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Was der Lockdown für Ungeimpfte bedeutet

Von Martin Tschiderer

Politik

In Oberösterreich kommen ab Montag Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte, im Rest Österreichs stehen sie bevor. Entsprechen sie der Verfassung? Und wie sollen sie kontrolliert werden?


In Oberösterreich gilt ab Montag ein Lockdown für Ungeimpfte. "Die Situation ist dramatisch", sagte Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Donnerstag. Und auch im Rest Österreichs steht diese Maßnahme bevor. Im Stufenplan der türkis-grünen Bundesregierung ist der Lockdown für Ungeimpfte ab einer Belegung von österreichweit 600 Intensivbetten durch Corona-Infizierte vorgesehen. Laut Corona-Prognosekonsortium ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dieses Szenario spätestens binnen zwei Wochen eintritt. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) bezeichnete die Maßnahme als "vermutlich unvermeidbar". Und auch die Ampel-Kommission warnte in ungewohnter Dringlichkeit davor, dass die medizinische Versorgung vor einer "ernst zu nehmenden Bedrohung" stehe.

Im Lockdown gibt es für Ungeimpfte Ausgangsbeschränkungen, so wie in den bisherigen Lockdowns für alle. Wer nicht immunisiert ist, darf die eigenen vier Wände dann wieder nur aus den bekannten Ausnahmegründen verlassen: körperliche und psychische Erholung etwa, Grundversorgung wie Lebensmitteleinkäufe, Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder für den Weg von und zur Arbeit.

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Ob Vollziehung möglich ist, muss berücksichtigt werden

"Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte kann man aktuell sicher rechtfertigen", sagt der Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Peter Bußjäger zur "Wiener Zeitung". "Weil Ungeimpfte in der Tendenz häufiger und stärker erkranken und vor allem deutlich öfter intensivmedizinisch betreut werden müssen." Das Covid-19-Maßnahmengesetz erlaubt Beschränkungen auch für bestimmte Personengruppen, "um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern", so der Text im Wortlaut.

Es sei daher sachlich gerechtfertigt, Maßnahmen zu beschließen, die bei Ungeimpften größere Kontaktbeschränkungen herbeiführen sollen als bei Geimpften, sagt Bußjäger. Ausgangsbeschränkungen für alle könnten laut Gesetz zwar ebenso beschlossen werden. Allerdings nur, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, um einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern. "Diese Schwelle ist sehr hoch", sagt Bußjäger. Um einen Lockdown auch für Geimpfte zu verhängen, sei sie aktuell wohl kaum erreicht.

Ausgangsbeschränkungen nur für Ungeimpfte sind natürlich deutlich schwerer zu kontrollieren als allgemeine. Funktionieren kann das nämlich nur über Personenkontrollen von einzelnen durch die Exekutive, in denen der 2G-Status gecheckt und mit einem Identitätsnachweis abgeglichen wird. Damit die Regelung auch nur einigermaßen dicht kontrolliert werden könnte, müssten unzählige Polizeieinheiten ausschließlich zu diesem Zweck abgestellt werden - Ressourcen, die die Exekutive bei Weitem nicht hat. Der Kontrolldruck dürfte daher eher sporadisch sein.

"Natürlich muss die Frage berücksichtigt werden, ob die Vollziehung der Maßnahme möglich ist", sagt Bußjäger. Das gelte aber auch für die aktuelle 2G-Regelung in Gastronomie, bei Kultur- und Sportveranstaltungen. Die Kontrolle werde dabei großteils den Betreibern zugemutet, die Polizei kann nur stichprobenartig kontrollieren. "Auch hier ist man davon ausgegangen, dass die Regelung vollziehbar ist", sagt der Jurist.

Reserven der Polizeibeamten "langsam aufgebraucht"

Sollte sich bei den Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte aber ein "massives Vollziehungsproblem herauskristallisieren", sei zu überlegen, ob die Differenzierung noch aufrechterhalten werden könne. In diesem Fall gebe es massive Argumente, in einem zweiten Schritt auch die Geimpften in den Lockdown miteinzubeziehen, sagt Bußjäger. Das entspreche auch der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs.

Planquadrate, in denen Polizistinen und Polizisten wahllos Personen anhalten und deren Impfstatus kontrollieren, sind für manche ein durchaus dystopisches Szenario. Beunruhigt es auch den Verfassungsrechtler? "Sehr beruhigend ist das nicht", sagt er. "Aber ich würde es als zulässig erachten, solange man dadurch schärfere Maßnahmen wie einen Lockdown für alle verhindern kann."

Bei der Exekutive dürfte man jedenfalls noch nicht allzu viel darüber wissen, wie die Kontrollen eines Lockdowns nur für einen Teil der Bevölkerung aussehen könnten - und was in diesem Fall auf die Polizistinnen und Polizisten zukommt. "Das ist für uns aber auch nicht mehr überraschend", sagt der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Reinhard Zimmermann, zu dieser Zeitung. "Wir sind es inzwischen ja schon gewohnt, dass wir recht kurzfristig informiert werden." Nach bald zwei Jahren Überbelastung in der Pandemie seien die Reserven der Polizei aber jedenfalls langsam aufgebraucht, so Zimmermann.