Die Bewältigung der Corona-Pandemie überschattet zwar alles. Am 5. Mai werden die Sozialreferenten der Bundesländer jedoch erstmals in Form einer Videokonferenz eine Aussprache mit Sozial- und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) haben. Dabei wird auch die Pflegereform, die vor der Coronakrise eines der zentralen Vorhaben der türkis-grünen Bundesregierung war, zur Sprache kommen. Die Ländervertreter wollen vom Sozialminister nun grundsätzlich wissen, wie es mit der Pflegereform tatsächlich weitergeht.

"Vordringlich ist für uns die Klärung der Finanzfragen", wird im Büro des Wiener Sozial- und Gesundheitsstadtrates Peter Hacker (SPÖ) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betont. Fachleute wie der Salzburger Pflegedirektor Karl Schwaiger machen Druck bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen, vor allem bei der Ausbildung: "Der Hut brennt und die Feuerwehr ist nicht in Sicht."

Eine Arbeitsgruppe hat Mitte Februar einen Bericht zur Pflegereform vorgelegt. Einer der Kernpunkte: Menschen, die in Österreich Pflege und Betreuung brauchen, sollten künftig bundesweit ein möglichst einheitliches Pflegeangebot und vor allem auch zu einheitlichen Kosten erhalten. Das solle durch eine gemeinsame Planung und Weiterentwicklung in den Bundesländern sichergestellt werden. Für die Finanzierung wird vor allem eine "Bündelung" der unterschiedlichen Finanzströme empfohlen. Insgesamt werden von der öffentlichen Hand mit dem Pflegegeld mehr als fünf Milliarden Euro aufgebracht. Um Pflegeberufe und die Ausbildung attraktiver zu machen, werden eine "gerechtere Entlohnung" und höhere Grundgehälter angeführt.

Warten seit Bericht im Februar

Vor allem auch coronabedingt sind danach unter dem früheren Sozialminister Rudi Anschober (Grüne) Ergebnisse bis zu dessen Rücktritt Mitte April ausgeblieben, wird von Experten- wie auch Länderseite festgestellt. Es habe keinen gemeinsamen Termin zur Pflegereform gegeben, wird von Seiten der Sozialreferenten der Länder bedauert. Bei einer Aussprache mit dem Sozialminister im März sei aber nochmals die Einbindung der Bundesländer in die Verhandlungen gefordert worden, heißt es. Schließlich haben die Bundesländer im Pflegebereich das Sagen, kämpfen aber mit steigenden Kosten und erhalten dafür vom Bund über den Pflegefonds Extramittel aus dem Bundesbudget.

Die türkis-grüne Bundesregierung und vor allem die ÖVP möchten speziell die Unterstützung für jene Menschen, die ihre Angehörigen daheim pflegen, ausbauen. Die Palette reicht dabei von den Plänen der ÖVP für einen Bonus für die Pflege daheim bis zu einem freien Tag pro Monat für pflegende Angehörige und eine verbesserte Anrechnung von Pflegezeiten für die Pension. Die Grünen haben vor allem einen Ausbau der Beratung in den Gemeinden und Regionen im Visier, aber auch eine verstärkte Hilfe etwa für Pflegekräfte in der 24-Stunden-Betreuung daheim – auch bei Deutschkenntnissen. Die Umsetzung erster Schritte ist für den Herbst heurigen Jahres in Aussicht gestellt worden.

"Wir stehen am Scheideweg"

Vorerst ist allerdings alles ins Stocken geraten. "Es ist klar, dass die Aufgaben, die Minister Mückstein hat, sehr breit sind", wird im Büro des Wiener Sozialstadtrates Hacker eingeräumt, aber: "Die Pflegereform ist für uns schon vordringlich." Besonders drängt die Stadt Wien auf Klarheit bei den finanziellen Fragen. Das bedeute, wie gehe es mit dem Pflegefonds weiter, in den der Bund 350 Millionen Euro jährlich wegen der steigenden Kosten zuschießt. Für die Kosten entscheidend ist aber auch die Frage, ob und wie das geltende System des Pflegegeldes, das derzeit nach sieben Stufen je nach Pflegebedarf abgestuft ist, weiterentwickelt wird und auch was die künftige Finanzierung des Personals betrifft. "Grundsätzlich stehen wir am Scheideweg, ob der Bund tatsächlich eine Reform auf den Weg bringt oder nur das bestehende System mit ein paar neuen Projekten fortschreibt. Letzteres wäre aus unserer Sicht nicht befriedigend", heißt es im Wiener Rathaus.

