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Was gegen die Impfpflicht für Kinder spricht

Von Petra Tempfer

Politik

Erster Ministergipfel mit Experten über die Covid-19-Impfpflicht. Volksschüler voraussichtlich ausgenommen.


Um einiges später als geplant traten Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Dienstag nach dem ersten Runden Tisch zum Thema Covid-19-Impfpflicht vor die Presse. Denn: Die Gespräche seien "wirklich tiefreichend" gewesen, so Edtstadler. Und Demokratie lebe nun einmal von Meinungsvielfalt. Auf Details wollten sich Edtstadler und Mückstein nach dieser ersten Runde mit Experten aus Medizin und Verfassungsrecht sowie mit SPÖ und Neos zwar noch nicht festlegen. Was das Alter betrifft, ab dem die Impfpflicht voraussichtlich gelten soll, sagte Edtstadler allerdings schon jetzt: Volksschulkinder werde man nicht verpflichtend impfen.

Vielmehr scheint sich die Altersgrenze von 14 Jahren herauszukristallisieren. Das sei die Grenze zur Strafmündigkeit, sagte Edtstadler, müsse aber noch diskutiert werden. Der auf Medizinrecht spezialisierte Verfassungsrechtler Karl Stöger von der Uni Wien, der auch beim Runden Tisch anwesend war, hat sich bereits vor Kurzem im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" skeptisch gegenüber einer Impfpflicht für Kinder unter 12 Jahren geäußert: "Die Impfung gegen Covid-19 ist eigentlich das Gegenteil einer Kinderimpfung, weil die Kinder die Letzten sind, für die die Impfstoffe kommen, und dadurch noch nicht so viele geimpft wurden", sagte Stöger. "Ich glaube daher, dass man da vorsichtig sein muss."

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Die Impfpflicht, die mit 1. Februar 2022 in Kraft treten soll, dürfte grundsätzlich darauf abstellen, vor einer schweren Erkrankung zu schützen – und nicht vor der Infektion selbst. Denn mit jedem Tag, der seit der letzten Impfung verstreicht, sinkt auch der Infektionsschutz. Will man das Gesundheitssystem im öffentlichen Interesse entlasten, wären es somit eher die älteren Altersklassen, bei denen eine Impfpflicht in diese Richtung wirkt. Denn diese erkranken generell schwerer und kommen auf die Intensivstation und ins Normalspital. Bei den über 60-Jährigen erkrankt laut der Gesundheit Österreich GmbH einer von sechs so schwer an Covid-19, dass er im Spital behandelt werden muss. Bei den über 70-Jährigen ist es jeder Dritte, während es bei den jüngeren Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren einer von 50 ist.

"Wir lernen in der Pandemie ständig dazu", sagte auch Mückstein am Dienstag. "Wir wissen nun, dass die Impfung gut gegen schwere Verläufe schützt und sicher ist."

Impfpflicht für über 60-Jährige in Griechenland geplant

Griechenland zum Beispiel plant eine Covid-19-Impfpflicht für ältere Menschen. Ungeimpfte über 60 Jahre müssten bis 16. Jänner 2022 geimpft sein, sagte Premier Kyriakos Mitsotakis am Dienstag laut Medien. Sind sie das nicht, riskieren sie monatlich 100 Euro Strafe.

Davon, dass das Coronavirus Teil der Gesellschaft und des Infektionsgeschehens bleiben wird, ist auch die Virologin Monika Redlberger-Fritz vom Nationalen Impfgremium überzeugt. Und ähnlich wie bei der Impfung gegen das Rotavirus, gegen Keuchhusten oder Influenza schütze jene gegen Covid-19 vor allem vor einer schweren Erkrankung und helfe, "dass nicht so viele im Spital liegen", sagt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Anders als bei Covid-19 sind es aber zum Beispiel beim Rotavirus laut Redlberger-Fritz die Kinder, die durch die Impfung vor ihrer ersten schweren Erkrankung mit dem Virus geschützt werden sollen. Ohne Impfung sei diese meist mit einem Spitalsaufenthalt verbunden – mit Impfung könne man sich zwar infizieren, erkranke aber nicht mehr so schwer.

Auch laut Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien, geht es bei der Covid-19-Impfung vorrangig um eine Entlastung des Systems. Längerfristig sollte aber schon die generelle Reduktion des Infektionsgeschehens das Ziel sein: durch regelmäßige Auffrischungsimpfungen, nach denen auch der Infektionsschutz am größten ist. "Man wird wohl immer wieder impfen müssen", sagt Zeitlinger zur "Wiener Zeitung".

Ob die Impfpflicht für die Folgeimpfungen ebenfalls gelten und ob bei einer Weigerung einmalig oder mehrmals gestraft werden soll, habe man beim Runden Tisch am Dienstag zwar diskutiert, sagte Edtstadler, für konkrete Antworten sei es aber noch zu früh. Auch die Höhe der Strafen stehe noch nicht fest. Tatsache sei: "Wir haben uns das nicht gewünscht, wir wollten keine Impfpflicht." Diese sei aber dann gerechtfertigt, wenn das Ziel  – also der Schutz der Allgemeingesundheit – durch diese gewährleistet sei. Und das sei nun der Fall.

Eingriff in die Grundrechte, aber unter Vorbehalt

Die Voraussetzung, dass die Impfpflicht gesetzlich und verfassungsrechtlich umgesetzt werden kann, sei dadurch gegeben. Die Impfpflicht stellt zwar laut Edtstadler einen Eingriff in die Grundrechte dar, aber unter Vorbehalt: Es sei vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausjudiziert, dass diese in bestimmten Fällen verhältnismäßig sei.

Aktuell wurden in Österreich laut Mückstein bisher 13,7 Millionen Impfdosen verimpft. 67 Prozent der Bevölkerung haben ein gültiges Impfzertifikat, mehr als 70 Prozent wurden zumindest einmal geimpft.