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Der "Pate" und die Kindergärten

Von Daniel Bischof

Erstes Urteil im Prozess gegen Gruppe, die Fördergelder für Kindergärten erschlichen haben soll.


Ob er Vorstrafen habe, fragt der Richter den Angeklagten. "Ist abgelaufen", antwortet der Mann. "Das ist ein bisschen optimistisch ausgedrückt", sagt der Richter. Der Angeklagte P. habe ja eine Vorstrafe wegen Urkundenfälschung: "Gefühlt aber war das damals für Sie wohl ein Freispruch."

Damals, im November 2016, saß der Kindergarten-Betreiber P. ebenfalls vor dem Strafrichter. Im Namen von Kindergarten-Vereinen hatten P. und eine Mitarbeiterin mehrere Objekte in Wien gemietet. Die Mieten sollen sie großteils schuldig geblieben sein, zudem seien den Vermietern durch falsche Angaben Investitionszuschüsse herausgelockt worden, so die Anklage. Genügend Beweise gab es nicht, der Schöffensenat sprach die beiden davon frei. Übrig blieb ein Schuldspruch wegen Urkundenfälschung: P. bekam eine bedingte Haftstrafe von drei Monaten, die Frau fasste vier Monate bedingt aus.

Angeklagter setzte sich ab

Am Donnerstag müssen sich die beiden abermals vor einem Schöffensenat des Wiener Straflandesgerichts verantworten. Erneut geht es um P. und mutmaßliche Betrügereien rund um Kindergärten. Mithilfe eines Vereinsnetzwerkes sollen P. und die Mitarbeiterin - eine Buchhalterin - zwei Millionen Euro an Fördergeldern von der Stadt Wien ergaunert haben. Ihnen wird schwerer, gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Ebenfalls angeklagt sind zwei Männer, die mitgeschnitten haben sollen: Nur einer von ihnen erscheint zum Prozess, ein anderer hat sich in die Türkei abgesetzt.

Der Hintergrund: Die Wiener Magistratsabteilung 10 betreibt städtische Kindergärten, fördert aber auch private Trägerorganisationen, die Kindergärten betreiben. Der 37-jährige P., ein ausgebildeter Integrationscoach, hat hier laut Anklage mit seinen Betrügereien angesetzt. Im Jahr 2010 habe sich P., ein Österreicher mit türkischen Wurzeln, entschlossen, einen islamischen Kindergarten in der Brigittenau zu errichten, so die Staatsanwältin.

Über den Dachverein, der den Kindergarten betrieb, soll er ein Netzwerk an weiteren Vereinen geschaffen haben. Diese Vereine waren ebenfalls als Betreiber von Kindergärten ausgewiesen. Als Obmänner soll P. Strohmänner eingesetzt haben, in Wirklichkeit aber die Fäden im Hintergrund gezogen haben. "All die Vereine sind bei ihm zusammengelaufen", so die Anklägerin.

Der von P. betriebene Kindergarten erhielt von der MA 10 zwischen September 2013 und April 2015 1,8 Millionen Euro an Förderungen. Die dafür notwendigen Bestätigungen wurden laut der Anklage großteils gefälscht. P. soll auch Fördergelder für Kinder bekommen haben, die es gar nicht gab. Zahlungen und Darlehen ohne entsprechende Ansprüche sollen zwischen den Vereinen untereinander erfolgt sein, auch nachdem diese erkennbar zahlungsunfähig waren.

"Das Geld müsste es geben"

P. und die Mitarbeiterin bekennen sich nicht schuldig. P. werde von der Anklage eine "Patenstellung" zuerkannt, obwohl dieser mittellos sei, sagte sein Verteidiger. "Dieser Pate war er nicht. Das Geld müsste es geben, wenn er all die Vorwürfe begangen hat." Doch habe P. weder ein Auto noch eine "gescheite Zahnprothese". Das Geld könne vielmehr bei jenem Angeklagten, der sich in die Türkei abgesetzt hat, sein.

Schuldig plädiert der vierte Angeklagte, der Obmann eines Vereines war und Gelder verwaltete. "Was mir die Staatsanwältin vorwirft, ist alles richtig", sagt er: "Es tut mir leid." Der Mann hatte mit einer Sachverhaltsdarstellung im Jahr 2015 das Verfahren überhaupt erst losgetreten.

Der Richter verurteilt den Mann wegen Untreue zu einer bedingten Haftstrafe von acht Monaten. Es handle sich bei der dem Mann vorgeworfenen Schadenssumme von 100.000 Euro zwar um einen erheblichen Betrag. Allerdings sei der Mann unbescholten, geständig und habe wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen, so der Richter. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Das Verfahren gegen die restlichen Angeklagten geht am 2. Dezember weiter. Mit einem raschen Urteil ist nicht zu rechnen: In der Verhandlung sollen mehr als 40 Zeugen aussagen.