Diesen Mittwoch wurde wieder eine Frau von ihrem Partner ermordet. Der 43-jährige Verdächtige hatte sich nach der Tat bei der Polizeiinspektion selbst gemeldet und gestanden. Er ist nun in der Justizanstalt Graz-Jakomini untergebracht. Die Beamten fanden die tote 38-Jährige laut der Landespolizeidirektion Steiermark "blutüberströmt" in der gemeinsamen Wohnung des Ehepaars. Die vier Kinder waren nicht zu Hause, sie werden nun vom Jugendamt betreut. Die Obduktion ergab, dass die Frau an zahlreichen Messerstichen und -schnitten verblutet ist.

Die Hintergründe werden noch ermittelt, klar ist, dass der Täter ein Asylberechtigter aus Afghanistan ist, der seine ebenfalls asylberechtigte Ehefrau getötet hat. Der Mann sei davor weder bei der Polizei noch beim Jugendamt auffällig geworden. Klar ist auch, dass es sich um den achten Frauenmord in Österreich in diesem Jahr handelt. Auch die 35-jährige Trafikantin, die ihr Expartner am 5. März mit Benzin übergossen und angezündet wurde, ist am Montag an ihren Verletzungen verstorben.

Polizei und Staatsanwaltschaften werden nun die individuellen Motivlagen und Tötungsabsichten der Täter ermitteln, der Vorwurf des Mordes steht im Raum. Über Anklagen und Strafen hat letztlich das Gericht zu entscheiden. Der offizielle Titel der Verbrechen ist aber letztlich nicht relevant dafür, sich zu fragen, warum sich auf österreichischem Boden Morde an Frauen durch ihre aktuellen oder ehemaligen Partner häufen. Und ob der Gewaltschutz wirklich ausreicht, um solche Taten zu verhindern.

Die "führende" Rolle Österreichs

Expertinnen von Opferschutzeinrichtungen sprechen von einer Ausnahmestellung Österreichs im europäischen Vergleich. Tatsächlich dürfte sich Österreich 2018 mit 41 und 2019 mit 39 weiblichen Mordopfern an die Spitze in Europa gesetzt haben. In den Jahren davor lag die Anzahl aber mit 19 im Jahr 2014 und 28 2016 oder 31 ermordeten Frauen im vergangenen Jahr auch wieder niedriger.

Eine 2018 veröffentlichte Studie der UN-Organisation UNODC zeigt, dass 2016 hierzulande fünf von einer Million Frauen innerhalb der Familie von ihrem Partner ermordet wurden. In Litauen war die Situation mit zehn innerhalb der Familie pro einer Million Frauen dramatischer; in Ungarn gab es neun, in Frankreich und Italien aber mit jeweils vier, den Niederlanden und Spanien jeweils drei pro Million Frauen weniger.

Es geht den Expertinnen auch nicht darum, mit solchen Zahlen Österreich eine "führende" Rolle in den Statistiken Europas zuzuweisen, sondern auf Lücken im Gewaltschutz hinzuweisen. Denn: "Jeder Frauenmord hat eine Vorgeschichte", sagt Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Frauenhäuser: "Wir müssen uns wieder einmal fragen, warum die Frau nicht geschützt werden konnte, warum der Mord nicht verhindert werden konnte? Am Papier haben wir gute Gesetze und effiziente Opferschutzmaßnahmen. Aber was hilft das, wenn die Behörden nicht oder nicht rechtzeitig oder nur inkonsequent reagieren?"

Eine vom damaligen Innenminister Herbert Kickl einberufene Screeninggruppe zu den Frauenmorden 2018 förderte zu Tage, dass "in zahlreichen Fällen bereits vor der Tat eine Reihe von Risikoindikatoren einer Gewalteskalation vorlag". Viele Opfer hätten bereits mit verschiedenen Behörden und Institutionen Kontakt gehabt.

Die Entwicklung in der Pandemie

2020 wurden zum Beispiel 11.652 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen, nach 8.254 im Jahr davor. 9.689 sogenannte "Gefährder" wurden weggewiesen, 8.254 waren es im Jahr 2019. Was nach einem rasanten Anstieg der Gewalt in der Pandemie aussieht, braucht eine genauere Erläuterung.

Bis 2019 zählte das Innenministerium die Betretungs- und Annäherungsverbot pro Täter, seit 2020 pro gefährdeter Person. Das bedeutet also: Bedroht ein Gefährder seine Frau und zwei Kinder, werden seit 2020 drei solcher Verbote gegen ihn ausgesprochen. Deshalb der scheinbare Anstieg von insgesamt 41,2 Prozent. Bei der Anzahl der Gefährder stieg die Zahl um 17,5 Prozent. Und auch Rösslhumer machte mehrmals darauf aufmerksam, dass die Anzahl der Anrufe bei der Frauenhelpline gegen Gewalt (0800 222 555) deutlich gestiegen seien. Die WHO sagte schon Ende März 2020, dass Berichte aus China, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern eine Zunahme der Fälle von häuslicher Gewalt seit dem Covid-19-Ausbruch zeigen.

Gründe dafür könnten laut Rosa Logar, Leiterin der Interventionsstelle gegen Gewalt, sein, dass Fluchtmöglichkeiten für Frauen während der Lockdowns eingeschränkt waren. In den eigenen vier Wänden sind sie für den Täter vermehrt verfügbar. Zu sonstigem Stress kam bei manchen noch der finanzielle und psychische Druck durch die Pandemie dazu. Logar spricht aber auch vom "Brennglas Pandemie, das den Blick auf ohnehin vorhandene Gewalt und Probleme beim Gewaltschutz gerichtet hat".

