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Strache, Korfu und die Parteispende

Von Daniel Bischof

Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache weist beim Prozessauftakt den Vorwurf der Bestechlichkeit zurück.


Eifrig macht sich Heinz-Christian Strache Notizen, während die Anklägerin Vorwurf um Vorwurf auf ihn niederprasseln lässt. Der ehemalige Vizekanzler habe "kein Kavaliersdelikt, keine zu vernachlässigende Form von Freunderlwirtschaft" verwirklicht, sagt Oberstaatsanwältin Silvia Thaller. Straches Hand flitzt über den Schreibblock. "Strafbare Korruption" sei das Verhalten Straches, fährt die Anklägerin fort. Sie resümiert: "Die vom Strafrecht gezogenen Grenzen sind überschritten."

Ob dem tatsächlich so ist, entscheidet Claudia Moravec-Loidolt, Richterin am Wiener Straflandesgericht. Dort startet am Dienstag der Strafprozess gegen den Ex-Vizekanzler. Ihm wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Bestechlichkeit vorgeworfen. Mit ihm auf der Anklagebank sitzt Walter Grubmüller, Betreiber der Privatklinik Währing. Er muss sich wegen Bestechung verantworten.

Die Anklage der WKStA: Strache soll sich als Amtsträger pflichtwidrig dafür eingesetzt haben, dass die Privatklinik Währing in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) aufgenommen wird. Als Gegenleistung habe Grubmüller eine Spende von 10.000 Euro an die FPÖ geleistet und Strache im Jahr 2018 zu einem Urlaub nach Korfu eingeladen. Die beiden Angeklagten bestreiten die Vorwürfe und bekennen sich nicht schuldig.

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Kampf um Aufnahme

Fest steht, dass Grubmüller jahrelang um die Aufnahme seiner Klinik in den Prikraf kämpfte. Denn Spitäler, die Teil des Fonds sind, können medizinisch notwendige Leistungen an Pflichtversicherte direkt an die Sozialversicherung verrechnen. Wäre die Klinik im Prikraf gewesen, hätte diese mehr Patienten gehabt, weil diese natürlich Spitäler mit Direktverrechnung wählen würden, sagt Grubmüller vor Gericht.

Mit seinem Anliegen kam Grubmüller aber nicht weiter. Voraussetzung für die Aufnahme und Direktverrechnung ist nämlich auch ein Vertrag der Klinik mit der Wirtschaftskammer und der Sozialversicherung. Doch legte sich der zuständige Fachverband der Gesundheitsbetriebe in der Wirtschaftskammer quer.

Man habe ihm gesagt, man "brauche keine Konkurrenz und wolle keine Konkurrenz", so Grubmüller. Wer genau ihm das mitgeteilt habe, fragt Richterin Moravec-Loidolt. "Das möchte ich jetzt nicht sagen, sonst habe ich gleich wieder einen Prozess", meint Grubmüller. Er ortet in dem Vorgehen der Wirtschaftskammer Korruption. Die Wirtschaftskammer hat das zurückgewiesen: Man habe stets klargestellt, dass eine Aufnahme in den Prikraf nur möglich sei, wenn zugleich das Fondsvolumen erhöht werde.

Grubmüller wurde schließlich auch bei Strache vorstellig. Den FPÖ-Politiker kannte er bereits aus dessen Zeit als Bezirksrat in der Landstraße. Strache nahm sich der Sache an - aus welchen Motiven, das ist strittig.

Strache erklärt vor Gericht, aus ideologischen Gründen gehandelt zu haben. Nach Prüfung durch Juristen sei klar geworden, dass die Privatklinik Währing ungleich behandelt werde. Ein Netzwerk aus Privatkliniken mit Nähe zur ÖVP und Raiffeisen habe "bewusst mit Mechanismen Konkurrenz" fernhalten wollen, so Strache. Dieses Thema habe gut zur FPÖ gepasst.

Initiativantrag und Geld

Daher habe die Partei Pressekonferenzen und Presseaussendungen dazu gemacht, so der Ex-FPÖ-Obmann. Im Juni 2017, als die Freiheitlichen noch in Opposition waren, brachten ihre Abgeordneten auch einen Initiativantrag im Nationalrat ein, mit dem alle Privatkliniken in den Prikraf aufgenommen werden sollten. Laut Straches Verteidiger Johann Pauer diente dieser einzig dem Zweck, der FPÖ Munition für den NR-Wahlkampf 2017 zu liefern.

Am 29. August 2017 überwies Grubmüller eine Spende von 10.000 Euro an die FPÖ. Einen Bezug zum Initiativantrag habe es nicht gegeben, sagt Strache. Es habe sich um eine "bewusste Wahlkampfspende" gehandelt.

Auch Grubmüller bestreitet einen Zusammenhang zwischen Spende und Straches Einsatz. Er habe nur die FPÖ unterstützen wollen. Ihm habe die blaue Politik, etwa die Forderung nach der Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern, gefallen. Von der SPÖ, bei der er jahrzehntelang Mitglied war, sei er damals enttäuscht gewesen. Den Vorwurf des Gesetzeskaufes nennt er "lächerlich". "Ich hätte mir das Gesetz schon vor zehn Jahren kaufen können", sagt er. Doch habe er das nie machen wollen.

Ganz anderer Meinung ist die WKStA. Laut Oberstaatsanwältin Thaller ist die Spende Grubmüllers "aus Dankbarkeit für den bereits erfolgten und noch zu erwartenden Einsatz bezüglich Prikraf" und "nicht aus altruistischen Motiven" erfolgt. Strache wiederum sei es "um geldwerte Vorteile für sich, seine Ehefrau und die Partei" gegangen, so die Anklägerin. Denn neben der Spende habe Grubmüller Strache und dessen Frau im Frühling 2018 auch zu einem Urlaub nach Korfu eingeladen.

Strache verwies darauf, dass er 2016 Urlaub auf Korfu mit Grubmüller gemacht und sich damals an den Kosten beteiligt habe. Die Reise 2018 sei er nie angetreten und habe abgesagt. Es sei klar dokumentiert, dass er damals nicht dort gewesen sei.

Selbst wenn Strache nicht geflogen sei, stehe fest: Grubmüller habe Strache eingeladen und dieser habe "alles andere als abweisend reagiert", so Thaller. Bereits dadurch, dass er sich einen Vorteil versprechen habe lasse, habe Strache den Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllt.

Debatte um Chats

Thaller verwies auch auf die Chats zwischen Strache und Grubmüller, die auf dem sichergestellten Handy des Ex-Vizekanzlers sichergestellt wurden. Zu Beginn der türkis-blauen Koalitionsverhandlungen nach der NR-Wahl 2017 fragt Strache Grubmüller etwa, "welches Bundesgesetz wäre für dich wichtig", damit die Klinik "fair behandelt wird?".

Strache sieht darin nichts Verfängliches. Damals habe er "alle möglichen Leute" zu verschiedensten Themenbereichen kontaktiert, um Vorschläge für die anstehenden Regierungsverhandlungen einzuholen, sagt er.

Im Oktober 2018 wurde der Prikraf dann unter Türkis-Blau um 15 Millionen Euro aufgestockt und die Privatklinik Währing darin aufgenommen. Wie es zu der Gesetzesänderung kam, wird in den nächsten Tagen bei den Zeugenbefragungen im Fokus stehen. Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt. Ein Urteil könnte am Freitag fallen.