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Boden soll Boden bleiben dürfen

Von Barbara Sorge

Politik
Bei der Bodennutzung treffen viele Interessen aufeinander.
© Simon Rosner

Im Österreichischen Raumentwicklungskonzept (ÖREK) 2030 geht es um viel. Klimawandel und Bodenverbrauch stellen die größten Herausforderungen dar.


Die Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) versucht, einen Blick in die Zukunft zu werfen und mit dem Raumentwicklungskonzept schon jetzt Antworten auf kommende Entwicklungen zu finden. Wie können die knappen räumlichen Ressourcen bestmöglich für das Gemeinwohl genutzt werden? In welchem Zustand sollen Österreichs Landschaften dann sein? Und wie soll die Klimakrise bewältigt werden?

Diese Fragen können nur kompetenzübergreifend geklärt werden. In der ÖROK arbeiten daher - und das schon seit 50 Jahren - Bund, Länder, Städte und Gemeinden zusammen, um für alle zufriedenstellende Lösungen zu finden. Denn eine Landgemeinde hat andere Ansprüche an den Boden als eine Stadt, ein Einzelner andere Interessen als die Gemeinschaft.

Bis 2030 ist nun vorgesehen, im Sinne einer klimaverträglichen und nachhaltigen Raumentwicklung unter anderem die Bodenversiegelung von derzeit durchschnittlich 11,5 Hektar pro Tag auf dann maximal 2,5 Hektar zu verringern - das ist eine Reduktion um 80 Prozent. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die derzeit die Vorsitzende der ÖROK ist, hob die Bedeutung gesunder Böden hervor: "Sie schützen vor Hochwässern und Hitzeinseln, speichern CO2, versorgen uns mit regionalen Lebensmitteln und prägen unser einzigartiges Landschaftsbild."

Bodenverbrauch wächst schneller als Bevölkerung

Wie steht es denn um den Boden, dieses wirksame Mittel im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels? Dazu hat der WWF anlässlich der politischen Sitzung der ÖROK am vergangenen Mittwoch - auch Bodenschutzgipfel genannt - den Bodenverbrauch analysiert. Ein Ergebnis ist, dass bereits eine Fläche von knapp 576.900 Hektar produktiver Böden verloren gegangen ist, was mehr als der doppelten Fläche des Bundeslandes Vorarlberg entspricht.

Auch zeigte sich, dass alle Bundesländer noch weit von einer nachhaltigen Bodennutzung entfernt sind. Während die Steiermark beim täglichen Bodenverbrauch mit 3,3 Hektar Spitzenreiter ist, hat das Burgenland pro Kopf mit einer Fläche von 510 Quadratmetern am meisten verbaut. Gleichzeitig haben die kleinsten Bundesländer Wien und Vorarlberg am meisten für Landwirtschaft und Siedlungszwecke nutzbare Flächen verbaut (Vorarlberg 30 Prozent, Wien 79 Prozent). Seit der Jahrtausendwende ist der Bodenverbrauch in Österreich fast dreimal so schnell gewachsen wie die Bevölkerung.

Die Umweltschutzorganisation forderte daher einen verbindlichen Bodenschutzvertrag für ganz Österreich sowie ein umfassendes Maßnahmenpaket - und bezeichnete nun den Bodenschutzgipfel als verpasste Chance. Denn die "1. Österreichweite Bodenschutzstrategie" wurde - umgehend zwar - auf den Weg gebracht, soll aber erst in einem Jahr "konkrete Aktivitäten, Meilensteine und Zielhorizonte" erarbeitet haben: "Anstatt wirksame Maßnahmen zu beschließen, schafft die Politik wieder nur neue Arbeitsgruppen und oberflächliche Absichtserklärungen. Das ist fahrlässig und verantwortungslos", sagte WWF-Bodenschutzsprecherin Maria Schachinger dazu.

Spannend könnte es auch in der Beziehung zwischen den Städten und Gemeinden werden. Wien verbrauchte nach den Zahlen des Umweltbundesamts in den Jahren 2018-2020 durchschnittlich 0,2 Hektar Boden pro Tag . Und das, obwohl auch mehr als 40 Prozent des Bevölkerungswachstums der vergangenen 15 Jahre in Wien erfolgt ist.

Dennoch wollen sich die Gemeinden nicht zu viel wegnehmen lassen. Am Gemeindetag Mitte September plädierte Gemeindebundpräsident Alfred Riedl (ÖVP) - in dieser Funktion vertritt er auch die Gemeinden bei der ÖROK - zwar gegen die Zersiedelung des Grünraumes. "Aber was wir nicht wollen, ist, dass es im ländlichen Raum nicht mehr möglich ist, ein Eigenheim zu haben", sagte Riedl im September. Er will vor allem die versiegelte Fläche begrenzen, nicht den gesamten Bodenverbrauch. So solle nur die tatsächlich versiegelte Fläche gewertet werden, werde doch bei einem 800 Quadratmeter Einfamilienhaus auch nur ein Teil versiegelt. Der Rest entfalle auf den Garten.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, als Präsident des Städtebunds ebenfalls bei der ÖROk dabei, lobte in einer Aussendung die Bodenstrategie, sieht im Raumentwicklungskonzept 2030 aber fehlenden Mut, "die Bedeutung der Städte für die gesamte Region entsprechend zu priorisieren". Immerhin sieht die ÖROK-Regionalprognose bis 2040 weiterhin ein starkes Wachstum der Ballungsräume wie Wien. Urbane Wohnformen wie Mehrgeschoßwohnbauten beanspruchen weniger als ein Zehntel der Fläche gegenüber klassischen Einfamilienhaussiedlungen. Pro Neubauwohnung werden in Wien 26m2 verbaut, im Burgenland 126m2 und in Niederösterreich 108m2.

Gefördertes Flächenrecycling

Ludwig betont die Wichtigkeit der im ÖREK 2030 geforderten österreichischen Stadtregionspolitik: "Siedlungspolitik und Mobilität dürfen nicht mehr getrennt voneinander gedacht und geplant werden. Nur mit einem Ausbau des öffentlichen Verkehrs in den Städten und ihrem Umland lassen sich die Klimaziele tatsächlich umsetzen", so Ludwig.

Eine Möglichkeit, steigende Bevölkerungszahlen mit einem geringeren Flächenverbrauch zu kombinieren, stellt die Nutzung bereits versiegelter Flächen dar. Das ist für das Klimaschutzministerium ein wichtiger Hebel, um den Flächenfraß zu stoppen. Mit einer Förderung von jährlich zwei Millionen Euro ab 2022 werden Gemeinden bei der Erstellung von Konzepten und Plänen zur effizienten Nutzung von Böden auch finanziell unterstützt.

Das Österreichische Raumentwicklungskonezpt (ÖREK 2030) im Internet