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Klimaticket-Start - ohne die Ostregion

Von Martina Madner

Politik

In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland dürfte der Umstieg auf öffentliche Verkehrmittel den Bund teuer kommen.


Es ist ein Tag, an dem sich Oberösterreichs ÖVP und FPÖ mit den Grünen in den Wahlkampf begeben - und einander besonders freundliche Worte ausrichten. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) und Infrastruktur-Landesrat Günther Steinkellner (FPÖ) dankten Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. "Ein Danke, dass uns das gemeinsam gelungen ist", sagte etwa Stelzer.

Es ist der Tag, an dem der Start des 1-2-3-Tickets, nunmehr Klima-Ticket genannt, in sechs Bundesländern mit 26. Oktober 2021 verkündet wird. Um 949 Euro beim Start, später um 1.095 Euro pro Jahr, kann man das komplette Netz des öffentlichen Verkehrs in Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Tirol und Vorarlberg sowie ÖBB-Zug und Schnellbahnen wie Westbahn österreichweit nutzen. 150 Millionen Euro lässt sich der Bund die Ausgleichszahlungen für Verkehrsverbünde und -unternehmen künftig Jahr für Jahr kosten. Gewessler gibt sich motiviert, dass viele ihr Auto stehen zu lassen, denn: "Jeder Kilometer, den ich mit den Öffis und nicht mit dem Auto fahre, ist gut für das Klima."

Warum die Ostregion im Moment noch fehlt

Wien, Niederösterreich und das Burgenland sind trotzdem noch nicht dabei. Der Grund: Trotz mehr als 40 Verhandlungsrunden mit dem Verkehrsverbund Ost-Region (VOR), trotz "guter Gespräche im Sommer" sei man "noch nicht am Ziel", sagt der niederösterreichische Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP). "Die größte Tarifreform aller Zeiten muss auf allen Tarifstufen finanziell und organisatorisch gut durchdacht sein."

Zwar gibt sich Gewessler "zuversichtlich, die Verhandlungen konstruktiv abschließen zu können", ein Einstieg der drei fehlenden Bundesländer sei auch schon am 26. Oktober möglich. Während die Ministerin noch Beispiele dafür angibt, dass ÖBB-Strecken in Niederösterreich mit dem Klimaticket günstiger zu befahren sind, schränkt der VOR per Aussendung ein: "Auf Basis der bestehenden Verbundverträge trifft dies jedoch nicht auf den Regional- und Nahverkehr zu." Das Ticket habe "keine Gültigkeit" in Wiener S-Bahnen, den Wiener Lokalbahnen, der Raaberbahn und der Niederösterreichbahn. "Auf ÖBB-Strecken gilt es schon, das wurde im Klimagesetz und in der zugehörigen Verordnung festgelegt ist. Das Gesetz schlägt den VOR-Vertrag", heißt es aus dem Ministerium gegenüber der "Wiener Zeitung". Überall dort, wo die ÖBB Züge stellt, könne man mit Klimaticket fahren. "Das heißt, Sie können es für die Strecke Wien-Mistelbach mit der Schnellbahn nutzen, nicht aber in der U-Bahn der Wiener Linien oder der Mariazellerbahn".

Für Busse und VOR-Bahnen braucht es also tatsächlich noch Verhandlungen. Laut VOR spießt es sich vor allem am Finanziellen: "Der für die Ostregion vorgesehene Finanzierungsbetrag reicht bei Weitem nicht aus. Alleine für die Abgeltung der Erlösausfälle wird ein dreistelliger Millionenbetrag benötigt."

Potenziale zu heben geht kaum kostengünstig

Der Umstieg auf den öffentlichen Verkehr dürfte teuer werden. Die Ost-Region mit Wien, Niederösterreich und dem Burgenland stellt mit 3,9 von 8,9 Millionen fast die Hälfte der österreichischen Bevölkerung. Die letzte österreichweite Studie von 2013/14, wie Österreich unterwegs ist, zeigte, dass in Niederösterreich nur 13 Prozent der Wege mit öffentlichen Verkehrmittel zurückgelegt wurden, 56 Prozent aber mit dem eigenen motorisierten Fahrzeug. Zum Vergleich: In Vorarlberg waren zwar auch nur 13 Prozent öffentlich unterwegs, mit dem eigenen Pkw fuhren mit 44 Prozent aber weniger, das Rad ist weiter verbreitet. "Das Rheintal hat eine sehr hohe Siedlungsdichte für ein vermeintlich ländliches Bundesland, bessere Voraussetzung für nicht motorisierten Verkehr als das Waldviertel", stellt Oliver Roider vom Boku-Institut für Verkehrswesen fest. Für den Umstieg aufs öffentliche Verkehrsmittel sei nicht nur der Preis, sondern auch die Erreichbarkeit und Frequenz ausschlaggebend.

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TU-Wien Verkehrplanungsforscher Tadej Brezina zeigt in einer Studie für die AK Niederösterreich, dass der Anteil Erwerbstätiger, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen, die alle 20 Minuten fahren und im Umkreis von höchstens 500 Metern erreichbar sind, in Niederösterreich mit 1,2 Prozent äußerst gering ist. Für mehr als ein Drittel sind sie äußerst unattraktiv, die Haltestelle ist etwa weiter als 1,25 Kilometer entfernt. "Da hilft weder der Preis noch eine Taktverdichtung etwas, dass jemand, der einmal im Auto sitzt, in Bahn oder Bus umsteigt", sagt Brezina. Die Studie geht von zumindest 15 Milliarden Euro jährlich aus, um den öffentlichen Verkehr zu attraktivieren. Getan ist damit nicht alles, denn: "Schwere Fehler der Vergangenheit wie Streusiedelungen, die nur mit dem Auto erreichbar sind, zu reparieren, geht nicht von heute auf morgen. Da kann ich noch so viel Öffiverkehr anbieten, der lässt sich dann effizient nie bewirtschaften."