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Entwicklungsbedürftige Entwicklungshilfe

Von Thomas Seifert

Politik

Das Management der Austrian Development Agency (ADA) steht in der Kritik: zu wenig Mittel, frustrierte Mitarbeiter.


Von A wie Afghanistan bis Z wie Zentralafrikanische Republik - die österreichische Entwicklungshilfeagentur ADA (Austrian Development Agency) setzt jedes Jahr in rund 650 Projekten 500 Millionen Euro um. Für die bilaterale Entwicklungshilfe gibt Österreich heuer 125,1 Millionen Euro aus - und obwohl die Mittel zuletzt erhöht wurden, wird das seit 1970 gesteckte Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Entwicklungshilfe zu investieren, Jahr für Jahr verfehlt.

Die ADA unter Führung von Martin Ledolter stand zuletzt unter Beschuss, nachdem Evaluierungsberichte ein kritisches Bild der Austrian Development Agency gezeichnet hatten.

Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Petra Bayr ist seit dem Jahr 2003 Vorsitzende des entwicklungspolitischen Unterausschusses des Parlaments und war vor nunmehr fast 20 Jahren schon gegen die Ausgliederung der ADA aus dem Außenministerium im Jahr 2004 und gegen die Gründung einer Entwicklungshilfe-GmbH durch die Republik: "Die Evaluierungen sind ein Hammer. Wenn in der Privatwirtschaft so ein Bericht vorgelegt würde, dann gäbe es rasch Konsequenzen für die Führung."

Doch was an diesen Berichten ist nun der "Hammer"?

SPÖ-Abgeordnete Bayr kritisiert, dass die Vor-Ort-Struktur der sogenannten "Koordinierungsbüros" in den Empfängerländern unter der Ägide des ADA-Geschäftsführers Martin Ledolter "kaputtgespart" wurden. Im angesprochenen Evaluierungsbericht des Grazer Beratungsunternehmens "Integrated Consulting Group (ICG)" liest sich das so: So "müssen die Koordinationsbüros mit verhältnismäßig wenigen Mitteln und wenigen MitarbeiterInnen auskommen", während "die Ressourcen in der Zentrale leicht angehoben" wurden.

In dieser Frage kommt auch vom Koalitionspartner, den Grünen, Kritik. Deren Entwicklungssprecher Michel Reimon sagt gegenüber der "Wiener Zeitung": "Die ADA muss sich besser mit den Entwicklungshilfe-Organisationen koordinieren. Die wissen am besten, was es vor Ort braucht, auf diese Organisationen muss mehr gehört werden."

Die Grünen standen in der Vergangenheit der ADA-Führung kritisch gegenüber. Die Bestellung des heutigen ADA-Chefs Ledolter im Jahr 2013 wurde von der damaligen grünen Entwicklungssprecherin Judith Schwentner im "Standard" als "Postenschacher auf höchstem Niveau" bezeichnet - der damals neu bestellte ADA-Geschäftsführer Ledolter habe zwar jahrelang im Kabinett des damaligen ÖVP-Außenministers Michael Spindelegger gedient, verfüge aber nicht über die in der Ausschreibung verlangten Qualifikationen, kritisierte Schwendtner vor zwölf Jahren.

Mangelhaftes Personalmanagement

Weiterer Kritikpunkt im ICG-Evaluierungsbericht: Dem hohen Umsatz von Drittmitteln (also von Geldern etwa der EU, die die ADA in den Empfängerländern einsetzt) würden keine ausreichend robusten Strukturen gegenüberstehen, die den korrekten und effizienten Einsatz dieser Mittel garantieren würden.

Ein Kritikpunkt, der im ICG-Evaluierungsbericht breiten Raum einnimmt, ist das mangelhafte Personalmanagement der Austrian Development Agency. Dabei sind Menschen, die in der Entwicklungshilfe und der ADA arbeiten, häufig Idealisten und Weltverbesserer, die sich durch einen hohen Grad an Flexibilität und Frustrationstoleranz auszeichnen. Wer aber mit ehemaligen und aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ADA spricht, hört viel von "inkompetentem Personalmanagement", "Verbürokratisierung" und von "Kontrollfreaks", die in der Zentrale in Wien das Sagen hätten. Expertise werde zu wenig geschätzt, Freiräume für Innovation und Engagement nicht gewährt.