Andrea Brem, Leiterin der Wiener Frauenhäuser, ärgert sich über die mediale Skandalisierung der Pandemiezahlen. Nicht, weil sie das Problem kleinreden will, sondern weil mehr Notrufe auch auf Corona-Schutzmaßnahmen-bedingt fehlende andere Alternativen hindeuten und der Notruf deshalb extra beworben wurde. "Direkte Kontakte mit uns sind dagegen zurückgegangen", sagt Brem. "Und die Frauenmorde ebenfalls. Die Zahlen gehen immer rauf und runter." Ihr fehlen genauere Analysen der Gewalt, die zum Teil bis hin zum Mord eskaliert.

Tätern verdeutlichen, was Sache ist

"Klar ist aber, dass die Gewalt mit der Krise nicht weniger geworden ist", sagt Brem auch. Und wieder ist von guten Gesetzen in Österreich sowie einer vorbildhaften psychosozialen Prozessbegleitung für die Opfer die Rede, genauso aber von Mängeln. Den Expertinnen fehlen kontinuierliche Schulungen bei Polizei und Justiz. Sie kritisieren zu wenig Einvernahmen durch Staatsanwaltschaften, zu wenig Untersuchungshaft selbst bei Wiederholungstätern, zu wenig Verurteilungen, zu wenig Fallkonferenzen für die Einschätzung besonders gefährlicher Täter. Das Wissen über und die Vernetzung bei Gewalt sei mangels zentraler Stelle schwierig - Gewaltschutz ist politische Querschnittsmaterie. Selbst gefährliche Drohungen werden nicht immer ernst genug genommen: "Immer noch wird da mit milieubedingten, zuletzt auch kulturell bedingten Unmutsäußerungen argumentiert", sagt etwa Brem.

Meri Disoski, Frauensprecherin der Grünen, stellt klar, dass schon das von Kickl veranlasste Screening gezeigt hat: "Die Mehrzahl der Femizide steht in keinem ethnischen Zusammenhang. Vielmehr zeigte sich einmal mehr, dass Trennungssituationen die gefährlichste Zeit für Frauen sind, weil da offenbar bei Tätern patriarchale Muster wie Besitzdenken besonders stark hervortreten."

Wird die Gefährlichkeit vorab besser eingeschätzt, kann man vor der weiteren Eskalation Maßnahmen setzen. Laut Sicherheitspolizeigesetz sind seit Anfang 2020 wieder Fallkonferenzen zu diesem Zweck möglich, den Pilotversuch unter dem Titel Marak hatte Innenminister Herbert Kickl eingestellt gehabt. Allerdings gab es im ersten Halbjahr 2020 laut parlamentarischer Anfrage nur 18 österreichweit, drei davon in Wien. "Das ist nicht gerade viel bei 1.500 polizeibekannten Fällen in Wien", sagt Logar, die nur bei einer eingebunden war.

"Behörden müssen Verantwortung übernehmen"

Das Problem sei, dass jetzt nur die Sicherheitsbehörden solche einberufen können, nicht aber Gewaltschutzeinrichtungen, die Kriterien sind nicht offengelegt. "Die Behörden haben per Gesetz die Verantwortung für die Gefährdungseinschätzung, dann müssen sie sie auch übernehmen", sagt Logar. Im Pilotprojekt gab es rund 80 Fallkonferenzen alleine in Wien mit der Interventionsstelle. Disoski versichert, dass die Grünen darauf drängen, die Fallkonferenzen "zeitnah wieder multiinstitutionell auszuweiten".

Weitere Gefahren abwenden kann auch die Strafverfolgung. Die Analyse von Birgitt Haller, Juristin und Politikwissenschaftlerin am Institut für Konfliktforschung, zeigt, dass von den Fällen, die 2019 bei der Staatsanwaltschaft Wien landeten, fast zwei Drittel eingestellt wurden. Mit mehr direkten Einvernahmen von Opfern, Zeugen und Tätern statt Entscheidungen aufgrund von Polizeikontrollen könnten Gewaltgeschichten hinter der einzelnen Tat aufgedeckt werden. Dem stünde jedoch die Verfahrensökonomie gegenüber. Haller plädiert jedenfalls für zeitnähere Strafverfahren. "Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau aussagt." Dem Täter wiederum wird mit der Aussage signalisiert, "dass Gewalt strafbar ist und er deshalb im Gefängnis landen kann. Schon alleine das persönliche Erleben, vor einer Staatsanwältin oder einem Staatsanwalt befragt zu werden, ist eine Normverdeutlichung."

Genau darum geht es auch bei der opferschutzorientierten Täterarbeit, die im November 2020 gesetzlich beschlossen wurde: "Eine Stelle mehr sagt dem Täter, dass er knapp davor ist, sich strafbar zu machen", so Haller. Dabei muss jeder Gefährder künftig nach einer Wegweisung mindestens sechs Stunden zu einer Gewaltpräventionsberatung gehen. Es soll ein weiterer rascher Schritt zur Deeskalation sein, dem Täter wird einmal mehr Stopp gesagt und Alternativen aufgezeigt. Macht er das nicht, wird er bei den Sicherheitsbehörden gemeldet, ihm drohen dem Vernehmen nach Bußgelder in dreistelliger Höhe. Das Innenministerium rechnete im Herbst mit einer Million Euro an Kosten dafür. Die Ausschreibung zu diesen Zentren läuft noch.