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Schulpsychologen: "Ziemliche Belastung für Kinder"

Von Karl Ettinger

Politik
Auf psychologische Betreuung an der Schule müssen Kinder derzeit oft Wochen warten.
© Unsplash / Annie Spratt

Experten halten "Ankommen in Gemeinschaft" nach Coronakrise für wichtig. Lehrervertreter drängen auf mehr Unterstützungspersonal.


Der lange Heimunterricht und die soziale Isolation der Schüler während der Corona-Einschränkungen waren für Kinder und Jugendliche belastend. Lehrerinnen an Volksschulen, an denen der Präsenzunterricht die ganze Woche über bereits seit April wieder läuft, berichten, dass mehr Mädchen und Burschen verhaltensauffällig seien und besondere Betreuung brauchen, deswegen wäre mehr Unterstützung notwendig. Man merke, dass viele Schüler nach Monaten sozialer Isolation "psychisch angeknackst" seien, erzählt der Direktor einer höheren Schule in Wien.

Bildungsminister Heinz Faßmann hat bereits mehr Schulpsychologen zugesagt. Lehrervertreter machen nach der Rückkehr zum Vollbetrieb in allen Schulen seit Montag dieser Woche Druck, mehr Unterstützung durch Psychologen, Schulärzte und Sozialarbeiter zu erhalten. "Wir brauchen jeden Support, den wir bekommen können", betont Thomas Krebs, oberster Pflichtschullehrervertreter in Wien im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

In der Normalität ankommen

"Das Wichtigste für die Jugendlichen ist, in der Gemeinschaft anzukommen", streicht die Leiterin der Schulpsychologie in Niederösterreich, Andrea Richter, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" hervor. "Es war eine ziemliche Belastung für die Kinder, dass die Normalität so lange unterbrochen war", analysiert sie. Gerade bei älteren Schülern ab 14 sei "der Kontakt mit Gleichaltrigen besonders wichtig". Das sei in der Regel der Klassenverband. Daher gehe es jetzt vor allem darum, "dass sie gut ankommen und dass sie Gemeinschaft erleben", erläutert sie.

Für jüngere Kinder, vor allem in der Volksschule, sei "ein ganz strukturierter Tagesablauf" und die Regelmäßigkeit im Schulbetrieb von besonderer Bedeutung. "Sie müssen das soziale Miteinander wieder kennenlernen", erklärt Richter. Je weniger Schulerfahrung vorhanden sei, desto wichtiger sei es, einander bis zum Schulende wieder zu treffen: "An sich ist es ein neu Kennenlernen."

"Dazu kommt, dass auch die Familien belastet waren." So habe es Konflikte rund um das Homeschooling gegeben, für manche Familien mit Schulkindern sei auch die wirtschaftliche Situation belastend gewesen.

Die wichtigste Empfehlung der Leiterin der Schulpsychologie in Niederösterreich für die Wochen bis zum Schulende lautet daher, "den Schülerinnen und Schülern dieses Ankommen in der Normalität zu ermöglichen". Es gehe nicht so sehr um die totale Konzentration auf den Lernstoff, wo "Lücken" entstanden sind, sollten diese beseitigt werden. Die Sommerferien sollten dann vor allem zum Entspannen genützt werden, für den Beginn des neuen Schuljahres solle man sich "sehr viel für ein soziales Miteinander überlegen".

Benimmregeln neu lernen

Pädagoginnen und Pädagogen an Volksschulen würden ihm berichten, dass "fast eine Verrohung" bei Schülern eingetreten sei, was den Respekt gegenüber Mitschülern und Lehrer betrifft, sagt der Wiener Pflichtschullehrergewerkschafter Krebs, etwa dass man die Füße nicht auf die Schulbank geben könne. Es müssten "gewisse soziale Elemente" eines Miteinander, Krebs nennt sie auch "Benimmregeln", die bereits etabliert waren, wieder erlernt werden.

Darüber hinaus bemerke man bei Schülern auch, dass die wirtschaftliche Situation mancher Familien angespannt sei. Kollegen hätten ihm auch geschildert, dass Kinder wegen zu wenig Bewegung während der Corona-Krise Gewicht zugenommen haben. "Bei manchem wird man erst im Laufe der Zeit mitbekommen, wo psychische Knackpunkte sind."

Jedenfalls bräuchten die Lehrer an Pflichtschulen medizinische, psychologische und soziale personelle Unterstützung, betont Krebs. Neben einem verstärkten Einsatz von Schulpsychologen brauche es vor allem auch mehr Schulärzte, vor allem Polytechnische Schulen könnten nicht mehr mit diesen versorgt werden.

Schützenhilfe bei der Forderung nach mehr Schulpsychologen kommt vom eben wiedergewählten Vorsitzenden der AHS-Lehrergewerkschaft, Herbert Weiß: "Das Defizit gibt es seit Jahren. Mit dem Personal an Schulpsychologen ist es nicht mehr zu bewältigen." Derzeit sei es so, dass man oft fast wochenlang warten müsse, bis man einen außertourlichen Termin bekomme. Österreich sei diesbezüglich Schlusslicht in Europa.

Bildungsminister Faßmann hat bereits eine Aufstockung um 20 Prozent zugesagt. Derzeit gibt es laut Bildungsressort österreichweit insgesamt 180 Schulpsychologen. Die Aufstockung soll ab dem neuen Schuljahr im September zum Tragen kommen. Die Leiterin der NÖ-Schulpsychologie unterstützt die Bestrebungen des Bildungsministers für eine Personalaufstockung: "Das wäre auf jeden Fall angezeigt." Für AHS-Lehrergewerkschafter Weiß ist eine Aufstockung um 20 Prozent zwar "ein erster Schritt, aber nicht mehr".