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Urabstimmung über Parteichef der Grünen wurde abgelehnt

Von Mathias Ziegler

Politik
Grünen-Chef Werner Kogler beim Bundeskongress der Grünen in Linz.
© KERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

Die Grünen werden ihren Parteichef auch künftig nicht per Urabstimmung wählen. Vizekanzler Werner Kogler betonte in seiner Rede die Leistungen der Grünen bei Sozialem und Klimaschutz.


Der dreitägige Bundesparteitag der deutschen Grünen, auf dem Annalena Baerbock offiziell zur Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl gekürt wurde, ging am Sonntag zu Ende. Der Bundeskongress der österreichischen Grünen in Linz hat am Sonntagvormittag mit 20 Minuten Verspätung begonnen. Während der gesamten Veranstaltung herrschte Maskenpflicht auch auf den Plätzen, die nur zur Mittagspause verlassen werden sollten, um eine Traubenbildung zu vermeiden. Die Abstandsregeln wurden also stark betont. Kein Wunder, war doch auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, der Herr über die Corona-Maßnahmen, zugegen.

Unmut der Medien

Ärger zogen sich die Grünen von einigen Journalisten zu, denen erst nach Protest gestattet wurde, den Parteitag direkt im Saal im Linzer Design Center zu verfolgen und nicht via Livestream in einem Nebenraum.

Für eine Überraschung sorgte die Abstimmung über eine geplante Statutenänderung. Die Grünen werden ihren Parteichef auch künftig nicht per Urabstimmung wählen. Beim Bundeskongress der Partei am Sonntag in Linz erhielt ein entsprechender Antrag überraschend nicht die nötige Zweidrittelmehrheit, sondern nur 62,7 Prozent der Delegiertenstimmen. Auch das Bestimmungsrecht des Bundessprechers über zwei vordere Listenplätze für Bundeswahlen kommt damit nicht. Die Statutenänderung war ein deklarierter Wunsch von Bundessprecher Werner Kogler.

Angedacht wäre gewesen, dass künftig die 7.000 Mitglieder der Landesparteien den/die Bundessprecher/in wählen dürfen und nicht nur die rund 280 Delegierten des Bundeskongresses. Bewerben hätte sich jedes Mitglied mit zumindest 100 Unterstützern können. Lange war an der Änderung der Statutenänderung gearbeitet worden, auch bis zum späten Samstagabend war noch diskutiert und der Antrag modifiziert worden. Es gab aber zu viele kritische Stimmen, etwa aus den Landesorganisationen Niederösterreich und Wien sowie vom "zehnten Bundesland" (Minderheiten bzw. Zuwanderer).

Andere Statutenänderungen wurden hingegen mit breiter Mehrheit angenommen. So heißt die Grüne Bildungswerkstatt jetzt Bildungsinstitut, das Parteischiedsgericht nicht mehr "Friedensgericht". Staatssekretäre werden parteiintern als Regierungsmitglieder gewertet und entsprechend in den Gremien berücksichtigt, der Bundessprecher durchgehend gegendert.

Einstimmig akzeptiert wurde der Leitantrag zum Bundeskongress, in dem die Bewältigung der Klimakrise als historischer Auftrag der Grünen bezeichnet wurde. Gefordert wurden neue Wege für Klima, Gesellschaft und Demokratie. Die Generaldebatte dazu - die erst nach Journalistenprotesten öffentlich abgehalten wurde - verlief kurz und weitgehend harmonisch. Kritischste Stimme war Martin Margulies aus Wien, der sich dafür aussprach, die auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich stärker zu berücksichtigen.

Pandemie, Klimaschutz, Soziales und Türkis-Blau

Den öffentlichen Teil des Bundeskongresses, dominierten die Reden von Vizekanzler Werner Kogler, der sich nächstes Jahr erneut als grüner Bundesparteichef bewerben will, und Stefan Kaineder, dem stellvertretenden Bundessprecher und Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Oberösterreich. Beide widmeten weite Teile ihrer Reden neben der Corona-Pandemie auch dem Klimaschutz. Die beiden rieben sich aber auch immer wieder am türkisen Koalitionspartner, dem sie mehrmals die "Ibiza-Koalition" mit der FPÖ vorhielten, die nach ihrer Sprengung auf Bundesebene in Österreich regional immer noch teilweise anzutreffen sei. Und da gebe es schon noch "sehr viel rückständiges Denken", so Kaineder. Gleichzeitig bekräftigte er, dass selbst alte Sturköpfe an den Stammtischen inzwischen kapieren würden, dass es beim Thema Klimawandel eine neue Politik brauche.

