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Impfungen fürs Partyvolk

Von Martin Tschiderer

Politik

Wien will sogenannte Impfpartys organisieren, um die junge Bevölkerung schneller zu immunisieren. Was planen andere Bundesländer? Und ist es rechtlich zulässig, nur Geimpften den Zutritt in Clubs und Diskotheken zu gewähren?


Die Freude über die nächsten Öffnungsschritte ab 1. Juli war in vielen Branchen groß. Recht schnell mischten sich darunter aber auch Bedenken, ob manche Lockerungen nicht zu schnell kämen. Neben dem Fallen der Maskenpflicht in vielen Bereichen sorgte vor allem ein Thema für Aufregung: die Öffnung der Nachtgastronomie. Clubs und Diskotheken bieten bekanntlich einen Rahmen, der Ansteckungen besonders leicht macht: Menschen dicht beisammen auf engem Raum; schlechte Belüftung; Tanzbewegungen, die die Luft knapper und den Aerosolausstoß intensiver machen.

In Wien wird deshalb darüber nachgedacht, die bundesweiten Öffnungsschritte nicht vollständig mitzumachen. Für Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ist etwa vorstellbar, nur Geimpften und Genesenen den Eintritt in die Nachtgastronomie zu erlauben - und ihn Getesteten weiter zu verwehren.

Am Dienstag preschte die Hauptstadt dann mit einer neuen Idee vor. Um junge Menschen als Hauptzielgruppe der Nachtgastronomie schneller zu immunisieren, wolle man sogenannte Impfpartys organisieren, bei denen sich Jugendliche und Jüngere in lockerem Rahmen ihren Stich holen können. Um dem potenziellen Partyvolk möglichst nahe zur Club-Öffnung eine Grundimmunisierung anbieten zu können, soll das mit dem Vakzin von Johnson & Johnson passieren, bei dem nur eine statt zwei Teilimpfungen nötig ist. Für Termine können sich 18- bis 30-Jährige seit Mittwoch bereits anmelden.

Man habe 35.000 Termine mit Dosen von Johnson & Johnson freigeschaltet, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Hacker gegenüber der "Wiener Zeitung". Bisher seien rund 43 Prozent der 20- bis 29-Jährigen zumindest erstgeimpft. Vor allem über die betrieblichen Impfungen sei diese Altersgruppe gut "erwischt" worden. Weniger gut erreicht wurden allerdings Studierende - vor allem jene, die nicht zumindest in Teilzeit oder geringfügig erwerbstätig sind.

Gerade diese Zielgruppe will man mit den 35.000 Terminen erreichen, die mit 28. Juni starten. Wohl keinen Tag zu spät, denn gerade Studentinnen und Studenten verlassen mit Beginn der Sommerferien am 1. Juli oft schnell die Stadt. Und kehren mitunter erst zu Beginn des neuen Semesters Anfang Oktober - möglicherweise dann in einer vierten Welle - wieder an den Studienort zurück. Diese Gruppe über den Sommer noch flächendeckend zu erreichen, wäre also schwierig.

"Vielleicht hat Wien das besser vermarktet"

Geplant ist die Party-Impfaktion jedenfalls für Anfang Juli. Ein genaues Datum gibt es noch nicht. Die Impfung könnte im Rahmen einer einzigen großen Veranstaltung auf den großzügigen Freiflächen von St. Marx in Wien-Landstraße stattfinden - oder auch auf mehrere kleinere Events mit mobilen Impfteams verteilt. In jedem Fall soll die Aktion im Freien stattfinden und von Live-Musik begleitet werden. "Wir sind aktuell mit mehreren Bands, DJs und Vertretern der Wiener Rap-Szene im Gespräch", heißt es aus dem Büro Hacker. Laut Informationen der "Wiener Zeitung" könnte aber auch eine Koppelung mit dem Wiener Kultursommer eine Option sein, wo Busse mit Impfteams an die jeweiligen Standorte geschickt werden könnten.

