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Das Comeback der FPÖ

Von Daniel Bischof

Politik

Während die durch das Ibiza-Video ausgelösten Ermittlungen die ÖVP nach unten ziehen, steigen die Blauen wieder auf. Eine Analyse.


Die ÖVP im Sog von Korruptionsermittlungen. Die anhaltende Polarisierung der Corona-Politik. Die Rückkehr des Migrationsthemas. Die Aussichten für die FPÖ waren schon schlechter. Mehr als zwei Jahre nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos haben sich die Blauen nicht nur stabilisiert. Ihr Weg zeigt weiter nach oben.

Umfragen stehen wegen der Inseratenaffäre unter besonderer Beobachtung, Trends lassen sich durch sie aber ausmachen. In den Befragungen nach dem Auftauchen der Korruptionsvorwürfe gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) legten die Blauen auf 18 bis 21 Prozent zu, auch die Vertrauenswerte von FPÖ-Chef Herbert Kickl stiegen. Während die durch das Ibiza-Video ausgelösten Ermittlungen die ÖVP immer tiefer mit sich reißen, erstarkt die FPÖ. Das hat mehrere Gründe.

Die Trennung von Ex-Chef Strache

Anfangs wurde die hässliche Trennung von Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache für die FPÖ - vor allem für die Wiener Partei - noch zur Zerreißprobe. Nach heftigen Debatten wurde Strache im Dezember 2019 aus der Partei ausgeschlossen. Bei der Wien-Wahl 2020 trat er mit einer eigenen Liste an. Den Einzug in den Landtag aber schaffte er nicht.

Mittlerweile müsste die FPÖ Strache eine Dankeskarte schreiben. Strache ist politisch bedeutungslos, ins Rampenlicht rückt er nur noch aufgrund seiner Strafverfahren, mehrere sind gegen ihn anhängig. Ein Verfahren endete im August erstinstanzlich mit einem nicht rechtskräftigen Schuldspruch von fünfzehn Monaten bedingter Haft für Strache.

Wären die Partei und Strache eng verbunden geblieben, so wäre die Aufmerksamkeit auch auf der FPÖ hängen geblieben. Die harte Trennung aber schaffte Distanz zwischen ihr und Strache. Und auch der zweite prominente Vertreter auf Ibiza, Ex-FPÖ-Chef Johann Gudenus, bereitet den Blauen keine Probleme: Er ist aus der Öffentlichkeit verschwunden.

Zwei U-Ausschüsse gegen die ÖVP

Im Ibiza-U-Ausschuss zur "mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung" war die Rolle der FPÖ kein großes Thema. Den Blauen gelang es, den Fokus in der öffentlichen Wahrnehmung auf die ÖVP zu legen. Postenbesetzungen in staatsnahen Unternehmen, Einflussnahmen auf Ermittlungen, Korruptionsvorwürfe: Bei diesen Themen ging es stets vor allem um die ÖVP.

Parallel zum U-Ausschuss schritten die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft voran. Im Februar 2021 wurde bekannt, dass Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als Beschuldigter geführt wird. Es folgten im Mai 2021 die Ermittlungen gegen Bundeskanzler Kurz wegen falscher Beweisaussage und die Inseratenaffäre im Oktober. Die ÖVP fand hier keine wirksame Gegenstrategie. Ihre Angriffe auf die Korruptionsstaatsanwaltschaft und verspätete Aktenlieferungen brachten ihr auch Rügen des grünen Koalitionspartners ein.

Eine Entspannung für die ÖVP ist nicht in Sicht: Der neue U-Ausschuss wird sich, so das Verlangen der Opposition, auch offiziell ausschließlich mit den Korruptionsvorwürfen gegen die ÖVP befassen.

Schützenhilfe durch die Opposition und die Grünen

Zwischen der FPÖ und den anderen Oppositionsparteien habe es stets einen fachlichen Austausch gegeben, heißt es aus FPÖ-Kreisen zur "Wiener Zeitung": "Aber im Ibiza-U-Ausschuss war die Kooperation mit den Neos und der SPÖ schon eine sehr gute." Den Antrag zur Einsetzung des neuen U-Ausschusses brachten die drei Parteien dann auch gemeinsam ein.

Wie sich die Verhältnisse geändert haben, zeigte sich bei der möglichen Kanzlerabwahl von Sebastian Kurz. SPÖ, Neos und Grüne waren bereit, mit der FPÖ zusammenzuarbeiten. Dabei gibt es bei der SPÖ einen aufrechten Parteitagsbeschluss gegen eine Koalition mit der FPÖ. War Kickl gerade noch der Paria, der für die geringe Durchimpfungsrate mitverantwortlich gemacht wird, stieg er zum umworbenen Königsmacher auf.

Auch die Verbindungen zur ÖVP wurden nicht gekappt: In Oberösterreich führt die FPÖ ihre Koalition mit der ÖVP fort. Dort musste die FPÖ bei der Wahl, die noch vor der Inseratenaffäre stattfand, nach dem Rekordergebnis 2015 klare Verluste hinnehmen. Sie erreichte mit knapp 20 Prozent aber Platz zwei vor der SPÖ.

Das geschlossene Auftreten der Partei

Der Machtkampf zwischen Kickl und Norbert Hofer wurde öffentlich mit harten Bandagen ausgetragen. Doch hielt dieser nicht lange an. Im Juni wurde Kickl zum neuen FPÖ-Chef gewählt, seither ist in der Partei Ruhe eingekehrt. Sie tritt geschlossen auf. Nur einmal habe es noch eine interne Debatte gegeben - nämlich, ob der Corona-Kurs in Oberösterreich für die Verluste der FPÖ gesorgt oder weitere Verluste verhindert hat, heißt es aus freiheitlichen Kreisen.

Corona, das neue Nischenthema der FPÖ

"Mich hat es nie überzeugt, die FPÖ als reine Anti-Ausländerpartei zu klassifizieren. Sie ist eine opportunistische Partei, eine Protestpartei, die sehr geschickt darin ist, stimmenbringende Themen zu identifizieren und umzusetzen", sagte der Politologe Kurt Richard Luther in einem Interview mit der "Wiener Zeitung".

Nachdem ihr die ÖVP unter Kurz bei der Migration das Wasser abgrub, fand die FPÖ ihre neue Nische in der Corona-Politik. Kickl bedient die Maßnahmen- und Impfgegner. Zu Wochenbeginn kündigte er eine Anzeige wegen Irreführung durch die Impfkampagne an. Weitere rechtliche Schritte behält er sich vor: "Unsere Juristen stehen Gewehr bei Fuß."

Die Unbekannte für die FPÖ ist die Partei Menschen Freiheit Grundrechte (MFG), die in Oberösterreich in den Landtag einzog. Sie bedient sich einer ähnlich scharfen Rhetorik wie die FPÖ, am Mittwoch beklagte sie eine "Treibjagd auf Ungeimpfte". Auch kündigte sie an, sich bundesweit aufstellen und bei den nächsten Nationalratswahlen antreten zu wollen. Bei den Freiheitlichen gibt man sich noch abwartend: So wird dort bezweifelt, dass MFG das Geld und die Organisation für einen bundesweiten Antritt habe.

Aufwind könnte die FPÖ hingegen durch das wieder aufkommende Migrationsthema bekommen. Ein Abrücken von der bisherigen Kurz-Politik in der ÖVP würde der FPÖ wieder mehr Spielraum gehen. "Schauen wir mal, wie die ÖVP nach Weihnachten ausschaut", sagt ein FPÖ-Politiker.