Vizekanzler Werner Kogler betonte, was dank der grünen Regierungsbeteiligung auf Bundesebene schon alles in Bezug auf den Klimaschutz realisiert wurde: Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), Förderung der E-Mobilität, die Arbeit an CO2-Steuern. Er mahnte aber auch, nicht nachzulassen im Kampf gegen den Klimawandel: "Lieber Nachtzug als Kurzflug." Er lobte auch die Klimaschutzambitionen der heimischen Wirtschaft. Die ehemaligen "Klimawandel-Leugern" dürften jedoch nicht von "Klimaschutz-Heuchlern" abgelöst werden.

Auch die sozialen Errungenschaften der Grünen betonte Kogler in seiner Rede: Verbesserungen bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, Frühstarter-Bonus, Kinder-Bonus – "Für alle Kinder gleich viel, wann hat es das schon gegeben?" – und mehrere andere Verbesserungen im Sozialsystem habe seine Partei als Koalitionspartner der ÖVP geschafft.

"Wir machen auch Politik für Leute, die uns nicht wählen"

Dass die Grünen sich als Juniorpartner angebiedert hätten, diesen Vorwurf wollte Kogler nicht gelten lassen. Sich dafür zu entschuldigen, dass man regiere, sei ein "Blödsinn". Und er stellte klar: "Besser, die Richtigen regieren, als die Falschen." Kogler lobte auch seine grüne Ministerkolleginnen: Leonore Gewessler habe als Umweltministerin die ökologische Transformation des Landes vorangetrieben. Schließlich sei der Klimaschutz der historische Auftrag der Grünen. Und Justizministerin Alma Zadic stelle sich bei allen Angriffen vor die Justiz. Auch hier zeige sich: "Den Unterschied machen wir." 

Die beiden Ministerinnen traten später auch selbst auf und führten in ihren Reden die grüne Selbstbestätigung fort, ehe sie auch von Klubobfrau Sigrid Maurer über den grünen Klee gelobt wurden. Sie stellte auch fest, dass die Grünen früher für ihren Einsatz für den Klimaschutz ausgelacht worden seien. "Heute lacht niemand mehr." Und sie betonte: "Wir machen keine Klientelpolitik. Wir machen auch Politik für Leute, die uns nicht einmal wählen."

Ein Blumenstrauß für Rudolf Anschober

Als Überraschungsgast tauchte um fünf vor zwölf Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober auf. Sein Auftritt zu Mittag war offenbar ungeplant, sorgte dafür aber für umso mehr Freude auf dem Podium. Anschober wurde gleich auf die Bühne gebeten und mit einem kurzfristig aufgetriebenen Blumenstrauß geehrt. Selbst sagte er allerdings nichts ins Mikrofon.

Nach diesem emotional aufgeladenen Auftritt, bei dem Kogler auch ein Sommerfest für den aus Gesundheitsgründen zurückgetretenen Anschober und die ehemalige grüne Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek versprach. Freilich unter der Voraussetzung, dass es die Corona-Regeln von Anschobers Nachfolger Wolfgang Mückstein zulassen. Der aktuelle Gesundheitsminister wurde beim Bundeskongress ebenso offiziell vorgestellt und als Bundesregierungsmitglied bestätigt wie Andrea Mayer, die ja Lunacek als Kulturstaatssekretärin nachgefolgt ist.

Mückstein will Luftfilter in Schulen und Pflege reformieren

Beide Regierungsmitglieder hielten auch selbst Reden, in denen Mayer erwartungsgemäß betonte, wie wichtig die Unterstützung für den Kulturbereich und dort vor allem für kleine Häuser und freischaffende Künstler sei, während Mückstein zunächst noch einmal den Tag seiner Berufung zum Gesundheitsminister Revue passieren ließ, ehe er seine Pläne für die nächsten Monate und Jahre vorstellte: Insbesondere auf den Herbst müsse man sich jetzt schon vorbereiten. Zum Beispiel sollten in den Schulen rechtzeitig Luftfiltersysteme installiert werden, um möglichen neuen Corona-Varianten vorzubeugen. Gleichzeitig strich der Gesundheitsminister auch die "gute Durchimpfungsrate" hervor und versprach weitere Fortschritte bei der Impfkampagne. 

Ein weiteres großes Vorhaben, das ihm besonders am Herzen liege, sei die  dringend notwendige Pflegereform, so Mückstein, der ja nicht nur Gesundheits-, sondern auch Sozialminister ist. Er richtete sich aber auch an das andere Ende des Altersspektrums und sprach insbesondere den Kindern und Jugendlichen nach fast eineinhalbjährigen sozialen Entbehrungen seinen Dank und seine Wertschätzung aus: "Jetzt ist es Zeit, dass wir uns endlich auch um sie kümmern." Die Corona-Pandemie sei auch ein Stresstest für den Sozialstaat gewesen, "aber er hat im Großen und Ganzen gehalten". Dennoch müsse man auch hier an mehreren Schrauben drehen, um mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen, betonte Mückstein.