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Führungsdebatten in der Opposition

Von Martin Tschiderer

Politik

Die ÖVP-Krise könnte die Oppositions-Reihen schließen. In FPÖ und SPÖ sind aber nicht alle mit ihrer Spitze zufrieden.


Die ÖVP ist in Bedrängnis. Gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz wird als Beschuldigter wegen Verdachts der Falschaussage ermittelt, eine Anklage gilt als wahrscheinlich. Finanzminister Gernot Blümel wird in der Causa Casinos ebenfalls als Beschuldigter geführt. Und seit Tagen diskutiert das Land darüber, ob der amtierende Kanzler schon bei einer Anklage oder erst bei einer Verurteilung zurücktreten sollte - oder eben nicht.

Eine bequeme Situation für die Opposition, könnte man meinen. Die Fraktionen haben mit dem Ibiza-U-Ausschuss eine schlagkräftige "Waffe" für die öffentliche Debatte bei der Hand. Sie könnten sich weitgehend auf den Ausschuss konzentrieren, ihn mit geschickter Medienarbeit begleiten, gelegentliche Punktesiege in der Öffentlichkeit einfahren - und von der aktuellen Krise der ÖVP profitieren. Könnte man meinen. Die Realität ist allerdings ein wenig komplexer. Die Volkspartei büßte in den vergangenen Monaten in den Umfragen zwar deutlich ein - liegt mit rund 34 Prozent aktuell aber immer noch um gut zehn Prozentpunkte vor der zweitplatzierten SPÖ. Und zu echten Umfrage-Höhenflügen setzen die Oppositionsparteien bislang nicht an.

Hinzu kommt: Die Krise der Konkurrenz führte nicht unbedingt zum Schließen der eigenen Reihen in der Opposition - wie man angesichts des mitunter umgehenden "Neuwahlgespensts" vielleicht ebenfalls vermuten könnte. Vielmehr toben sowohl innerhalb der FPÖ als auch der SPÖ weiter Flügelkämpfe - wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Nur bei der kleinsten Oppositionskraft, den Neos, ist die Führungsfrage unbestritten: Beate Meinl-Reisinger sitzt als Parteichefin fest im Sattel.

Mölzer: "Kickl ist der Motor der FPÖ"

Bei den Freiheitlichen wird der Konflikt um den Parteivorsitz mittlerweile offen - und öffentlich - geführt. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sagte am Montag auf "oe24.tv", er würde "natürlich" zu Verfügung stehen, um seine Partei als Spitzenkandidat in eine Nationalratswahl zu führen. Zuvor hatte aber auch Parteiobmann Norbert Hofer betont, bei einer etwaigen Neuwahl als Listenerster antreten zu wollen. Entsprechend zurückhaltend reagierte Hofer auf Kickls Vorstoß. Über die Spitzenkandidatur werde entschieden, wenn es Wahlen gibt, hieß es lapidar aus dessen Büro.

Nach anfänglicher Zurückhaltung wagten sich allerdings bereits die ersten Landesparteiobleute aus der Deckung. Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger sagte, er könne sich Kickl "prinzipiell sehr gut" als Spitzenkandidat vorstellen. Die blaue Landeschefin in Salzburg, Marlene Svazek, wurde noch expliziter: Kickl habe "das handwerkliche Zeug" für eine Spitzenkandidatur, Hofer als Dritter Nationalratspräsident indessen "bereits ein präsidiales Amt" inne. Das sei vielleicht eine "gute Vorbereitung für andere Wahlen" - eine Anspielung auf die Bundespräsidentenwahl im kommenden Jahr. Dass Kickl die blaue Basis hinter sich hat und vielen als der eigentliche "starke Mann" seiner Partei gilt, ist kein Geheimnis. Insbesondere im Falle einer baldigen Neuwahl könnte sich das parteiinterne Gewicht daher so schnell wie deutlich in Richtung Kickl verlagern.

"Hofer ist das freundliche, staatstragende Gesicht, Kickl der Motor der FPÖ", sagt der einstige blaue EU-Abgeordnete Andreas Mölzer zur "Wiener Zeitung". Falls es nicht zu vorgezogenen Neuwahlen komme, werde sich die Frage "Kickl oder Hofer?" erst in drei Jahren stellen, ist Mölzer überzeugt. Wer im Falle baldiger Neuwahlen Spitzenkandidat sein soll, dazu hat er aber eine klare Präferenz: Die FPÖ wolle und solle in absehbarer Zeit keine Regierungsbeteiligung anstreben - "das würde sie zwei Jahre nach Ibiza überfordern". Für einen oppositionellen Kurs sei Kickl der "logische und erfolgversprechendere Kandidat", so Mölzer. Daran, dass das auch die Mehrheit in seiner Partei so sieht, hat er wenig Zweifel.

Rendi-Wagner "hat null Bewegungsspielraum"

In der SPÖ gibt es zwar keine offene Führungsdiskussion. Wer sich in der Partei umhört, hegt aber kaum Zweifel daran, dass wohl nur die allerwenigsten die Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner für eine ideale Spitzenkandidatin in einem Wahlkampf halten. Ganz im Gegensatz zur FPÖ ist bei der SPÖ allerdings derzeit keine realistische Alternative in Sicht.

"Es ist ihr gelungen, sich an der Spitze einzubetonieren", sagt ein SPÖ-Mitglied in zentraler Funktion im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" über seine Parteichefin. "Der Preis, den sie dafür zahlt, ist: Sie hat null Bewegungsspielraum." Von starkem Rückhalt für Rendi-Wagner unter den Funktionärinnen und Funktionären - geschweige denn an der Basis - ist in der SPÖ tatsächlich wenig zu spüren. Noch profitiert sie von den mitunter auseinanderdriftenden Interessen der verschiedenen roten Lager, als deren Kompromisskandidatin sie sich halten kann - ohne eigene Basis.

Und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der lange als Alternative an der SPÖ-Spitze gehandelt wurde, ist zuletzt intern ein wenig ins Abseits geraten. Langfristig werde sich Doskozil aber wieder für den Parteivorsitz in Stellung bringen, ist der Parteiinsider überzeugt: "Ich glaube nur, dass Rendi-Wagner vorher noch eine Wahl verlieren muss."