Die Zahlen lassen keinen Spielraum mehr offen: Von Donnerstag auf Freitag 15.809 Neuinfektionen- so viele wie noch nie zuvor - , 48 Tote und 520 Intensivpatienten.

Angesichts dessen haben sich Regierung und Landeshauptleute nach zähem Ringen auf eine Corona-Impfpflicht und auf einen Lockdown für ganz Österreich verständigt. Die Schließungen sollen ab Montag maximal 20 Tage dauern. Die Impfpflicht wird ab Februar 2022 gelten, es drohen Verwaltungsstrafen. Die FFP2-Pflicht kommt in allen Innenräumen, die Präsenzpflicht an den Schulen wird ausgesetzt.

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte, es sei trotz monatelanger Überzeugungsarbeit nicht gelungen, genug Menschen von der Impfung zu überzeugen. Man habe daher keine andere Möglichkeit gesehen, als weitere einschränkende Maßnahmen für andere zu verordnen - "zum Schutz von uns allen". Der Lockdown wird nach zehn Tagen evaluiert und endet "automatisch" am 13. Dezember, so Schallenberg - ab diesem Tag können Handel & Co. wieder aufsperren.

Schulen bleiben offen, kein Breitensport mehr

Der Lockdown für Ungeimpfte besteht aber über diesen Zeitpunkt hinaus. In dieser Zeit werde es auch Wirtschaftshilfen geben. "Diese Entscheidung fällt uns nicht leicht. Aber angesichts des Infektionsgeschehens müssen wir solche Maßnahmen setzen und wir tragen sie alle mit."

Die Schulen bleiben grundsätzlich offen (Präsenzunterricht "für all jene, die es benötigen" laut der schriftlichen Vereinbarung), die Präsenzpflicht wird aber ausgesetzt, sagte Schallenberg. "Es gibt den gemeinsam Appell von Bundesregierung und Landeshauptleuten, dort wo möglich, die Schüler zuhause zu lassen", betonte er - und verwies auf die extrem hohe Fallzahlen in diesen Altersgruppen. "Was immer wir im Schulbereich entscheiden, ist immer eine Herausforderung", räumte er ein.

Man bitte die Bevölkerung in den nächsten 20 Tagen, sich noch einmal zusammenzureißen, "damit wir diese vierte Welle brechen". "Und ich hoffe, dass wir mit diesem Appell nie wieder in seine solche Situation kommen", sagte er.

Es sei allen bewusst, dass man den Geimpften "Enormes" abverlangt, sagte der Bundeskanzler. Diese müssten nun die Einschränkungen auf sich nehmen, "weil sich zu viel unsolidarisch gezeigt haben". Zur Impfpflicht merkte er an, dass man hier den Realitäten ins Auge sehen müsse. "Wir haben zu viele politische Kräfte in diesem Land, die vehement dagegen ankämpfen", dies sei ein "Attentat auf unser Gesundheitssystem". Die Konsequenzen seien überfüllte Intensivstationen und enormes menschliches Leid.

Spitzensportveranstaltungen in Österreich dürfen ab Montag weiterhin stattfinden, aber nur noch ohne Zuschauer, also in der Fußball-Bundesliga beispielsweise als Geisterspiele. Der Breitensport kommt komplett zum Ruhen.

Details zur Impfpflicht in Ausarbeitung

Bei Verstößen gegen die Impfpflicht wird es Verwaltungsstrafen geben, Details werden dazu noch ausgearbeitet, so Schallenberg. Es werde jedenfalls Ausnahmen für all jene geben, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.

Änderungen kommen bei der Gültigkeit des Grünen Passes: Der zweite Stich soll ab dem Februar 2022 nicht wie bisher neun Monate, sondern dann nur mehr sieben Monate für den Grünen Pass gelten, womit die Bevölkerung zur dritten Auffrischung motiviert werden soll. Bei vorangegangenen Impfungen mit Vektorimpfstoffen (wie Astra-Zeneca) wird die dritte Dosis ab dem vierten Monat empfohlen, bei mRNA-Impfstoffen (Pfizer oder Moderna) ist der Dritte Stich ab dem vierten Monat möglich.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sagte, es werde auch eine generelle FFP2-Pflicht in Innenräumen eingeführt. Arbeitsplatz, sofern keine anderen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden können. Es gibt auch eine Empfehlung für Homeoffice. Das wird auch im Bundesdienst umgesetzt.

Die Bevölkerung bat der Ressortchef um Verständnis für die Maßnahmen: "Ein Lockdown ist immer eine Zumutung. Aber es ist das verlässlichste Instrument, um die vierte Welle zu brechen." Wenn aber alle diese Entscheidung mittragen, dann werde die Entbehrung zum gemeinsamen Ziel führen.

Ludwig: Solidarität mit Oberösterreich und Salzburg

Für den Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Tirols Landeshauptmann Günther Platter, ist der Lockdown "eine Notbremse". Er betonte, dass das Gesundheitssystem am Rande der Belastbarkeit steht. Es sei wichtig, dass Bund und Länder an einem Stand ziehen. Auch wies er darauf hin, dass neben den Regierungsparteien ÖVP und Grünen auch die SPÖ mit an Bord bei dieser Einigung ist.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig betonte, dass die Entscheidung über die Parteigrenzen und über die Bundesländergrenzen hinaus gefallen ist, um die Bevölkerung zu schützen. Auch er sieht in der Impfpflicht eine Möglichkeit, die Menschen zu "motivieren", sich impfen zu lassen, doch helfe diese in der aktuellen Situation nicht.

Daher habe man entschieden, in Solidarität mit den Bundesländern Salzburg und Oberösterreich in einen Lockdown für 20 Tage - mit einer Evaluierung nach zehn Tagen - zu gehen.

Oberösterreich und Salzburg bleibt es überlassen, darüber hinaus - angekündigt war der Lockdown in diesen Bundesländern für vier Wochen - weitere Maßnahmen zu ergreifen. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer sagte in einer Pressekonferenz am Nachmittag, dass das Land beim ursprünglichen Zeitplan bleibt.

Schallenberg lange gegen Lockdown

Salzburg und Oberösterreich haben am Donnerstag bereits den Lockdown für alle ab Montag ausgerufen. Schon Donnerstagabend wurde in Tirol verhandelt, ob dieser auch österreichweit verhängt wird oder ob in den sieben anderen Ländern gelindere Maßnahmen wie etwa nächtliche Ausgangssperren auch für Geimpfte reichen.

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) waren bereits Donnerstagabend an den Tiroler Achensee gefahren, um mit den für die Landeshauptleutekonferenz zusammengekommenen Ländervertretern über das weitere Vorgehen zu beraten. Widerstand gegen einen österreichweiten Lockdown gab es lange in den Reihen der ÖVP: Kanzler Schallenberg hat sich wiederholt dagegen ausgesprochen, die für die Ungeimpften bereits geltenden Ausgangsbeschränkungen auch auf Geimpfte auszudehnen. Auch die ÖVP-geführten Länder Niederösterreich, Tirol und Steiermark waren nicht bereit, dem Vorbild Salzburgs und Oberösterreichs zu folgen - die sich angesichts dramatischer Appelle aus den Krankenhäusern und erschreckend hoher Zahlen letztlich doch zu einem Lockdown für alle entschieden hatten.

Solidarisch mit diesen beiden Ländern zeigten sich hingegen die SPÖ-regierten Länder Kärnten, Wien und Burgenland. Sie sind, obwohl zumindest Wien und das Burgenland die vierte Welle deutlich besser im Griff haben, durchaus zu einem Lockdown für alle bereit. (red, apa)