Es war eine Verhandlung, wie sie sich ein Professor für Strafrecht nur wünschen konnte. Bis ins kleinste Detail gingen die juristischen Debatten. Jedes Merkmal des Delikts wurde seziert, wissenschaftliche Literatur en masse zitiert. Alleine das Eröffnungsplädoyer des Verteidigers dauerte eine Stunde.

Dass mit Christian Pilnacek ein langjähriger Sektionschef für die Straflegistik auf der Anklagebank Platz nahm, wurde am Mittwoch im Wiener Straflandesgericht schnell deutlich. Dem derzeit suspendierten Justizbeamten wird die Verletzung des Amtsgeheimnisses (§ 310 Strafgesetzbuch) vorgeworfen. Ein Vorwurf, von dem ihm Richterin Julia Matiasch letztlich freisprach. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft Innsbruck gab keine Erklärung ab.

Ausgangspunkt der Vorwürfe ist der Artikel einer "Presse"-Journalistin, in dem im November 2020 kritische Töne gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angeschlagen wurden. Vertreter der WKStA zeigten die Journalistin daraufhin unter anderem wegen Verleumdung an.

Chat mit "Kurier"-Journalistin

Die Staatsanwaltschaft Wien sah keine Straftat verwirklicht und plante, kein Ermittlungsverfahren gegen die Journalistin einzuleiten. Der entsprechende Vorhabensbericht ging Richtung Oberstaatsanwaltschaft Wien, welche die Dienst- und Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaft Wien innehat. In der Folge erfuhr auch Pilnacek davon. Wer seine Quelle war, gab der Beamte bei der Verhandlung nicht bekannt.

In einem Chat unterhielt sich Pilnacek dann mit einer "Kurier"-Journalistin über die Anzeige und das geplante Vorgehen der Anklagebehörde. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck – sie ist in der Causa die fallführende Behörde – sah dadurch eine Verletzung des Amtsgeheimnisses verwirklicht.

"Heute geht es um Korruption", sagte Staatsanwalt Georg Schmid-Grimburg in seinem Eröffnungsplädoyer. Pilnacek habe sein Insiderwissen verwendet, um die WKStA, mit der er im Clinch lag, zu diskreditieren. Ziel des Beamten sei gewesen, sein Wissen zu missbrauchen und den Journalismus für seine Agenda zu instrumentalisieren.

Pilnacek zeigte sich angriffslustig. Es gehe in diesem Verfahren nicht um Korruption und Missbrauch der Amtsgewalt, so wie ihm das der Staatsanwalt in seinem Plädoyer unterstellt habe, beschwerte er sich: "Das steht ja gar nicht im Strafantrag."

"Anschlag auf Medienfreiheit"

Zu den Vorwürfen bekannte Pilnacek sich nicht schuldig. Ihm sei es nie darum gegangen, die WKStA zu schädigen, sagte er. "Die Anzeige hat mich empört." Er sei der Überzeugung gewesen, dass diese einen "Anschlag auf die Medienfreiheit" darstelle und es sich um ein strukturelles Problem handle: "Wie geht die Justiz mit Kritik um?" Er selbst sei oft im Mittelpunkt medialer Anwürfe gestanden, dennoch wäre er nie auf die Idee gekommen, eine Anzeige deswegen zu machen.

Als belastende Beweise führten die Staatsanwälte die Nachrichten an, die Pilnacek und die Journalistin austauschten. Sie wurden auf Pilnaceks Handy gefunden, das aufgrund einer anderen Causa beschlagnahmt worden war. Dabei geht es um den mutmaßlichen Verrat einer bevorstehenden Razzia bei einem Unternehmer. Die Ermittlungen dazu laufen noch, Pilnacek bestreitet die Vorwürfe.

Pilnacek schrieb an die Journalistin etwa: "Da zeige ich Ihnen etwas, was so erbärmlich ist"; "Bin noch am Überlegen, was ich mit diesem Wissen machen möchte." Er gab an, damals länger mit der Reporterin geschrieben zu haben. Es habe sich um eine vertrauensvolle Atmosphäre gehandelt, dabei sei die Anzeige zur Sprache gekommen.

"Ja, mir ist das passiert", sagte er. Er habe aber keine unmittelbare Berichterstattung dazu verursachen wollen. Diese folgte auch nicht: Die "Presse"-Journalistin machte die Causa selbst publik, nachdem sie von der Einstellung erfuhr.

Richterin Matiasch sprach Pilnacek frei. Sie sah zwar einen Geheimnisverrat gegeben. Das vorgeworfene Delikt setzt aber auch voraus, dass "ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse" durch den Verrat verletzt wird. Das sei nicht der Fall gewesen, so Matiasch.

Einerseits sei nicht das private Interesse der Journalistin verletzt worden: "Ich habe den Eindruck, dass Sie der Überzeugung waren, im Interesse der Frau zu handeln", sagte sie zum Angeklagten. Pilnacek habe "sich hinreißen lassen, etwas zu erzählen, aber dann doch darauf hingewirkt, dass nichts an die Öffentlichkeit dringt".

Kein öffentliches Interesse verletzt

Andererseits sei auch kein öffentliches Interesse verletzt: "Die Tatsache, dass ein Ermittlungsverfahren nicht öffentlich abzulaufen hat, ist nicht gleichzusetzen damit, dass dieses geheim zu sein hat", meinte Matiasch. Nur wenn das Verfahren dadurch erschwert oder verunmöglicht werde, sei das öffentliche Interesse verletzt. Das sei hier ebenfalls nicht der Fall.

Denn auch, wenn es reißerische Berichterstattung gebe, gehe sie davon aus, dass die Justiz fähig sei, ihre Entscheidung unabhängig davon zu treffen.
Der nicht rechtskräftige Freispruch hat keine unmittelbare Wirkung auf Pilnaceks Suspendierung als Leiter der Straflegistik. Der Beamte hat gegen seine Suspendierung Beschwerde eingelegt. Am Zug ist nun der Verwaltungsgerichtshof.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde um 17:15 aktualisiert.