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Beratung für Arbeitnehmer ohne Papiere erhält Dreijahresförderung

Von Martina Madner

Politik

Das Sozialministerium fördert die Beratungsstelle Undok, die pandemiebedingt mehr zu tun hatte, mit 480.000 Euro.


Nico R. war zehn Monate als Helfer am Bau beschäftigt. Mit seinem Arbeitgeber hatte er einen Stundenlohn von 8 Euro vereinbart. Bezahlt wurde er bar und auf die Hand, ohne schriftlichen Arbeitsvertrag. Die Adressen der Baustellen gab ihm der Polier per SMS bekannt. Pro Woche kam R. auf 40 bis 45 Stunden, führte über die Stunden genau Buch. Am Ende eines Monats aber wurden ihm um 60 Euro zu wenig bezahlt, in einem anderen 450 Euro weniger als ausgemacht.

Es ist ein typischer Fall für die Beratungsstelle Undok, einen Verband zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender, an die sich auch Niko R. wandte. Der Verein wurde 2014 als Kooperation zwischen den Gewerkschaften, der Arbeiterkammer, der ÖH sowie verschiedener NGO von Migrantinnen und Migranten gegründet. Seither unterstützt er Personen mit keinem oder nur eingeschränktem Arbeitsmarktzugang, also jene "ohne Papiere" bei arbeits- und sozialrechtlichen Fragen genauso wie bei Arbeitsausbeutung. Der Österreichische Gewerkschaftsbund stellte die Räumlichkeiten bereit, das Sozialministerium bezahlte die Personalkosten.

Als Beate Hartinger-Klein für die FPÖ Arbeits- und Sozialministerin war, stand die Beratungsstelle 2018 beinahe vor dem Aus, erhielt dann weniger Geld als davor. Künftig wandert die Förderung vom Arbeitsministerium wieder ins nun grüne Sozialressort von Wolfgang Mückstein. Dieser ermöglicht der Beratungsstelle nun einen Drei-Jahres-Fördervertrag über insgesamt 480.000 Euro.

Probleme der FPÖ mit Beratung für Undokumentierte

Schon 2014 äußerten sich die Freiheitlichen kritisch gegenüber der Beratungsstelle. Die Abgeordnete Dagmar Belakowitsch echauffierte sich damals in einer parlamentarischen Anfrage darüber, dass Personen ohne Arbeitsgenehmigung, die in ihren Augen "in vollem Bewusstsein" gegen österreichisches Recht verstoßen würden, auf Kosten "der österreichischen Steuergeld- und Zwangsbeitragszahler beraten" würden. Auch der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker sah in Undok eine "glatte Verhöhnung" gesetzeskonform Arbeitender, eine "Schnapsidee" und einen "Fall für die Justiz". Der damalige Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) stellte klar, dass man gegen Lohn- und Sozialdumping nur dann wirksam vorgeht, wenn man nicht nur Schwarzarbeit an sich bekämpft, sondern "auch undokumentierte Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützt, zu ihren Rechten zu kommen und diese gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen".

Ende Mai 2018 ließ Ministerin Beate Hartinger-Klein die Beratungsstelle beinahe bis zum Auslaufen der Förderung in der Luft hängen und verlängerte sie dann doch noch. Sie kürzte die Förderung allerdings, indem die 130.000 Euro nicht mehr für ein Jahr, sondern für 19 Monate vergeben wurden. Die "Wiener Zeitung" berichtete. Die Interimsregierung verursachte keine Probleme. Unter Türkis-Grün war zunächst das Arbeitsministerium zuständig, Undok erhielt zuletzt 150.000 Euro jährlich an Fördergeldern. Künftig ist wieder das Sozialressort zuständig. Laut Mückstein ist das gut so: Der Verein leiste "wertvolle Arbeit", die ihm "ein großes Anliegen" sei: "Denn die ohnehin prekäre Lage von undokumentiert arbeitenden Menschen hat sich in der Covid-19-Pandemie zusätzlich verschlechtert. Es ist daher umso wichtiger, dass Betroffene ihre Rechte kennen und professionell beraten werden."

Impfung auch ohne Sozialversicherung möglich

Schon im Zuge des ersten Lockdowns zeigte sich, dass jene mit prekärer Leiharbeit und in der Landarbeit besonders von den wirtschaftlichen Einbrüchen betroffen waren. Jenen, die undokumentiert arbeiteten, fehlte aber nicht nur jegliches soziale Sicherheitsnetz, sondern oft auch die Sozialversicherung. Ein Jobverlust in der Corona-Krise sei "bitter, weil existenzbedrohend, und neue Arbeit lässt sich kaum finden", sagte Susanne Kimm, Beraterin bei Undok schon damals. "Die Menschen hatten keinen Zugang zu Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Kurzarbeit oder den Härtefallfonds", ergänzt Undok-Geschäftsleiterin Heidrun Aigner heute. In der Beratung sei es nun nicht mehr nur um vorenthaltenen Lohn gegangen, "sondern darum, wie kann ich mich und meine Familie mit Lebensmitteln versorgen".

Da bei den meisten undokumentiert Arbeitenden sowohl Arbeitssituation als auch Wohnverhältnisse beengt sind, war es für sie schwieriger, sich vor Sars-CoV-2-Infektionen zu schützen. Seit Mai gibt es montags und freitags im Neunerhaus die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, auch ohne Sozialversicherung - und ohne bei der Fremdenpolizei gemeldet zu werden.

Auch Nico R. kam mit Hilfe von Undok und der Gewerkschaft, wo er Mitglied wurde, zu seinem Recht. Nachdem sein früherer Arbeitgeber nicht freiwillig auf die Nachforderungen reagierte, reichte er Klage bei Gericht ein. Das Verfahren dauerte zwar zwei Jahre, letztlich aber endete es mit einem Erfolg: Sein Ex-Arbeitgeber musste ihn im Nachhinein bei der Versicherung anmelden, wegen des Vergleichs erhält er zudem 3.750 Euro sowie ein Dienstzeugnis.