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Drei Stiche und zwei neue Stufen

Politik

Die Corona-Lage wird langsam brenzlig. Der dritte Stich wird vorgezogen, und die Maßnahmen werden verschärft.


Der deutliche Anstieg der Corona-Fallzahlen ab Mitte Oktober schlägt sich seit etlichen Tagen auf den Intensivstationen nieder. Am Dienstag wurde die Schwelle von 300 Covid-19-Intensivpatienten durchbrochen. In nur 24 Stunden stieg die Zahl um gleich 25 Personen auf 317 an, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) erwartet spätestens kommende Woche mehr als 400 Personen auf Intensivstationen. Das hat unmittelbare Folgen, da im Stufenplan der Bundesregierung schärfere Maßnahmen bei diesen Schwellenwerten vorgesehen sind.

Unter anderem wegen des hohen Infektionsgeschehens wird auch der dritte Stich vorgezogen. Diesen sehen Experten mittlerweile als dritten Teil der Grundimmunisierung, nicht mehr als klassische Auffrischung, ähnlich wie bei der Zeckenimpfung. Wie lange der Impfschutz nach dieser Grundimmunisierung bei Covid-19 hält, kann noch nicht gesagt werden und hängt auch davon ab, ob neue Mutationen auftauchen, die den Schutz von Geimpften und Genesenen umgehen.

Das Nationale Impfgremium hat seine Empfehlungen am Dienstag angepasst. Bisher waren vor allem ältere Personen nach sechs Monaten mit der dritten Impfung dran, die Allgemeinbevölkerung erst nach neun Monaten. Nachdem Wien und Vorarlberg am Wochenende vorgeprescht sind, soll nun in ganz Österreich bei allen nach sechs Monaten die dritte Impfung erfolgen.

Wie Ursula Wiedermann-Schmidt, die Vorsitzende des Impfgremiums, präzisierte, können sich alle über 18 Jahre nach sechs Monaten die dritte Impfung holen, gewisse Personengruppe sollen dies nach sechs Monaten tun. Es handelt sich dabei um jene Gruppen, deren Impfschutz generell schwächer ausgeprägt ist.

Dritte Dosis als Infektionsbrecher

Darunter fallen Personen über 65 Jahre, Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, zum Beispiel Krebspatienten, Personen mit Rheuma und Organtransplantierte, außerdem Personen, die mit AstraZeneca geimpft wurden. Der zweite Vektorimpfstoff von Johnson&Johnson wurde nur einmal verabreicht, seine Schutzwirkung wird mittlerweile nicht mehr als ausreichend angesehen, um wirksam gegen die Delta-Variante zu schützen. Sie werden dringend ersucht, sich bald mit einer zweiten Dosis impfen zu lassen. "Ideal ist der Abstand von einem Monat", sagte Mückstein.

Es ist vor allem der Infektionsschutz, der nach ein paar Monaten zu schwinden beginnt, während der Schutz vor schweren Erkrankungen stabiler bleibt. Deshalb liegen nach wie vor nur wenige Geimpfte auf Intensivstationen, und wenn, dann meist, weil sie zu Gruppen mit geschwächtem Immunsystem gehören.

Dass der dritte Stich auch als Infektionswellenbrecher funktionieren kann, haben Erfahrungen aus Israel gezeigt. Bisher wurden in Österreich aber nur 320.000 Drittimpfungen verabreicht, daher ist eine Wirkung auf das Infektionsgeschehen nicht so unmittelbar zu erwarten. Die Belastung in den Spitälern wird daher noch weiter steigen.

Vor genau einem Jahr ist Österreich wegen der Winterwelle in zwei Etappen in den Lockdown gegangen. Dadurch konnte die Welle effektiv gebrochen werden. Den vorläufigen Höchststand auf den Intensivstationen mit 700 Covid-19-Patienten erreichte man dann Ende November. Das hatte erhebliche Einschränkungen bei der Versorgung anderer Patienten und eine massive Belastung des Personals zur Folge. Zahlreiche Operationen wurden abgesagt, und das passiert nun erneut, wie etwa das Land Kärnten am Dienstag mitteilte. Immer mehr Stationen müssen für Covid-19-Patienten umgewidmet werden.

Denn dazu kommt, dass die Spitäler in diesem Winter vermutlich weniger Ressourcen für die Betreuung von Covid-19 freimachen können. Anders als im Vorjahr zirkulieren auch andere Viren vermehrt, derzeit vor allem das RS-Virus, und zwar so stark wie noch nie um diese Zeit, seit es Aufzeichnung gibt, wie die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien berichtet. Das RS-Virus ist zwar harmloser als das Coronavirus, überträgt sich aber über dieselbe Art, ebenso das Influenza-Virus. Weshalb Redlberger-Fritz davon ausgeht, dass in diesem Winter auch die Grippewelle heftiger ausfallen könnte, da die Grundimmunität in der Bevölkerung gegen diese Infekte schwächer ausgeprägt sein dürfte als sonst.

Immer mehr Ausreisekontrollen

Durch das Erreichen der 300er-Grenze bei Intensivpatienten gilt ab 8. November eine 2G-Regel (geimpft oder genesen) in der Nachtgastronomie und bei größeren Veranstaltungen, Wohnzimmertests verlieren ihre Gültigkeit. Ab 400 Intensivpatienten tritt Stufe 3 unmittelbar in Kraft, dann muss für das dritte "G" ein PCR-Test vorgelegt werden, der Antigentest hat als Nachweis ausgedient. Gerade im ländlichen Raum wird das Ausrollen der PCR-Tests zur Herkulesaufgabe. In der Stadt Salzburg waren die PCR-Test-Sets, die über den Handel abgegeben werden, am Dienstag vergriffen.

Ausgeweitet werden durch die nach wie vor steigenden Inzidenzen auch die Ausreisekontrollen in Oberösterreich, wo bereits neun Bezirke betroffen sind. In Niederösterreich im Mostviertel sind es fünf. (sir)