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Ein U-Ausschuss, zwei Welten

Von Simon Rosner

Politik

SPÖ und ÖVP präsentierten ihre Sichtweisen auf den U-Ausschuss. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein.


Zwischen den Parlamentsklubs von SPÖ und ÖVP am Heldenplatz liegen nicht einmal fünfzig Schritte. Die beiden temporären Bauten sehen von außen identisch aus, und auch von innen sind die Unterschiede marginal. Wer sich aber zuerst hüben, dann drüben schildern lässt, welche Erkenntnisse aus dem Ibiza-Untersuchungsausschuss gezogen wurden, stößt auf zwei völlig unterschiedliche Realitäten. Und diese sind so weit entfernt, dass ein Austausch von Argumenten, wie er der Politik grundsätzlich inhärent sein sollte, fast sinnlos erscheint.

"Die türkis-blaue Regierung war käuflich. Verfahrensrichter Pöschl sagt dasselbe", erklärt Kai Jan Krainer, Fraktionsführer der SPÖ. Sein Gegenüber von der ÖVP, Andreas Hanger, verweist ebenfalls auf den Bericht von Wolfgang Pöschl, kommt aber zu einem diametralen Schluss: "Es gab keinen Gesetzeskauf, und das steht alles drin."

Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass Parteien zu ein und demselben Vorgang oder, wie in dem Fall, einem Bericht selektive Wahrnehmungen haben. Aber so unterschiedlich? Krainer bezieht sich in seiner Bewertung konkret auf den Prikraf. Das ist jener Fonds, aus dem Privatkliniken öffentliche Mittel erhalten, wenn sie Leistungen erbringen, die auch öffentliche Spitäler anbieten. Wegen des Verdachts des Gesetzeskaufs steht derzeit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor Gericht.

Doch laut Pöschl fand der U-Ausschuss auch einen anderen Profiteur der Aufstockung des Fonds, nämlich die Premiqamed Group, eine 100-Prozent-Tochter der Uniqa Versicherung. Von der Aufstockung des Fonds um 14,7 Millionen Euro nach der Aufnahme der von Strache protegierten Privatklinik Währing erhielt die Premiqamed mit ihren etlichen Standorten im Jahr 2019 vier Millionen Euro, die kleine Privatklinik Währing 17.000 Euro. Auffallend waren für den Verfahrensrichter zwei Spenden der Premiqamed Group an die ÖVP in der Höhe von insgesamt 50.000 Euro.

Dass mit diesen Spenden die Erhöhung der Mittel aus dem Prikraf von der Bundesregierung erkauft wurde, wie das Krainer deutet, schreibt Pöschl in seinem Bericht nicht. Aber: "Ein Zusammenhang mit der für die Premiqamed Group vorteilhaften gesetzlichen Erhöhung liegt nahe." An anderer Stelle unterstellt der Verfahrensrichter, dass die Spende "begünstigend auf die Willensbildung in der ÖVP einwirken sollte".

Einigkeit nur bei Liveübertragungen

Für Hanger hat die Erhöhung des Prikraf eine sachliche Rechtfertigung, da die Privatkliniken dieselben Leistungen günstiger anbieten als öffentliche Spitäler. Man müsse eher den Fonds noch höher dotieren. "Die Spende hatte damit überhaupt nichts zu tun", sagte er. "Sie wurde an die Compliance-Abteilung gemeldet und veröffentlicht. Und ich mache ja keine öffentliche Spende, um mir ein Gesetz zu kaufen." Die Vorgänge um die Premiaqmed werden auch staatsanwaltschaftlich geprüft.

Auch in einem anderen Punkt, dem Postenschacher zwischen ÖVP und FPÖ bei der Staatsholding Öbag und den Casinos, interpretiert Hanger die Erkenntnisse Pöschls völlig anders als die SPÖ, die den Postenschacher als erwiesen ansieht. Laut Hanger sei im Bericht hingegen "klar festgehalten, dass kein Beleg dafür gefunden werden konnte, dass ein Zusammenhang besteht", sagte er.

Einen Beweis, im Sinn eines Dokuments oder einer Aussage, die den Abtausch der Vorstandsposten bei Öbag und Casinos eindeutig belegt, fand Pöschl tatsächlich nicht. Er schreibt aber, dass eine Verschränkung aufgrund der Untersuchungsergebnisse "in hohem Maße wahrscheinlich" sei.

Ähnlich der FPÖ sieht auch die SPÖ, dass die ÖVP einen "Staat im Staate" etabliert habe, dass türkise Netzwerke an rechtsstaatlichen Institutionen vorbei mit einander kommunizieren, vor allem im Justiz-, im Innen- und im Finanzministerium. Die Minister seien "Ministeriumssprecher" gewesen, während die dort (teilweise) neu installierten Generalsekretäre Entscheidungen getroffen und Weisungen erteilt haben. "Man hat die Ministerverantwortung abgeschafft", sagt Krainer.

So hart fällt der Befund Pöschls nicht aus. Weder sah er türkise Netzwerke noch einen Staat im Staate, und in der Frage der politischen Einflussnahme bei Ermittlungen fand er keine "konkreten Anhaltspunkte", jedoch könne man ein "derartiges Verhalten" auch nicht ausschließen.

Im Fall von Thomas Schmid sieht aber auch Pöschl eine "dominierende" Rolle als Generalsekretär im Ministerium. FPÖ-Staatssekretär Herbert Fuchs sei zwar formal für das Glücksspiel zuständig gewesen, die Glücksspielabteilung habe aber per Dienstanweisung nicht direkt mit Fuchs kommunizieren dürfen, sondern nur über das Büro von Schmid, einem Vertrauten von Kanzler Kurz.

Es gibt so gut wie keinen Aspekt, bei dem SPÖ und ÖVP in Sachen U-Ausschuss in Verhandlungsnähe kommen. Hanger warf Krainer wörtlich "Profilierungsneurosen" und "unglaubliche Methoden und Entgleisungen" vor. Und auch bei möglichen Reformen als Konsequenz der Untersuchungen gehen die Sichtweisen weit auseinander. Nur in einem Punkt nicht, er betrifft den U-Ausschuss selbst. Beide Parteien wünschen sich künftig Liveübertragungen von Befragungen von Politikern, selbstredend aber aus diametralen Motiven: Die ÖVP will damit zeigen, wie sich die Opposition gebärdet, die SPÖ, wie türkise Politiker die Untersuchungen zu behindern versuchen.

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