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Kritik an mangelnder Kommunikation der Parteispitze

Von Martin Tschiderer

Politik

Nach dem Parteitag mit nur 75 Prozent Zustimmung für Rendi-Wagner rumort es wieder und weiterhin in der SPÖ.


Es war dann doch eine Überraschung. Dass Pamela-Rendi Wagner als SPÖ-Chefin nicht die volle Unterstützung ihrer Partei genießt, war klar. Dass die betonte Zurückhaltung ihrer internen Gegner in den vergangenen Wochen und Monaten noch nicht das ganze Bild der roten Stimmung zeigte, ebenso. Dass es am Bundesparteitag am Samstag aber nur 75 Prozent Zustimmung für die wiedergewählte Parteivorsitzende wurden - das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte der SPÖ -, verblüffte doch viele.

Wer die 25 Prozent waren, die in der Messe Wien nicht für Rendi-Wagner stimmten, dazu gab es auch am Montag weitreichende Spekulationen - aber keine Bekenntnisse. Sowohl Niederösterreichs Parteivorsitzender Franz Schnabl, als auch der burgenländische Landesgeschäftsführer Roland Fürst und der einstige Bundesgeschäftsführer Max Lercher aus der Steiermark winkten ab. Auf Nachfrage bestritten alle drei, etwas mit dem schlechten Ergebnis zu tun zu haben. Gerade diese drei Bundesländer gelten als jene mit einem schwierigen Verhältnis zur Bundesparteivorsitzenden. Schnabl wird ebenso mäßig gutes Einvernehmen mit Rendi-Wagner nachgesagt wie Lercher. Burgenlands SPÖ mit Rendi-Wagners bis vor kurzem lautesten Kritiker, Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, und die Bundes-SPÖ prägt ohnehin schon lange keine innige Beziehung.

Klar ist: Mit dem 75-Prozent-Votum lässt sich eine neue Debatte um den SPÖ-Vorsitz nicht ganz von der Hand weisen - auch wenn sich die Partei selbst um Beruhigung bemüht. Hinter den Kulissen wird die Debatte geführt werden, obwohl Rendi-Wagner in der "ZiB 2" am Sonntagabend bekräftigte, weitermachen zu wollen. Und unabhängig davon, wie realistisch Alternativen aktuell sein könnten. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser etwa hat starken Rückhalt in seiner Partei und würde im Falle eines Falles als realistischer Kandidat gelten, um den Bundesvorsitz zumindest interimistisch zu übernehmen. Längerfristig soll er aber kein Interesse am Amt des Parteivorsitzenden haben - auch weil ihm Ambitionen für eine Kandidatur als Bundespräsident nachgesagt werden.

Für die SPÖ-Spitze stellt sich jedenfalls die Frage: Wie geht man mit der aktuellen Situation um? Und müsste man für einen Umgang nicht zunächst wissen, wer aus welchen Motiven die Unterstützung für Rendi-Wagner verweigerte?

Streichungen aus "Ego-getriebenen Motiven"

In Vorstandskreisen ist man jedenfalls hörbar zerknirscht. Viele in der Partei seien sehr verärgert über die Vorgangsweise am Parteitag, nicht wenige würden vermuten, dass die Streichungen Rendi-Wagners bei der Abstimmung im Vorfeld orchestriert worden seien, heißt es gegenüber der "Wiener Zeitung". Denn dass bei rund 600 Delegierten die Stimmung im Raum "normal" bis "gut" gewesen sei und bis auf einen Bürgermeister niemand in Reden Kritik geäußert habe, sei in Kombination mit dem Abstimmungsergebnis "ungewöhnlich". Auch von "selbstzerstörerischem Verhalten" ist im Vorstand die Rede. Gerade jetzt, wo sich die SPÖ in Umfragen sukzessive stabilisiert habe, würde sich die ÖVP nun wieder "Blumensträuße" schicken.

Die innerparteiliche Analyse habe jedenfalls unmittelbar nach Ende dieses "bescheidenen" Parteitages begonnen, heißt es. Im Vorstand, der sich danach traf, sei debattiert und "ziemlich Klartext" gesprochen worden. In den Gremien gebe es weiter viel Gesprächsbedarf. In Vorstandskreisen gehe man jedenfalls trotz der Dementi davon aus, dass die drei in Medien kolportierten Personen - Schnabl, Doskozil, Lercher - die Streichungen organisiert hätten. Und das aus "Ego-getriebenen" Motiven.

Andere in der Partei sehen das allerdings völlig anders. "Wenn ein Viertel der Delegierten nicht für die Vorsitzende stimmt, dann kann man das nicht einfach drei Einzelpersonen zuschreiben", sagt ein roter Abgeordneter zu dieser Zeitung. "Da lässt sich schon eine breitere Unzufriedenheit mit der Parteichefin herauslesen." Gerade wenn man wisse, dass es Kritiker gebe, wäre der logische Weg, erst recht in die Offensive zu gehen, bewusst Gespräche zu suchen. Ebendies passiere aber nicht. Auch beim jüngsten Vorschlag der SPÖ zu einer Reform des Staaatsbürgerschaftsrechts habe die Parteispitze die Entscheidung zur Präsentation weitgehend abgeschottet getroffen, lautet der Vorwurf.

"Da hat es keine Verschwörung und nichts Organisiertes gegeben", sagt ein anderer erfahrener Roter. Die Vorsitzenden-Wahl sei ein Stimmungsbild, das zeige: "Drei Viertel trauen Rendi-Wagner den Vorsitz zu, ein Viertel eben nicht." Es wäre zwar durchaus kein Fehler, wenn einzelne Delegierte ihre Kritik auch geäußert hätten, um sie inhaltlich diskutieren zu können; die Abstimmung sei aber geheim und es stehe jedem frei, sich zusätzlich in den Debatten zu äußern, oder eben nicht, so der SPÖ-Mann. Umgekehrt sei die Kommunikation der Parteiführung mit der Partei aber jedenfalls "verbesserungswürdig".

"Grundsätzliche Unbeliebtheit" Rendi-Wagners

Diesen Eindruck teilt auch ein weiterer Parteiinsider im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Bezüglich der Abstimmung könnte es zwar durchaus Absprachen im Vorfeld gegeben haben, der Großteil der Streichungen dürfte aber wohl mit der "grundsätzlichen Unbeliebtheit" der Parteichefin zu tun haben, so der Rote.

Viele könnten Rendi-Wagner auch gestrichen haben, aber damit "eigentlich Christian Deutsch gemeint haben". Denn dieser stand selbst nicht zur Abstimmung. Man dürfe nicht unterschätzten, wie unbeliebt der SPÖ-Bundesgeschäftsführer in seiner Partei sei, sagt der SPÖ-Mann. Dass viele aus Burgenlands SPÖ Rendi-Wagner nicht gewählt hätten, sei keine Überraschung. Das Burgenland verfüge aber nur über vier Prozent der Stimmen.

Gleichzeitig hätte sich zwar Wiens Bürgermeister Michael Ludwig vor dem Parteitag offensiv hinter Rendi-Wagner gestellt. Auch von den Wiener Delegierten hätten aber zahlreiche - gerade, aber nicht nur aus den Außenbezirken - die Vorsitzende bei der Abstimmung gestrichen. Dass unter ihnen niemand in einer öffentlichen Rede Kritik an Rendi-Wagner üben wollte, sei da wenig überraschend, meint der Rote: "Denn das würde ja auch bedeuten, sich mit Wiens Bürgermeister anzulegen. Und wer will schon auf offener Bühne den Konflikt mit dem derzeit mächtigsten SPÖ-Funktionär suchen?"