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Folgen von Schulschließungen für Jüngere größer

Von Martina Madner

Politik

Analyse von internationaler Schulstudien zeigt: Lernen auf Distanz bringt weniger Lernerfolg als Präsenzunterricht.


Die Schulen bleiben in diesem Lockdown nicht nur offen, dieses Mal gibt es auch Unterricht. "Wir setzen nur die Präsenzpflicht aus", sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP). Fernunterricht soll es nur in Ausnahmefällen geben, erläuterte Faßmann - zum Beispiel, wenn eine Klasse geschlossen in Quarantäne ist. Das dürfte aber nur bei den Jüngeren mit Klassenlehrerin oder Lehrer einfach möglich sein, da das Lehrpersonal sonst ja auch andere Klassen unterrichtet.

In den vergangenen Lockdowns waren aber vor allem ältere Schülerinnen und Schüler häufiger im Fernunterricht. Manche Jugendlichen hatten im vergangenen Schuljahr 2020/21 nicht einmal an der Hälfte der Schultage Präsenzunterricht.

Eine Auswertung von 32 internationalen Studien unter der Leitung des Schweizer Bildungsforschers Stephan Gerhard Huber von der Pädagogischen Hochschule Zug gemeinsam mit Christoph Helm und Alexandra Postlbauer von der Johannes Kepler Universität in Linz zeigt nun, dass Lernen auf Distanz Folgen hat.

Bildungsschere ging durch Schulschließungen auf

Die Bildungsforschung hatte bereits befürchtet, dass es ohne Unterricht in der Schule zu größeren Unterschieden in der Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern je nach wirtschaftlichem und sozialem Hintergrund kommt. Die Studien bestätigten "Schereneffekte" genauso wie die "vielfach vorgebrachte Vermutung, dass die Schulschließungen die sozioökonomisch bedingte Bildungsungleichheit verstärken".

Eine Mehrheit der Studien legt darüber hinaus "bedeutsame Lerneinbußen während der Schulschließungen" nahe. Allerdings gibt es große Unterschiede, was den verlorenen Lernfortschritt anbelangt: So gehen manche Studien von nur einem Monat im Vergleich zu einem normalen Schuljahr ohne Schließungen aus, eine Studie zu Großbritannien zeigt zwei Monate Unterschied. In anderen Untersuchungen, so etwa einer Studie zu Belgien zum Beispiel, ist gleich von fünf verlorenen Monaten, die auch im Unterricht danach nicht mehr kompensiert werden konnten, die Rede.

Für den DACH-Raum ist keine unaufholbare "zusätzliche Bildungsbenachteiligung" feststellbar. Eine Studie zu Österreich zeigt aber ein "Ansteigen der Bildungsungleichheit", eine zu Baden-Württemberg zeigte "Lerneinbußen im Bereich Mathematik und im Lesen", eine zur Schweiz zeigte Einbußen in der "Primarstufe, nicht aber für die Sekundarstufe".

Ältere kommen besser mit Fernunterricht zurecht

JKU-Expertin Postlbauer sagt deshalb im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" vorweg, dass sich kein für alle Regionen der Welt gleichermaßen gültiges Ergebnis zeigte. Es würden sich aber Tendenzen ablesen lassen: "Ältere sind mit dem Lernen auf Distanz besser klar gekommen als Jüngere." Lerneinbußen sind darüber hinaus beim Lesen weniger wahrscheinlich als bei Mathematik. Und: Schülerinnen und Schüler aus Haushalten, die sich Nachhilfe besser leisten können, können Unterschiede eher ausgleichen als ökonomisch schlechter ausgestattete.

"Der Schweizer Weg, Schulen offen zu halten, war und ist der richtige Weg", schließt Bildungsforscher Stephan Gerhard Huber aus der Auswertung. Schulen, wo besonders viele Kinder aus sozio-ökonomisch benachteiligten Familien kommen, benötigen mehr Unterstützung als andere. Und: "Unabhängig von den kognitiven Lerneinbußen benötigen Schülerinnen und Schüler die Schule auch aus emotionalen, motivationalen und sozialen Gründen", lautet Hubers Fazit.