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Maßnahmenvollzug: Experten fordern Geld und Personal

Von Karl Ettinger

Politik

Beim Netzwerk Kriminalpolitik stößt der Reformplan für psychisch kranke Rechtsbrecher auf Zustimmung. Skepsis herrscht gegenüber Einweisung terroristischer Rückfalltäter in eine Sonderhaft. Justizministerin Zadic will 200 neue Therapieplätze schaffen.


Geteilt fällt die Reaktion von Justizfachleuten auf die geplante Neuregelung des Maßnahmenvollzugs für psychisch kranke Straftäter aus. Grundsätzlich unterstützt wird vom Netzwerk Kriminalpolitik die vorgesehene Änderung bei Einweisungen, wonach jene Straftäter, von denen keine dauerhafte Gefahr ausgeht, in psychiatrischen Abteilungen von Spitälern behandelt werden sollen. Damit will die Bundesregierung erreichen, dass weniger psychisch kranke Rechtsbrecher weggesperrt werden. Eine Sonderhaft für terroristische Rückfalltäter, die ebenfalls vorgesehen ist, wird hingegen als "unangebracht" abgelehnt.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) haben nach jahrelangen Verzögerungen ein erstes Reformpaket für den Maßnahmenvollzug in Begutachtung geschickt. Für das Netzwerk Kriminalpolitik, dem unter anderen die Richtervereinigung, der Rechtsanwaltskammertag, die Opferhilfsorganisation Weißer Ring und Strafrechtsexperten angehören, steht und fällt die angestrebte Reform allerdings mit mehr Geld und Personal. Es dürfe "kein Scheitern der notwendigen Reform an Kosten" geben, wird in einer der "Wiener Zeitung" vorliegenden Stellungnahme gewarnt. "Der Maßnahmenvollzug und auch die Nachsorge mit psychisch Kranken sind kostenintensiv", wird betont. Um die Sicherheit für die Gesellschaft zu erhöhen und die Grund- und Menschenrechte Betroffener zu wahren, bedürfe es "ausreichender finanzieller und personeller Ressourcen".

Zadic: 200 neue Therapieplätze für psychisch kranke Täter

Justizministerin Zadic sicherte am Mittwoch nach dem Ministerrat personelle und finanzielle Verbesserungen zu. Insgesamt sollen für gefährliche psychisch kranke Straftäter 200 Therapieplätze zusätzlich geschaffen werden. Das ist Teil eines zweites Reformpakets zum Strafvollzug, dessen Eckpunkte in der Regierungssitzung beschlossen wurden.

Im Budget seien dafür bereits zusätzliche Mittel vorgesehen. Konkret kündigte die Ressortchefin auch den Ausbau der Justizsonderanstalt Göllersdorf in Niederösterreich an. Diese Anstalt werde mit in einer Summe von 75 Millionen Euro zu einem forensisch-therapeutischen Zentrum im Zuge der Reform des Maßnahmenvollzugs ausgebaut. Gemeinsam mit dem Zentrum in Asten bei Linz würden für den Ausbau insgesamt 140 Millionen Euro aufgewendet. Außerdem werde es mehr Betreuer geben, eine Zahl nannte sie dabei nicht. Auch für eine ausreichende Nachbetreuung soll gesorgt werden.

Die Justizministerin kündigte auch Verbesserungen beim Rechtsschutz an. Künftig werde innerhalb der Frist von einem Jahr entschieden werden, ob jemand weiter im Maßnahmenvollzug bleibt oder nicht. Bisher haben sich derartige Entscheidungen viel länger hingezogen.

Die Trennung bei den Einweisungen wird von den Experten begrüßt. Nach der Reform werden künftig nur Rechtsbrecher mit psychischen Erkrankungen, von denen längerfristig eine Gefahr für die Gesellschaft ausgeht, weiter weggesperrt werden, die anderen werden im Gesundheitssystem in psychiatrischen Abteilungen behandelt. Diese "restriktivere Definition" der Voraussetzungen für die Einweisungen gehe "in die richtige Richtung", betont das Netzwerk Kriminalpolitik. Eine Einweisung in eine Justizanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher erscheine nur gerechtfertigt bei einer "Anlasstat, die ein Verbrechen darstellt". Hingegen sollen "Vergehen" nicht Anlass für eine bis zu lebenslange Anhaltung im Maßnahmenvollzug sein. Für Jugendliche solle der Maßnahmenvollzug mit maximal zehn Jahren begrenzt werden.

Kritik an "Anlassgesetzgebung"

Auf Widerstand stößt beim Netzwerk Kriminalpolitik, dass künftig erstmals auch terroristische Rückfalltäter unter bestimmten Voraussetzungen bis zu zehn Jahre in einer Sonderhaft weggesperrt werden können. Auf diese Regelung hat besonders die ÖVP nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt im November des Vorjahres gedrängt. Die Unterbringung gefährlicher Rückfalltäter in einer Sonderanstalt sei "aus guten Gründen nahezu totes Recht", wird in der Stellungnahme betont. Seit 2014 sei keine unbedingte Einweisung mehr erfolgt. Beim Vorhaben für terroristische Rückfalltäter handle es sich um eine "Anlassgesetzgebung" nach dem Wiener Terroranschlag und eine "unverhältnismäßige Erweiterung".

Schon die Expertenkommission zur Aufklärung von Versäumnissen vor dem Terrorattentat habe keine Notwendigkeit dafür gesehen, betont das Netzwerk. Denn die Ursachen, warum der Terroranschlag nicht verhindert werden konnte, seien "in mehrfachem Staatsversagen" gelegen. Aus diesem Anlass eine zusätzliche Sanktion in Form der Sonderhaft für terroristische Rückfalltäter einzuführen, sei daher "unangebracht". Außerdem sei die konkrete Umsetzung "völlig offen". Nach dem Plan von Justiz- und Innenministerium soll die Unterbringung getrennt von psychisch kranken Insassen in Hochsicherheitsabteilungen von Justizanstalten erfolgen.