Die Emotionen zwischen ÖVP und FPÖ gingen hoch, noch bevor die Debatte im Hohen Haus richtig losging. ÖVP-Abgeordneter Michael Hammer meldete sich Mittwochvormittag im Nationalrat zu Wort, verwies ausdrücklich auf die Corona-Erkrankung des oberösterreichischen FPÖ-Chefs Manfred Haimbuchner und bezeichnete es als "unzumutbar", dass die Freiheitlichen dennoch im Parlament keine Schutzmasken tragen. "Ich fühle mich hier nicht geschützt", sagte er, daher werde er physisch nur bei Abstimmungen im Plenum sein. Die ÖVP "missbrauche" einen traurigen Krankheitsfall, konterte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch empört. Denn die Präsidiale habe festgelegt, dass man über das Maskentragen im Hohen Haus nicht mehr debattiere.
Das war aber nur das Vorspiel für eine höchst emotionale Debatte im Rahmen einer aktuellen Stunde der FPÖ mit Bundeskanzler Sebastian Kurz zur Verantwortung des Regierungschefs für das Corona-Krisenmanagements. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl meinte unter Hinweis auf Aussagen des Chefs des Corona-Impfstoffherstellers Pfizer, dass gewisse Auswirkungen der Impfungen noch ungewiss seien. Wie können Kurz daher sagen, dass die Impfungen im Sommer Normalität brächten? "Das geht nicht zusammen!", donnerte Kickl ins Plenum. Mit der geplanten Einführung eines grünen Impfpasses würden außerdem Geimpfte gegenüber Nicht-Geimpften "privilegiert".
Kickl redete sich zusehends in Fahrt. Kurz agiere nicht wie ein Bundeskanzler, der die eigene Bevölkerung schütze: "Sie agieren wie ein Pharmavertreter." All das gipfelte in der Aufforderung: "Die konsequente Form der Übernahme von Verantwortung wäre, wenn Sie zurücktreten und ihre Regierungsmannschaft gleich mitnehmen."
Kurz: "Sie gefährden andere Menschen"
"Sie wollen mit mir über Verantwortung reden?", leitete Kurz seine Wortmeldung ein und drehte den Spieß um. Es sei ihm schon lange ein Anliegen, über Kickls Verantwortung zu reden. "Sie halten sich nicht an die Regeln. Sie verführen die Menschen, sich auch nicht an die Regeln zu halten. Sie gefährden damit andere Menschen", warf der Regierungschef dann dem früheren Innenminister der türkis-blauen Bundesregierung an den Kopf. "Das ist aus meiner Sicht verantwortungslos", lautete das Urteil des Bundeskanzlers.
In der Sache verteidigte der Regierungschef das Vorgehen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit einem "einzigartigen" Angebot an Tests. Natürlich würden die Corona-Mutationen eine zusätzliche Herausforderung darstellen. Aber das Beispiel Israel mit den Corona-Impfungen zeige, dass das Sterben damit ende.
Zur Schützenhilfe und zum Gegenangriff auf Kickl rückte auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger aus. Dieser mahnte den blauen Fraktionschef nicht nur zu Zurückhaltung in den Corona-Diskussionen: "Hören Sie bitte auf mit dieser Verunsicherung, mit diesen Verunglimpfungen." Es folgte eine unmissverständliche Forderung nach Konsequenzen Kickls: "Es gibt nur einen Einzigen, der zurücktreten sollte, das sind Sie." Der FPÖ-Klubchef solle seine Partei von seiner "Geiselhaft" befreien.
Grüne vermissen "jegliche Demut" bei der FPÖ
Auf der Seite des Koalitionspartners der ÖVP redete der grüne Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner dem freiheitlichen Fraktionschef ebenfalls scharf in Sachen Corona ins Gewissen. Der Grün-Abgeordnete erinnerte daran, dass Kickl mehr Demut von den anderen Parteien gefordert habe. Dabei lasse dieser selbst "jegliche Demut" vermissen: "Diese Demut, die Sie von uns verlangen, die sehe ich bei ihnen selbst nicht." Denn Kickl kampagnisiere gegen das Testen und gegen das Impfen, er verunsichere damit die Menschen in Österreich. Vor allem warf Schallmeiner ihm aber vor: "Sie tun so, als ob das Tragen von Masken der erste Schritt auf dem Weg zur Diktatur wäre."
