Die Akten, die das Finanzministerium von Gernot Blümel (ÖVP) auf Verfügung des Verfassungsgerichtshofes ans Parlament geliefert hat, sind als "geheim" klassifiziert. Das bestätigte die Parlamentsdirektion am Freitag der APA. Konkret bedeutet das, dass die Akten im Ibiza-U-Ausschuss nur hinter verschlossenen Türen besprochen werden können, auch dürfen die Abgeordneten anschließend nicht darüber berichten.
Ändern könnte das auf Antrag der Abgeordneten Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Das "Informationsordnungsgesetz" sieht vier Klassifizierungsstufen für Akten in Untersuchungsausschüssen vor: Eingeschränkt, vertraulich, geheim oder streng geheim. Stufe 3, "geheim", ist demnach dann angebracht, "wenn die Preisgabe der Informationen die Gefahr einer erheblichen Schädigung" von Interessen, etwa "der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, den wirtschaftlichen Interessen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts", schaffen würde.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte am Donnerstag mit einem Exekutionsantrag an den Bundespräsidenten den Finanzminister gezwungen, bisher nicht gelieferte Akten an den Ibiza-Untersuchungsausschuss zu übermitteln. Unmittelbar nach der Entscheidung des Höchstgerichts teilte das Finanzministerium mit, nun doch die Daten zu liefern, und übergab am Nachmittag 204 Ordner an die Parlamentsdirektion. Beantragt hatten die Daten die Oppositionsparteien. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach von einem bisher einzigartigen Fall.
Hafenecker fordert Rücktritt von Blümel und Kurz
Der Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss Christian Hafenecker forderte am Freitag in einer Pressekonferenz den Rücktritt von Blümel und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die ÖVP habe alle Maßnahmen gesetzt, um das Parlament "massiv in der Aufklärungsarbeit zu behindern", sagte Hafenecker. Die dreißig Kartons müssten bereits längst im Finanzministerium gestanden sein – man habe sie dem Parlament nur nicht übermittelt, so Hafenecker.
Die Klassifiezeirung auf Stufe drei heiße, dass man sie sich nur in der Aktenkammer des Parlaments unter erhöhten Sicherheitsbeschränkungen ansehen könne. Man könne zudem nur Notizen aus den Akten machen, elektronische Schlagwortsuche gibt es keine. Abgeordnete, die trotz der Geheimhaltungsstufe darüber sprechen würden, seien zudem mit der Androhung möglicher Gefängnisstrafen konfrontiert. Blümel habe mit seiner Aktion klargemacht, wie er zur Verfassung stehe. Es sei daher Zeit für ihn, "diesen Eiertanz zu beeenden" und zurückzutreten, so Hafenecker.
Der zweite im Bunde sei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), so Hafenecker, der Blümel "schon fast als Role Model" verwende. Kurz sei mit einer ähnlichen Situation konfrontiert wie Blümel, auch von ihm wolle man noch AKten für den U-Ausschuss. Kurz würde es noch "gewievter" oder "wie man auf Wienerisch sagt: hinterfotziger" angehen. Nicht nur verwende er dienstlich ein privates Diensthandy und private Mail-Adressen, er sorge auch dafür, dass etwa seine Kalendereinträge regelmäßig gelöscht bzw. vernichtet würden. Auch Kurz sei rücktrittsreif und müsse die Konsequenzen ziehen. "Er soll sich seinen Ständestaat 2.0 endgültig abschminken", so Hafenecker.
Krainer geht von Rücktritt Blümels aus
Auch die SPÖ fordert den sofortigen Rücktritt Blümels. Der stellvertretende Klubvorsitzende Jörg Leichtfried und der Fraktionsvorsitzende im U-Ausschuss, Jan Krainer, kündigten dazu am Freitag auch eine Sondersitzung des Nationalrates an. Krainer geht davon aus, dass Blümel bis spätestens Montag zurücktritt. Für ihn sei es nur noch die Frage, wer den Finanzminister darauf vorbereite. Wenn das nicht geschehen sollte, dann würde die SPÖ "alle Optionen im Parlament" nützen. Leichtfried ergänzte, dass die SPÖ bezüglich der Sondersitzung bereits mit den anderen Oppositionsparteien im Gespräch sei. Dort würde man Blümel mit "weiteren Maßnahmen" konfrontieren.
Dass die Grünen einem Misstrauensantrag gegen den Finanzminister zustimmen würden, glaubt Leichtfried zwar nicht. Trotzdem wären solche parlamentarischen Instrumente wichtig, auch wenn es keine Mehrheit dafür gebe, um die Öffentlichkeit auf aufmerksam zu machen. Welche anderen Optionen die SPÖ im Parlament noch habe, wollte Krainer nicht konkret sagen. Das werde man mit den anderen Parteien noch besprechen, es gebe aber Teile der Geschäftsordnung, die noch nicht so häufig angewendet worden seien.
Dass die nun doch vom Finanzministerium gelieferten Akten als "geheim" eingestuft wurden, ist für Krainer "keine rechtskonforme Umsetzung" des VfGH-Urteils. Der Finanzminister habe damit nicht nur das Parlament, den Untersuchungsausschuss und den VfGH missachtet und verachtet, sondern auch den Bundespräsidenten. Krainer verwies darauf, dass die Daten im Finanzministerium alle elektronisch vorliegen, für die Abgeordneten sei es nun praktisch unmöglich, bis zum Juli alle 107 Ordner auf Papier durchzuarbeiten. Wie man nun weiter vorgehe, werde man mit den anderen Parteien besprechen, eine Möglichkeit sei aber, sich neuerlich an den VfGH zu wenden.