Im internen Evaluierungsbericht liest sich das so: "Insbesondere in jüngster Zeit kam es zu einer steigenden Fluktuation, auch bedingt durch Unzufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Angesichts von Sparmaßnahmen kommt es offensichtlich tendenziell zu einer Überbelastung der Belegschaft." Im ICG-Bericht - der zwar aus dem Jahr 2019 stammt, aber zu dem erst vor ein paar Wochen ein sogenannter "Management Response" veröffentlicht worden ist - ist von "Frustration" der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Rede, von "innerer Kündigung" und einer "Gefahr einer sinkenden Attraktivität (der ADA) als Arbeitgeberin". Fazit der Gutachter: "Dem Thema Personalentwicklung ist daher zukünftig ein besonderer Stellenwert zuzumessen."

Die Personalführung in der ADA war zuletzt auch in Berichten im "Kurier" und im "Standard" kritisch hinterfragt worden und ist nun auch Anlass einer parlamentarischen Anfrage der Neos-Nationalratsabgeordneten Henrike Brandstötter.

Geschäftsführerposten neu ausgeschrieben

Denn die Position "Geschäftsführer_in" soll in der ADA in Kürze neu besetzt werden - und das ist wohl auch mit ein Grund, warum die ADA zuletzt vermehrt in den Schlagzeilen zu finden war. "Es wird allerdings berichtet, dass der gegenwärtige Geschäftsführer, Martin Ledolter, für eine dritte Amtsperiode vorgesehen ist. Dies trotz einer externen Evaluation, die auf Unzufriedenheit in der Belegschaft mit Ledolters Führungsstil hinweist, die sich in schlechter Arbeitsmoral und hohem Turnover auswirkt", formuliert Brandstötter in ihrer Anfrage, die vor wenigen Tagen an Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ergangen ist. In ihrem Fragenkatalog will die Neos-Abgeordnete auch wissen, warum die "ADA zwar Gender Equality auf ihre Fahne geschrieben hat (...), aber in ihrer Führungsetage schwer männerlastig ist." Tatsächlich: In der Geschäftsführungs- und Abteilungsleiterebene ist der Frauenanteil null Prozent, auch Stabsstellen werden zu 69 Prozent von Männern geleitet, in den unteren Rängen der "Fachreferent_innen hingegen machen die Männer nur 32 Prozent aus", rechnet Brandstötter vor. Für die Neos-Abgeordnete ist der Fall klar - die ADA braucht eine neue Führungsspitze: "Gerade in einem Unternehmen, das an schlechter Moral der Mitarbeiter_innen leidet, kann ein (... ) Umbruch in Konzept und Führung vorteilhaft sein", schreibt Brandstötter in ihrer Anfrage.

Doch Martin Ledolter hofft auf seine Wiederbestellung. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" sagt er, dass die ADA an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit stoße, "das zeigt nicht nur die Evaluierung, in der auch angemerkt wird, dass die ADA besser dotiert werden sollte. Wir boxen eben in einer Gewichtsklasse mit, für die wir nicht ausreichend ausgestattet sind." Viele Kritikpunkte seien bereits behoben worden, sagt Ledolter und erinnert daran, dass die Evaluierung aus dem Jahr 2019 datiert, etliche Informationen seien mittlerweile überholt. So sei etwa die in der Evaluierung kritisierte Personal-Fluktuation eine einmalige Situation gewesen - in den Beobachtungszeitraum der Evaluierung sei eine Pensionierungswelle gefallen, sagt ADA-Chef Ledolter. An einer Verbesserung des Betriebsklimas werde ständig gearbeitet: "Wir nehmen die Kränkungen aktiver und auch ehemaliger Kolleginnen und Kollegen sehr ernst und räumen dem einen hohen Stellenwert und viel Zeit ein." Ledolter kann aber die "pauschale Kritik" an seinem Personalmanagement nicht nachvollziehen: Eine ADA-weite Führungskräfte-Feedback-Analyse bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe für den Punkt "Wertschätzung, Vertrauen und Kooperationsorientierung" einen Wert von 8,3 von 10 erzielbaren Punkten ergeben. "Da schlagen wir uns gut - wenn nicht sogar sehr gut", sagt Ledolter.

Ledolter zeigt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" überzeugt davon, dass die jüngste Erhöhung der Budgetmittel für die ADA eine deutliche Verbesserung für die Entwicklungshilfeagentur bringen wird.

Freilich: Selbst nach der deutlichen Erhöhung der Mittel wendet die Republik derzeit nur rund 0,3 Prozent der Wirtschaftsleistung Österreichs für internationale Entwicklungshilfe auf.