"Vom Bund kommt die Pflegereform leider nicht in Fahrt", beklagt der Salzburger Pflegedirektor Karl Schwaiger gegenüber der "Wiener Zeitung". Bisher habe es zwar Gesprächs- und Diskussionsforen, aber ohne besondere Ergebnisse gegeben. Die Präsidentin des Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes, Elisabeth Potzmann, habe sich etwa in eine Arbeitsgruppe für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ausgesprochen. Von Bundesseite vermisse man aber konkrete Arbeit an Reformvorhaben sehr, "weil uns allen die Zeit davonläuft".

Vorrangig ist für den Pflegedirektor die Ausweitung der Kapazitäten in der Ausbildung, um den künftigen Personalbedarf im Pflegebereich decken zu können. Laut einer Studie werden bis 2030 rund 100.000 Vollzeit- und Teilzeitkräfte im Pflegebereich benötigt. Manche Bundesländer hätten bereits reagiert: so stelle Salzburg 75 Millionen Euro für die Plattform Pflege zur Verfügung, die Stadt Wien investiere ebenfalls massiv in die Pflegeausbildung in den kommenden zehn Jahren. Von Bundesseite brauche man dringend eine gesetzliche Grundlage für die neue Ausbildung zum Operationstechnischen Assistenten in Spitälern zur Entlastung der Pflege.

Mehr Umschulungen zu Pflegekräften

Für eine möglichst rasche Umsetzung von Maßnahmen zur Pflegereform machen sich auch der ÖVP-Seniorenbund mit Präsidentin Ingrid Korosec und der SPÖ-Pensionistenverband mit Präsident Peter Kostelka stark. Eine Umsetzung sei mittlerweile "ganz wichtig". Für den ÖVP-Seniorenbund bleibt es beim Fahrplan, dass im Herbst erste Schritte zur Reform gesetzt werden sollen. Zu den wichtigen Punkten zählen für den ÖVP-Seniorenbund der Ausbau der mobilen Pflege zu Hause und vor allem eine stärkere Förderung, damit sich Betroffene dies auch leisten können, sowie eine Personaloffensive: "Wir brauchen noch immer 100.000 Pflegekräfte." Bei dem Pflegegeld müsse künftig stärker berücksichtigt werden, wenn es sich um Demenzerkrankte handle. Darüber hinaus müsse das Palliativ- und Hospizwesen ausgebaut werden.

Im SPÖ-Pensionistenverband wird bedauert, dass seit der Vorlage des Berichts der Arbeitsgruppe noch vor dem Wechsel von Anschober zu Sozial- und Gesundheitsminister Mückstein nichts mehr passiert sei in Sachen Pflegereform. Alle Papiere und Vorschläge würden vorliegen: "Wir müssen nichts mehr erfinden." Es sei vielmehr Zeit, "dass man endlich konkrete Schritte setzt". Wobei im SPÖ-Pensionistenverband die Bundesregierung vor allem auch aufgerufen wird, die Chance zu nützen, die sich auf die Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Folgen der Corona-Krise ergeben. Man müsse verstärkt das Potenzial nützen und jene ansprechen und umschulen, die keine Beschäftigung in ihrer bisherigen Branche mehr haben. Arbeitsminister Martin Kocher hat in der Vorwoche erläutert, dass bisher 7400 Menschen bei der Umschulung zur Pflege durch die Joboffensive der Bundesregierung unterstützt werden.