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Spurwechsel auf Teststraßen

Von Martin Tschiderer

Politik

Mehr Impfungen bewirken weniger Nachfrage nach Tests. Was bedeutet das für die öffentlichen Testangebote? Und was für die "Impfverweigerer"?


Vor Teststraßen und Apotheken bilden sich dieser Tage lange Schlangen. Denn jeder, der nicht innerhalb der vergangenen sechs Monate von einer Covid-19-Infektion genesen ist oder vor zumindest 21 Tagen den ersten Impfstich erhalten hat, braucht einen Test. Jedenfalls, wenn er zum Friseur, ins Kino, Konzert oder Wirtshaus will. Und das wollen nach mehr als einem halben Jahr (Gastro-)Lockdown viele. Die Auslastung der Testkapazitäten erreicht dieser Tage daher Spitzenwerte.

Aktuell braucht noch der Großteil der Bevölkerung ein negatives Testergebnis zum Eintritt. Mit steigender Impfrate verschieben sich die Mehrheitsverhältnisse zwischen Getesteten und Geimpften aber zunehmend in Richtung Geimpfter. Die Schlangen vor den Teststationen werden also zunehmend kürzer werden. Und was passiert dann? Wie viel an kostenlosen Testmöglichkeiten wird man dann noch weiter aufrechterhalten? Kostenlos sind die Tests für den Einzelnen schließlich nur in der Rolle des Getesteten - nicht aber in jener des Steuerzahlers.

Mit einer Beantwortung dieser Fragen preschte jüngst Vorarlberg vor. Die Testkapazitäten werden dort schrittweise heruntergefahren. Weil nun auch registrierte "Wohnzimmertests" den Zutritt zu Gastronomie und körpernahen Dienstleistungen ermöglichen, gebe es bereits deutlich weniger Nachfrage nach öffentlichen Testangeboten, argumentiert man im Bundesland. Vom aktuell in Vorarlberg vorhandenen Angebot wird daher nicht alles bestehen bleiben, kündigte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) an.

Kein Erststich für alle vor dem Sommer

So wird es etwa ab Samstag statt bisher sechs nur noch drei Teststationen des Bundesheeres in Vorarlberg geben. Mit 13. Juni werden auch diese aufgelassen. Über den Sommer solle jedenfalls ein "flächendeckendes Angebot" in allen Landesteilen erhalten bleiben. Wie genau das aussehen werde, hänge auch von der weiteren Pandemie-Entwicklung ab, heißt es aus der Vorarlberger Landesregierung im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Auch in Tirol gibt es bereits Pläne zur Ausdünnung von Testmöglichkeiten. Dass die sinkende Nachfrage in weiteren Bundesländern zu einer Reduktion des Angebots führen wird, ist wohl nur noch eine Frage der Zeit.

Allerdings: Nicht überall ist man sich so sicher, dass die Corona-Tests bald ein absolutes Minderheitenprogramm werden. Insbesondere nicht in Wien. Das liegt nicht zuletzt an der Einschätzung des heimischen Impffortschritts. Die Ankündigung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wonach jeder, der dies wolle, vor Juli zumindest einen ersten Impfstich bekomme, werde so "nicht eintreten", heißt es gegenüber dieser Zeitung aus dem Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ). Auch bisherige Ankündigungen, wonach alle in der Altersgruppe über 65 im April, alle über 50 im Mai fertig geimpft sein sollten, seien nicht eingetreten.

Laut Prognose werde man mit den geplanten Impfstoffkontingenten bis Ende Juni 55 bis 60 Prozent der Wiener Wohnbevölkerung eine Erstimpfung verabreicht haben. Mitte Juli werde man demnach bei rund 70 Prozent stehen. Weil im Juni zwar mehr Impfstoff geliefert wird, im Juli und August aber wieder weniger, werde es erst im Laufe des Augusts 80 Prozent Erstgeimpfte geben - etwa diesen Wert braucht es für Herdenimmunität in der Bevölkerung. Auch weitere Öffnungen, etwa bei Großveranstaltungen, dürften wohl nicht ohne zusätzliche Eintrittstests erfolgen. Eine potenziell geringere Schutzwirkung der Impfung bei möglichen neuen Varianten bleibt ohnehin ein Unsicherheitsfaktor.

Aus all diesen Gründen seien Tests noch längere Zeit ein relevanter Faktor, heißt es aus Wien. In der Hauptstadt plane man daher derzeit keine Reduktion der Testkapazitäten. Hinzu kommt: Ab August sollen mit dem vorhandenen Impfstoff nicht nur Erst- und Zweit-, sondern auch schon Drittstiche durchgeführt werden. Etwa in Alters- und Pflegeheimen oder bei Spitalsangestellten, die früh erstgeimpft wurden.

Und dennoch: Die Zeit, in der nur noch jene nicht immunisiert sind, die sich nicht impfen lassen wollen, ist absehbar. Um Friseur, Lokal oder eine Veranstaltung zu besuchen, brauchen sie aber weiterhin einen Eintrittstest. Stellt sich die Frage: Wie lange soll die öffentliche Hand - also letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler - den "Impfverweigerern" kostenlose Tests finanzieren?

Zurückhaltende Antworten der Politik

Die Antworten auf diese politisch heikle Frage sind bislang zurückhaltend. Im Finanzministerium wird gegenüber dieser Zeitung zwar - auch bei Testungen - auf die Linie "Koste es, was es wolle" in Sachen Pandemie verwiesen. Im Gesundheitsministerium, dessen pandemiebedingte Extra-Budgets das Finanzressort freigeben muss, klingt das aber schon etwas differenzierter: "Zum aktuellen Zeitpunkt" sollen Testmöglichkeiten "für alle Bevölkerungsgruppen niederschwellig" zur Verfügung gestellt werden, heißt es auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Öffentliche Teststraßen seien ein wichtiger Bestandteil davon. Die Kosten dafür würden indes "unter dem Anspruch der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit diskutiert". Langfristiges Ziel des Ministeriums sei jedenfalls, Testangebote "in die Regelversorgung" überzuführen.

Für die Politik wird die Finanzierungsfrage eine schwierige Abwägung bleiben. Denn den hohen Kosten eines breiten Testangebots bei sinkender Nachfrage steht ein anderes Argument gegenüber: Weniger Gratistests führen auch zu sinkender Testmotivation bei Ungeimpften - ein Risikofaktor in der Pandemiebekämpfung.

Wie hoch die Kosten für die öffentlich finanzierten Tests tatsächlich sind, ist unterdessen noch unklar. Denn bisher liegen erst vereinzelte Teilabrechnungen der "Massentests" vor, die von den Bundesländern organisiert werden - die Länder bekommen die Beträge über den bundesweiten Covid-19-Zweckzuschuss zurück. Auch für die Apotheken, die einen Kostenersatz von 25 Euro pro durchgeführtem Antigen-Test erhalten, gibt es noch keine Gesamtzahlen. Für die Beschaffung von Antigen-Heimtests bezahlte das Gesundheitsministerium bis Anfang Mai jedenfalls 82,7 Millionen Euro aus.