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Warum die Impfbereitschaft stagniert

Von Lydia Mitterbauer

Politik

Die Angst vor Nebenwirkungen ist nach wie vor hoch, und viele fühlen sich nicht ausreichend über die Wirkung informiert.


Wurden anfangs all jene, die zur Corona-Schutzimpfung zugelassen wurden, fast schon elitär behandelt, so touren mittlerweile Impfbusse durch Österreich, um die Ungeimpften zu erreichen. Zunehmend kristallisieren sich all jene, die sich bewusst nicht impfen lassen wollen, heraus. Und das sind im EU-Vergleich recht viele.

Am Mittwoch wurden in Österreich 10.428 Corona-Impfdosen verabreicht. Am Vortag waren es noch 15.911 Stiche. Bisher sind 58,4 Prozent der Bevölkerung vollimmunisiert - damit liegt Österreich unter dem EU-Durchschnitt. Während Österreich im Frühjahr noch zu den Spitzenreitern zählte, ist die Anzahl der Corona-Impfungen nun nur noch im Balkan und Osteuropa niedriger. Auch innerhalb Österreichs ist die Durchimpfungsrate in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Im Burgenland sind bereits rund 68,8 Prozent vollimmunisiert, in Oberösterreich sind es nur etwa 57 Prozent.

Die Impfbereitschaft in Österreich stagniert, die Anzahl der Erststiche geht zurück. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Sowohl Alter, politische Gesinnung und Wohnort können eine Rolle spielen. Nach wie vor haben jedoch auch viele Österreicherinnen und Österreicher Bedenken in Bezug auf mögliche Nebenwirkungen.

Im Zuge einer Panelumfrage der Universität Wien werden regelmäßig 1.500 Personen wiederholt zur aktuellen Situation befragt. Es hat sich gezeigt: Die Impfbereitschaft war seit Dezember 2020 stetig gestiegen und auch die Besorgnis um mögliche Nebenwirkungen zurückgegangen. Erstere stagniert mittlerweile jedoch, und nach wie vor befürchten 34 Prozent der Befragten Nebenwirkungen. Zwischen geimpften, impfbereiten, zögerlichen und nicht-impfbereiten Personen sind dabei signifikante Unterschiede erkennbar. Bei den Geimpften machen sich etwa rund 17 Prozent Sorgen um unvorhergesehene Nebenwirkungen. Bei ungeimpften Personen liegt der Anteil bei 85 Prozent. 55 Prozent der zögerlichen Personen befürchten ebenfalls Nebenwirkungen, bei den Impfbereiten sind es 40 Prozent.

Land der Impfskeptiker

Dass Österreich mit einer stagnierenden Impfbereitschaft zu kämpfen hat, liegt jedoch nicht nur an der Corona-Impfung. Generell werden hierzulande Impfungen oft skeptischer angesehen als etwa in anderen Ländern. "Insbesondere bei Frauen ist die Skepsis generell höher, da sie mehr mit Kinderimpfungen zu tun haben und sich verantwortlich beim Auftritt von Nebenwirkungen bei ihren Kindern fühlen", so Katharina Paul vom Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Auch das zentrale Impfsystem sei in anderen Ländern - wie etwa in Dänemark - oftmals besser aufgestellt.

Im Juni 2021 meinten außerdem 21 Prozent der Panelumfrage-Teilnehmer in Österreich, dass behördliche Impfstoffe nicht sicher seien. Während 65 Prozent der Geimpften und 50 Prozent der Impfbereiten die Impfstoffe für sicher hielten, waren es bei den Zögerlichen demnach nur 13 Prozent und gar nur 3 Prozent bei den Nicht-Impfbereiten. 44 Prozent der Befragten gaben an, sich nicht ausreichend über die Wirkung informiert zu fühlen.

Vor allem Zögerliche und Nicht-Impfbereite orten mangelnde Aufklärung durch die Behörden. Auch mangelnde Information und Zweifel am Nutzen der Impfung können bei zögerlichen Personen Einfluss auf die Entscheidung nehmen: Viele Sorgen resultieren laut Paul unter anderem aus dem Umgang mit der Unsicherheit der Menschen. Hierbei sei es nun wichtig, den Fokus auf die Motivation der Impfbereiten zu legen. "Oft werden Menschen von Selbstschutz und Fremdschutz zur Impfung motiviert. Anstatt Zögerliche anzuprangern, sollten wir mehr Informationen über die Motivation der Impfbereiten verbreiten."

Selbstschutz im Vordergrund

Wenn es um den Nutzen der Impfung geht, war der Selbstschutz bisher zumeist im Vordergrund. 65 Prozent gaben an, durch die Impfung geschützt zu werden, wohingegen nur 51 Prozent denken, dass eine Impfung auch andere schützen könnte. Dass die Impfung ein Leben wie vor der Pandemie ermöglichen würde, glauben aktuell 35 Prozent der Befragten. Sowohl beim Glauben an den Selbstschutz als auch den Fremdschutz ist der Anteil bei den Geimpften am höchsten.

Während sich Geimpfte und Impfbereite einigermaßen gut informiert fühlen und Vertrauen in die Sicherheit der Impfstoffe haben, hegen Zögerliche und Nicht-Impfbereite Zweifel an der Sicherheit und am Nutzen der Corona-Impfung. Viele von ihnen wollen lieber auf ihr eigenes Immunsystem setzen.

Es wäre jedoch durchaus möglich, dass sich Zögerliche dennoch für eine Impfung entscheiden, würden sie sich besser informiert und aufgeklärt fühlen. Paul zufolge könnte dies durch mehrere Faktoren geschehen. Einerseits sollte auf Standardisierung in der Praxis gesetzt werden. Sie schlägt vor, dass Ärzte etwa aktiv fragen, ob der jeweilige Patient schon geimpft sei. Anschließend solle auf die nächste Impfstation hingewiesen werden. Ebenso sollten Apotheker auf Impf-Standorte hinweisen. Neben Ärzten und Apothekern sollten jedoch auch Pflegekräfte auf die Corona-Impfung aufmerksam machen. Ihnen werde oft mehr Vertrauen als den "Göttern in Weiß" entgegengebracht, meint sie.

Neben der Standardisierung in der Praxis rät Paul auch dazu, mit mehr Sensibilität auf Zielpersonen zuzugehen. Impfbusse, die bereits vielerorts unterwegs sind, bewertet sie als durchaus positiv. "Das Angebot sollte jedoch schneller gehen und mehr werden", so Paul. Laut ihr würde sich hier eine Investition definitiv lohnen.