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Ischgl-Auftakt mit Medienauflauf

Von Daniel Bischof

Erster Prozess in Causa Ischgl: Familie klagt Republik auf Schadenersatz. Urteil ergeht schriftlich.


Eine Richterin, die den Journalisten zu Beginn erklärt, worum es in dem Verfahren geht, was die Parteien wollen und welche Rechtsfragen zu klären sind: Das kommt nicht alle Tage vor. Am Freitag aber nimmt sich die Richterin im Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen die Zeit, die Medienvertreter in das Verfahren einzuführen. Auch wenn das nicht "üblich" sei, wie sie sagt.

Unüblich ist so manches an der Verhandlung, die im Festsaal des Justizpalastes stattfindet. Die Witwe und der Sohn eines Mannes, der sich im März 2020 im Tiroler Wintersport Ischgl mit dem Coronavirus angesteckt hat und später daran verstarb, haben eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich erhoben. Sie werfen den Behörden Versäumnisse rund um die Ausbreitung des Coronavirus in Ischgl vor. In ihrer Klage machen sie Schmerzengeld, die Begräbnis- und Pflegekosten sowie einen Trauer- und Schockschaden geltend.

Es gehe ihnen nicht um das Geld, sondern Gerechtigkeit, sagt der Sohn des Verstorbenen vor der Verhandlung. Sollte es zu einer Zahlung kommen, werde er das Geld spenden, erklärt er. Sein Anwalt, Klagevertreter Alexander Klauser, führt aus: Das primäre Anliegen seiner Mandanten sei, dass die Republik Verantwortung für Ischgl übernehme.

Die Causa Ischgl hat seit dem März 2020 enormes mediales Interesse auf sich gezogen - und sie tut es auch noch heute. Rund 60 Journalisten haben sich für die Verhandlung akkreditiert - außergewöhnlich für einen Zivilprozess in Österreich. Darunter auch zahlreiche internationale Medienvertreter, viele von ihnen aus Deutschland.

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Mehrere Vorwürfe der Kläger

Die Kläger monieren, dass die Behörden zu langsam in Ischgl vorgegangen und die notwendigen Maßnahmen zu spät erlassen worden seien. So wären Schließungen und Quarantänemaßnahmen früher notwendig gewesen, ebenso hätte eine Reisewarnung ausgesprochen werden müssen. Durch eine schlechte Kommunikation sei auch für eine "chaotische Abreise" und Ausbreitung des Virus gesorgt worden.

Die Republik Österreich - im Prozess vertreten durch die Finanzprokuratur - bestreitet das: Aus damaliger Sicht seien von den Behörden alle erforderlichen Schritte gesetzt worden.

Die Richterin schränkt den Prozess auf die Frage ein, ob dem Grund nach überhaupt eine Amtshaftung und damit Schadenersatzpflichten bestehen. Erst wenn das bejaht werde, könne über die Höhe der Ansprüche verhandelt werden. Damit geht es im Prozess vorerst um den Knackpunkt: Muss die Republik für ein Tun oder Unterlassen ihrer Organe in der Causa Ischgl haften?

Lange Debatte um Fragen

Einen Vergleich, wie ihn Anwalt Klauser in den Raum stellt, lehnt die Finanzprokuratur ab. Und auch im weiteren Prozess bleiben sich die beiden Parteien uneinig. Eine Debatte um die Zulässigkeit von Fragen zieht sich: Klauser fragt die Finanzprokuratur lange und ausführlich zu mutmaßlichen Versäumnissen der Tiroler Behörden und des Bundes in Ischgl.

Diese Fragen müsse man in einem etwaigen Beweisverfahren an die Zeugen richten und nicht zum Prozessauftakt stellen, entgegnen die Vertreter der Finanzprokuratur. Auch die Richterin ist wenig erfreut über die langen Fragen des Anwalts. Es entstehe für sie der Eindruck, dass Klauser den anwesenden Medienvertretern "Inhalte vorbringen" wolle: "Machen Sie das bitte später." Denn alles, was Klauser nun vorbringe, habe er ohnehin schon in seinen Schriftsätzen vorgebracht.

"Es geht mir nicht darum, dass ich ein Medienspektakel inszenieren will", sagt Klauser. Er habe diese Fragen erst jetzt stellen können, da er erst vor Kurzem neue Informationen bekommen habe.

Die Richterin lehnt letztlich die Beweisanträge des Klägers ab und schließt die Verhandlung. Ein Beweisverfahren mit Zeugenbefragungen sei nicht erforderlich, da alle nötigen Unterlagen und Erkenntnisse für die Beurteilung vorliegen würden. Vielmehr müssten nur mehr diverse Rechtsfragen geklärt werden. Dafür benötige es eine "umfangreiche Recherche", so die Richterin. Das Urteil ergeht vermutlich schriftlich.

Die Verhandlung ist nur der der Auftakt eines Prozessreigens: Sieben weitere Verhandlungen im September und Oktober wurden bereits festgelegt. Am 27. September wird etwa der Fall eines deutschen Ischgl-Urlaubers verhandelt, der sich angesteckt und die Infektion nicht überlebt hat.

Die Amtshaftung ist eine Ersatzpflicht des Staates für Schäden, die hoheitlich tätige Organe verursachen. Rechtsgrundlage ist das Amtshaftungsgesetz. Haftbar ist dabei der Rechtsträger, dem das Organ zuzurechnen ist (Bund, Länder, Gemeinden).