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Reha-Patienten müssen wegen Long Covid warten

Von Petra Tempfer

Politik
Atemtrainer wie diese werden für die Lungenrehabilitation verwendet.
© adobe.stock / chiew

Immer mehr Genesene und auch junge, nur leicht Erkrankte sind von Long Covid betroffen.


Es sei ein "grausames Chamäleon", habe viele Gesichter, werde aber unterschätzt und nicht ernst genommen: Long Covid, das nach einer überstandenen Coronavirus-Infektion immer mehr Genesene betreffe, sagte der Wiener Lungenfacharzt Ralf Harun Zwick am Mittwoch vor Journalisten. Die Symptome, mehr als 200 vom Haarausfall über Gedächtnisstörungen, Herz- und Lungenbeschwerden bis hin zu chronischer Müdigkeit, entstehen zwischen drei und neun Monate nach der Erkrankung - und bleiben mitunter monatelang. Fatal daran: Bald zwei Jahre nach Beginn der Pandemie in Österreich kristallisiere sich nun heraus, dass nicht nur vor allem ehemalige Covid-19-Intensivpatienten (zu rund 75 Prozent), sondern auch immer mehr junge, nur leicht Erkrankte davon betroffen seien, sagte Zwick. Die Rehabilitationszentren werden dadurch immer voller. Man stehe unmittelbar davor, "dasselbe machen zu müssen wie im Akutspital: triagieren".

Genauso, wie in den Spitälern planbare Operationen wie etwa an der Hüfte verschoben werden - 2020 gab es laut Gesundheit Österreich GmbH um 15 Prozent weniger Operationen -, müssen nun laut Zwick auch chronisch Kranke auf ihre Reha warten. "Patienten mit chronischen Herz- und Lungenproblemen können wir nicht adäquat versorgen." Die Situation werde nicht besser: Im Frühjahr werde man die 10.000 Patienten mit Long Covid aus der aktuellen, vierten Welle betreuen, sagte Zwick.

Lungenrehabilitation am stärksten betroffen

Dazu kommt, dass Reha-Zentren zur Zeit Patienten aus Nicht-Covid-Bereichen der Spitäler übernehmen, um diese zu entlasten. Das fordert die Reha-Zentren zwar zusätzlich, weil sich das Personal auf die neue Situation einstellen muss, das Ganze ist allerdings komplexer: Denn gleichzeitig wirken sich die coronabedingt verschobenen Operationen positiv auf die Anzahl bestimmter Rehaplätze aus, sagt der Co-Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner, zur "Wiener Zeitung": Durch weniger zum Beispiel hüftoperierte Personen werden weniger Rehaplätze für den Bewegungs- und Stützapparat besetzt. Andere Einrichtungen allerdings, und zwar vor allem jene, die auf Lungenrehabilitation spezialisiert sind, sind laut Lehner "aktuell sehr gut ausgelastet". Long-Covid-Patienten füllen also merklich die speziellen, je nach ihren Symptomen notwendigen Rehaplätze.

Eine weitere Folge dieser Symptome, und zwar in finanzieller Hinsicht, ist jene der andauernden Krankenstände. Was das langfristig für das Versicherungssystem bedeutet, kann Lehner zwar noch nicht sagen, die verschiedenen Wellen hätten sich jedoch auch im Nachhinein mit deutlichen Arbeitsausfällen niedergeschlagen. Im Moment habe sich die Situation wieder beruhigt. Inwiefern sich die vierte Welle auswirken wird, werde sich zeigen.

Die Rehabilitation wirkt offenbar gut. "Die Erfolgsquote ist sehr hoch: Nur fünf Prozent der Betroffenen bleiben nach den ersten sechs Wochen Rehabilitation so krank, dass sie nicht arbeiten gehen können", sagte auch Zwick. Für diese fünf Prozent kann es mitunter aber gar keine Heilung geben. "Manche werden unter Umständen erst nach Monaten oder nie wieder zu 100 Prozent gesund", so Lehner.

Zwick kennt solche schweren Fälle. "Ein Patient, jung und ehemaliger Marathonläufer, ist nach einer Covid-19-Infektion jetzt bald zwölf Monate im Krankenstand und hat Angst, seinen Job zu verlieren", sagte er im Zuge der Veranstaltung der Impfstoffhersteller. Oder die 27-jährige Ärztin, die mit Covid-19 nur zwei bis drei Wochen zuhause war, jetzt aber nicht mehr in der Lage sei, Nachtdienste zu übernehmen, weil sie so erschöpft sei.

"Der durchschnittliche Long-Covid-Patient ist 43 Jahre alt und zu mehr als 60 Prozent weiblich", so Zwick, der seit März 2020 tausende Long-Covid-Patienten behandelt hat. Unter Zwölfjährige waren keine darunter. Jugendliche von 14 bis 17 Jahren aber sehr wohl. "Sie werden aus der Schule gerissen und können ein Jahr verlieren."

Neue Infrastruktur für Long-Covid-Patienten

Nicht zuletzt deshalb brauche es eine neue Infrastruktur, um die Long-Covid-Patienten aufzufangen und bestmöglich zu versorgen. Idealerweise sei es der Hausarzt, der zuerst die Symptome abklärt und dann entscheidet, ob er seinen Patienten zum Herz- oder Lungenspezialisten, Neurologen oder direkt in die jeweilige Rehaklinik schickt.

Tatsache sei aber auch, so Zwick und Lehner, dass eine höhere Durchimpfungsrate vor allem auch mit der Drittimpfung das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, reduziert. Auch am Beispiel Israel, wo schon länger geimpft wird, sieht man laut Zwick: "Es gibt noch keinen Fall von Long Covid bei Personen mit Drittimpfung."

"Dreimal gestochen ist besser als zweimal gestochen und einmal erkrankt", sagt auch Florian Thalhammer, Infektiologe an der MedUni Wien, der von einer Grundimmunisierung nach der dritten Impfung ausgeht. Dennoch werde man selbst nach dieser weiterhin Auffrischungsimpfungen benötigen, vermutet er.

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