In anderen Bundesländern werden bisher keine Impfparty-Pläne gewälzt. Mitunter auch, weil die Durchimpfung der Jungen bereits in der Zielgeraden ist. Aus dem Büro der Kärntner Gesundheitslandesrätin Beate Prettner (SPÖ) heißt es im Gespräch mit dieser Zeitung etwa, alle Kärntnerinnen und Kärntner ab 16, die sich auf der Impfplattform des Landes vorangemeldet haben, würden bis Ende nächster Woche ihren ersten Stich erhalten: "Alle priorisierten Gruppen sind schon länger durchgeimpft, auch alle anderen ab 16 Jahren konnten sich seit Jänner für die Impfung vormerken und sind jetzt dran." Kinder von zwölf bis 16 Jahren werden dagegen nicht in den Impfstraßen des Landes, sondern bei niedergelassenen Ärzten geimpft. Ebenso wie in Wien sind Anmeldungen für diese Altersgruppe bereits möglich.

In Vorarlberg wurden über das Wochenende 2.660 12- bis 15-Jährige - zentral in einer Impfstraße in Dornbirn - geimpft, wie es aus der Landesregierung auf Nachfrage heißt. Auch Jüngere über 16 würden derzeit vielfach immunisiert. "Wer sich zur Impfung angemeldet hat, bekommt derzeit sehr rasch einen Termin", heißt es - ebenfalls nicht zuletzt mit Blick auf die Öffnung der Nachtgastronomie, versichert man. Nachsatz: ",Impfparty‘ nennen wir das aber nicht. Vielleicht hat Wien das etwas besser vermarktet."

Impfpartys wird es auch in der Steiermark nicht geben. Dort können sich junge Menschen aber ebenfalls bereits seit längerem zur Impfung anmelden. Zudem würden gerade Jüngere aktuell vermehrt Ausfalltermine erhalten, war aus dem Büro von Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) zu erfahren. Wo also eine Person zu ihrem vereinbarten Impftermin nicht erscheint, rücken verstärkt junge Jahrgänge nach. Eine generelle Bevorzugung dieser gebe es aber nicht.

Verfassungsrechtler: "Urteil der Virologen letztlich entscheidend"

Die Idee, bei größerer Durchimpfung nur noch Geimpfte in Clubs und Diskos zu lassen, stößt indes wenig überraschend nicht überall auf Gegenliebe - vor allem nicht bei Branchenvertretern. "Das würde die Gesellschaft weiter entzweien", sagt Stefan Ratzenberger, Obmann des Verbandes der Österreichischen Nachtgastronomen, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob es sich in diesem Fall um Diskriminierung handeln könnte. Zu erwarten sei von einer solchen Maßnahme zudem neuerlich ein Verdrängungseffekt, sodass Jugendliche erst recht wieder ungetestet am Donaukanal oder Karlsplatz feiern würden, sagt Ratzenberger: "Dieses Vorgehen wäre ein Wahnsinn."

Verfassungsrechtler halten es dagegen nur unter bestimmten Umständen für denkbar, dass ein exklusiver Eintritt für Geimpfte wegen Diskriminierung unzulässig sein könnte. "Letztlich muss das vom Urteil der Virologen abhängen, ob ein Test genauso sicher ist wie geimpft oder genesen", sagt Heinz Mayer. Wenn dem so sei, dürfe kein Unterschied gemacht werden. Dann wäre eine Beschränkung also tatsächlich unzulässig. In eine ähnliche Kerbe schlägt Peter Bußjäger: "Nicht jede Differenzierung widerspricht dem Gleichheitsgebot." Entscheidend sei, ob eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung vorliege. Grundsätzlich sei es sachlich gerechtfertigt, im Rahmen der Pandemiebekämpfung sehr vorsichtig zu sein. Eine Differenzierung zwischen Geimpften und Getesteten sei demnach grundsätzlich möglich, meint Bußjäger: "Das sollte dann aber medizinisch mit sehr starken Argumenten begründet sein."