SPÖ-Chefin vermisst Orientierung durch Regierung
Die Oppositionsparteien SPÖ und Neos schossen sich hingegen auf Bundeskanzler Kurz ein. "In die aufgeheizte Stimmung würde ich gern mehr Ernst und Vernunft bringen", sagte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Sie bekräftigte, dass der Bund-Länder-Gipfel am Montag erneut lediglich ein "Nicht-Ergebnis" gebracht habe: "Keine Orientierung, kein Plan, kein Ziel", hielt die frühere Gesundheitsministerin dem Bundeskanzler vor. Denn die Bevölkerung würde bei Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung mitmachen, wenn man ihr eine Orientierung gebe, betonte sie.
Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker knöpfte sich Kurz vor, weil dieser die Corona-Impfungen zwar zur Chefsache gemacht habe, Österreich dabei aber nachhinkt: "Was für ein Pallawatsch!" Der Bundeskanzler habe gleichzeitig Gesundheitsminister Rudi Anschober "ausgeschultert" und an die Wand gedrängt. Loacker warf dem Bundeskanzler zugleich vor, dass dieser den "Basar" bei der Verteilung der Corona-Impfdosen in Europa angeprangert hat. Er bezweifelte, dass das Kabinett des Bundeskanzlers erst am 14. März die Verträge zur Aufteilung der Impfdosen erhalten habe. "Das können Sie ihrer Oma erzählen", spöttelte Loacker. Außerdem mache er Österreich damit zur "Lachnummer" in Europa.
29 Tagesordnungspunkte mit Uni-Novelle
Nach der Aktuellen Stunde der FPÖ ging es am Mittwochvormittag zunächst einmal nicht das Corona-Thema. Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurde eine Novelle des Universitätsorganisationsgesetzes beschlossen. Damit wird eine Hürde für "Bummelstudenten" eingezogen. Studenten müssen demnach in den ersten vier Semestern eine Mindeststudienleistung in Form von 16 ECTS-Punkten erbringen. Das entspricht ungefähr einem Achtel der Leistung, die in der Mindestudiendauer zu erbringen ist. Die Neuregelung kommt ab dem Herbst 2022 zum Tragen.
Die umfassende Gesetzesänderung sieht unter anderen auch eine Regelung für die Beschäftigung von Mitarbeitern vor. Bei sogenannten "Kettenverträgen" für die Beschäftigung an den Universitäten soll damit verhindert werden, dass diese praktisch endlos fortgesetzt werden können. Eine weitere Änderung betrifft hingegen weitere Vorkehrungen gegen die Corona-Ausbreitung bei den rund 268.000 Studenten. Dabei werden ausdrücklich Corona-Eintrittstests ähnlich wie an den Schulen erlaubt. Die Umsetzung nach Ostern liegt bei den einzelnen Universitäten. Das Bildungsministerium steuert dafür eine Million Euro zusätzlich bei.
Härtefonds wird aufgestockt
Zur Bewältigung der Coronakrise dient ein weitere Gesetzesvorlage der türkis-grünen Koalition, die am Mittwoch ebenfalls auf der Tagesordnung des Nationalrats stand. Der Familienhärtefonds wird damit um 50 Millionen Euro aufgestockt. Davon sind 14 Millionen Euro für besonders einkommensschwache Familien vorgesehen, die Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung, beziehen. Diese Familien sollen heuer eine weitere Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro pro Kind erhalten. Mit zwölf Millionen Euro werden Alleinerziehende besonders gefördert.
Eine weitere Maßnahme soll ebenfalls Familien besonders helfen. Bei den Mieten ist eine vorübergehende Bremse fixiert. Zur Entlastung von Mietern wird die am 1. April bevorstehende Anpassung der Richtwert- und Kategoriemieten um ein Jahr aufgeschoben. Die Anpassung soll als Teil der Corona-Hilfsmaßnahmen am 1. April 2022 erfolgte, die übernächste 2023.