"Rechtsstaat missachtet"
Bei der noch offenen Frage der Lieferung der Mails von Kurz ist nach Ansicht Krainers die Lage inhaltlich die gleiche. Auch wenn Kurz wie von ihm behauptet die Mails gelöscht haben sollte, müssten sie bei den Adressaten noch vorhanden sein. Für Krainer ist es "undenkbar", dass es hier keine relevante Kommunikation mehr gibt. Die diesbezüglich anstehende Entscheidung des VfGH würde die SPÖ aber selbstverständlich akzeptieren.
An der ÖVP übten die beiden SPÖ-Politiker massive Kritik. Der Rechtsstaat und die parlamentarische Kontrolle würden missachtet, es werde das Bild vermittelt, dass Recht und Gesetz für alle gelten, nur nicht für die türkisen Politiker, sagte Leichtfried. Er warf der ÖVP den Versuch vor, den Rechtsstaat gezielt zu schwächen, um dann von einem Notrecht Gebrauch zu machen. Jeder Bürger müsse sich an Gerichtsurteile halten, nur die "türkise Familie" meine, über dem Gesetz zu stehen. Österreich mache damit einen "gewaltigen Schritt" zu Verhältnissen wie in Polen oder Ungarn. Krainer ergänzte, dass die ÖVP versuche, die Grenzen immer weiter zu verschieben. Sich in einer solchen Art und Weise nicht an die Gesetze zu halten und Entscheidungen des VfGH zu ignorieren, habe nicht einmal Jörg Haider geschafft.
ÖVP verteidigt Blümel
Die ÖVP verteidigte am Freitag unterdessen die verspätete Aktenübermittlung durch Blümel. "Die Akten sind geliefert und ich bin der Meinung, wir sollten uns wieder wichtigeren Themen zuwenden", sagte Fraktionschef Andreas Hanger. Gemeinsam mit Kollegen aus Wien und dem Burgenland sprach er lieber über den "Skandalsumpf" der SPÖ und zeigte die Oberstaatsanwaltschaft wegen der Aktenlieferungen an den U-Ausschuss an.
Konkret sieht Hanger eine Verletzung des Amtsgeheimnisses, weil der U-Ausschuss inhaltlich irrelevante Chatprotokolle von Öbag-Chef Thomas Schmid erhalten habe. Dort gehe es lediglich um "Tritsch und Tratsch und Klatsch", es bestehe kein Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, kritisierte Hanger. Dies habe man bei der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt. Die tatsächlich relevanten Chatverläufe von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache habe man dagegen immer noch nicht erhalten: "Das Maß ist voll, uns reicht es."
Die verspätete Aktenlieferung durch Blümel verteidigte Hanger. Blümel hatte die Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs, dem U-Ausschuss E-Mails zu liefern, zwei Monate lang ignoriert. Erst eine von den Höchstrichtern beim Bundespräsidenten beantragte Exekution des Urteils führte am Freitag zur Übermittlung der Unterlagen. Dass letztlich erst der Exekutionsantrag zur Übermittlung der Unterlagen geführt hat, gestand auch Hanger ein. "Das war dann natürlich der unmittelbare Anlass, die Akten zu liefern."
Hanger erklärte Blümels Vorgehen damit, dass das Finanzministerium die Unterlagen vor Übermittlung an den Untersuchungsausschuss datenschutzrechtlich habe prüfen müssen. "Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, was zu liefern ist. Er hat nicht die Möglichkeit, eine sachliche Überprüfung jedes einzelnen E-Mails vorzunehmen."
Sanfter Tadel von Stelzer
Sanfter Tadel kam am Freitag von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Zwar betonte auch er, dass die E-Mails vom Finanzminister geliefert worden seien: "Wir sind ein Rechtsstaat. Die Rechtsmittel sind eingehalten worden", sagte er zu ATV. "Aber persönlich denke ich mir, man muss nicht mit allem und jedem bis zum letzten Abdruck warten."
Ob unterdessender Bundeskanzler, gegen den ebenfalls ein Exekutionsantrag der Opposition beim Höchstgericht anhängig ist, seine Haltung nun überdenken und nach Backups seiner gelöschten Kalendereinträge suchen lassen sollte, wollte Fraktionsführer Hanger nicht beurteilen. Der Kanzler habe eine "sehr klare Vorgehensweise" gewählt und alles Relevante dem Staatsarchiv übergeben, alles andere gelöscht: "Der Verfassungsgerichtshof wird hier eine Meinung dazu abgeben."
Im Übrigen hält Hanger die Causa Blümel für erledigt: "Die Akten wurden gestern geliefert, das ist das Faktum, das entscheidend ist." Und: "Sie kennen meine prinzipielle Meinung zum Untersuchungsausschuss: das ist Steuergeldverschwendung."
Wichtiger wäre aus Sicht der ÖVP ohnehin der "Skandalsumpf", in dem sie die burgenländische und Wiener SPÖ im Skandal um die Commerzialbank Mattersburg versinken sieht. Hier fasste Hanger gemeinsam mit den ÖVP-Landesgeschäftsführern aus dem Burgenland und Wien, Patrick Fazekas und Bernadette Arnoldner, noch einmal die bekannten Vorwürfe zusammen: Von den hohen Veranlagungen der Wiener Wohnbaugenossenschaft Gesiba, die bei der Pleitebank 17,2 Mio. Euro versenkte, über eine mutmaßlich zu günstig verkaufte Landesfirma bis hin zum Verdacht der Falschaussage gegen SPÖ-Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil: "Die SPÖ und der Landeshauptmann Doskozil versinken immer mehr in diesem Skandalsumpf", meinte Fazekas. (apa/red)