auch die Wiener Gastronomie nicht mehr. "Ich gehe nicht davon aus, dass wir am 27. März die Schanigärten aufmachen", sagt Peter Dobcak, Gastronomie-Obmann in der Wirtschaftskammer Wien. So wie die Zahlen aussähen, sei er pessimistisch. Zumal eine zweiwöchige Vorlaufzeit notwendig sei, um die Betriebe hochzufahren. Dobcak fordert, die Förderungen "noch einmal etwas anzuheben, und machen wir dann im Mai eine ordentliche Öffnung für draußen und drinnen".

Der Komplexitätsforscher Peter Klimek, der auch Teil des Prognosekonsortiums des Gesundheitsministeriums ist, hat wie auch der Virologe Andreas Bergthaler eine Verlängerung der Osterferien in den Raum gestellt. Auch dazu wird am Montag diskutiert.

Bei der Zahl der positiven Antigentests in den Schulen war zuletzt ein deutlicher Anstieg zu erkennen, auch wenn in Wien bei einer Schule, wo am Donnerstag gleich 62 Kinder positive Ergebnisse vorlagen, eine offenbar fehlerhafte Charge die Ursache war. Die PCR-Tests waren bei 38 Kindern negativ, die übrigen Proben waren Freitagnachmittag noch nicht ausgewertet.

Die Hoffnungen, dass die Impfung und der erwartete Saisonalitätseffekt noch rechtzeitig vor dem drohenden Kollaps des Gesundheitssystems die Situation in den Spitälern entspannt, wird sich bei der derzeitigen Entwicklung nicht erfüllen. Mit Ausnahme von Vorarlberg vielleicht, wo die Sieben-Tage-Inzidenz nach wie vor deutlich unter 100 liegt.

Nach regionalen Maßnahmen, ob Lockerungen oder Verschärfungen gefragt, wies Anschober darauf hin, dass es europaweit Regionen gebe, die die dritte Welle besonders intensiv spürten: Der Großraum Paris etwa, Prag, ungarische Regionen und - für Anschober "etwas erschreckend" - auch der Großraum Helsinki im bisher besonders stabilen Finnland. Einen Vorgriff auf Montag wollte Anschober nicht machen.

Regionale Lockdowns wären politisch heikel, wenn es vor allem ganze Bundesländer trifft bzw. die Bundesregierung diese Entscheidung an die Landeshauptleute delegiert. Dass ein harter Lockdown auch bei den infektiöseren Virusvarianten wirkt, hat Portugal gezeigt. Innerhalb weniger Wochen ist die Inzidenz von über 800 auf um die 30 gesunken.(apa/sir)