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Schnell noch Party vor dem Lockdown

Von Petra Tempfer

Politik

Kommt der Lockdown, wird vorher gefeiert - und das Virus verbreitet sich. Warum das in Österreich so ist.


Kommt der Lockdown? Dann wird noch einmal gefeiert, und zwar so lange es geht. Und die Maskenpflicht? Da bleibt die Maske bis dahin zuhause, und der Babyelefant gleich dazu - denn er muss ja schließlich nicht mehr mit.

Österreicher sind obrigkeitshörig, könnte man im ersten Moment meinen, wenn man Szenen wie diese erlebt. Soziologin Martina Beham-Rabanser von der Johannes Kepler Universität Linz formuliert es weniger elegant. "Das zeugt von einem stark narzisstischen Denken", sagt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Man hat seinen eigenen Vorteil vor Augen und denkt dabei aber nicht voraus." Die Folge daraus: Solange es erlaubt ist, nützen viele Menschen in Österreich den vollen Rahmen aus - "die soziale Verantwortung wird dabei nicht wahrgenommen", sagt Beham-Rabanser.

Das könnte mit ein Grund sein, warum es in Österreich nun wieder härtere Maßnahmen wie die angekündigten regionalen Lockdowns in Oberösterreich und Salzburg zur Eindämmung des Coronavirus braucht. Aktuell rangiert Österreich weltweit unter den Ländern mit dem intensivsten Erkrankungsgeschehen. Am Donnerstag gab es laut Innen- und Gesundheitsministerium mit 15.145 Neuinfektionen einen neuen Höchststand, und in den vergangenen 24 Stunden kamen 55 Tote hinzu.

"Bei uns ist die Behörde prinzipiell der Feind"

In der EU liegt Österreich laut dem Internet-Portal ourworldindata.org basierend auf Daten der Johns-Hopkins-Universität (USA) mit einem Sieben-Tage-Durchschnitt von 1.345 Corona-Neuinfektionen pro Million Einwohnern hinter Slowenien (1.575). Auf den Rängen drei bis fünf folgen Kroatien (1.265), die Slowakei (1.165) und Tschechien (1.161). Der EU-Durchschnitt liegt bei 421. Am anderen Ende der 17 Staaten umfassenden Vergleichsliste findet man Portugal (165), Spanien (89), Schweden (83) und Israel (49). Nur in Portugal und Spanien sind mehr als 80 Prozent vollimmunisiert.

Es gibt also einen Zusammenhang zwischen hohen Infektionszahlen und geringer Durchimpfungsrate. In Österreich haben derzeit 66 Prozent ein gültiges Impfzertifikat, in Portugal sind es 87 Prozent. Aber selbst in Schweden, wo nur geringfügig mehr Menschen als in Österreich geimpft sind, blieb die Herbstwelle aus. Und das, obwohl dort die meisten Maßnahmen freiwillig sind, genauso wie in Norwegen und Dänemark, die dennoch besser durch die Krise kamen.

Warum? "Sie haben ein viel, viel größeres Vertrauen in die Behörden und in die Wissenschaft, in die Virologie", sagt dazu Hygiene-Facharzt Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien. Das habe sein Erfahrungsaustausch mit Kollegen anderer Länder immer wieder verdeutlicht - und sich im Laufe der mittlerweile mehr als eineinhalb Jahre dauernden Pandemie verfestigt. "Bei uns ist die Behörde prinzipiell der Feind, der einen nur ärgern will", meint Hutter. Daher befolge man nur das Nötigste.

In den skandinavischen Ländern und auch Portugal sei das Vertrauen ins Gesundheitssystem hingegen hoch und der Gedanke an die gesamtgesellschaftliche Gesundheit präsent. Was das alles leichter mache, sei ein zentral organisiertes Gesundheitssystem ohne föderalistischen Reibungsverlust. Der Tageszeitung "Publico" zufolge hat Portugal zudem 2014 ein Programm zur Steigerung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gestartet.

Zu Beginn der Pandemie im März 2020 sei das auch hier in Österreich noch anders gewesen, sagt Beham-Rabanser. Damals überwogen vor allem die große Unsicherheit und die Angst, selbst zu erkranken, die den Widerstand gegen Abstandhalten, Maskentragen oder das Unterlassen von Partys geringgehalten habe. Diese Anpassungsfähigkeit habe aber eine Toleranzgrenze, und die sei längst erreicht - die Motivation, zum Beispiel Masken zu tragen, habe zu bröckeln begonnen.

Legistische Maßnahmen, kombiniert mit Sanktionen

Darum brauche es gerade in Österreich legistische Maßnahmen, und zwar kombiniert mit Sanktionen, sagt Beham-Rabanser. Maßnahmen wie einen Lockdown oder die Ausweitung der FFP2-Maskenpflicht. Aber können regionale Lockdowns unter diesen Vorzeichen überhaupt funktionieren? Oder läuft zum Beispiel Wien Gefahr, falls es bei den Lockdowns nur in Oberösterreich und Salzburg bleibt, dass all jene, die feiern wollen, das in der Hauptstadt tun?