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Omikron, der Spielverderber

Von Martin Tschiderer

Politik

Welche präventiven Maßnahmen könnten helfen, um das nächste große Zusperren zu verhindern?


Es ist ein seltsames Timing. Aber eines, das die Dynamik der Pandemie gut veranschaulicht, die eben nicht einem Sprint, sondern einem Marathon gleicht: Gerade sperrt das Land nach Lockdown Nummer vier schrittweise wieder auf. Da geistern schon wieder Debatten über einen möglichen erneuten Lockdown im Jänner durch die Öffentlichkeit.

Und das nicht ohne Grundlage: Die Corona-Kommission im Gesundheitsministerium erwartet für die nächsten Wochen nur eine kurze "Atempause" im Infektionsgeschehen, wie am Wochenende durchdrang. Ab der zweiten Jänner-Hälfte sei laut den Modellen mit Beeinträchtigungen durch die neue Virusvariante Omikron zu rechnen. Die Auslastung auf den Intensivstationen könnte dann wieder gefährlich hoch werden.

Virologin Aberle: Booster entscheidend

Auch der Molekularbiologe Andreas Bergthaler klang am Montag im Ö1-"Morgenjournal" nicht übermäßig optimistisch. Es sei nur eine Frage weniger Wochen, bis man es auch in Österreich großflächig mit Omikron zu tun haben werde, sagte er und nannte "Ende Dezember, Anfang Jänner". Auch etwas positivere Nachrichten mischten sich zwischendurch in die Meldungen. So legte eine britische Studie nahe, dass zwei Impfdosen zwar nur wenig gegen Omikron schützen könnten - eine dritte Booster-Impfung aber einen recht hohen Schutz von bis zu 75 Prozent vor symptomatischen Infektionen auch bei der Omikron-Variante bieten könnte.

In jedem Fall stellt sich aktuell aufgrund der raschen Ausbreitung und höheren Infektiosität der Mutation die Frage: Welche präventiven Maßnahmen könnten helfen, die Verbreitung der neuen Mutation einzudämmen und einen neuerlichen Lockdown zu verhindern?

Bereits vergangene Woche hat das Gesundheitsministerium strengere Regeln für die Kontakt-Nachverfolgung vorgelegt: Galt bei den bisherigen Varianten noch eine Quarantäne-Dauer von zehn Tagen und eine Einstufung von Geimpften und Genesenen als "K2-Person", bleibt man künftig bei engem Kontakt mit einem Omikron-Fall auch als geimpfte oder genesene Person "Kontaktperson 1" und muss für 14 Tage in Quarantäne.

Die Virologin Judith Aberle von der MedUni Wien bringt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" neben einer großflächigen Durchimpfung vom ersten bis zum dritten Booster-Stich und den bekannten Abstands- und Hygienemaßnahmen vor allem zwei weitere verschärfende Maßnahmen ins Spiel. Erstens, eine bereits bewährte: die Einschränkung von größeren Zusammenkünften, etwa im Zuge von Veranstaltungen. Zweitens, eine bislang noch nicht durchgeführte: eine erweiterte Teststrategie über die 2Gplus-Regel. Damit gäbe es Zutritt in zentralen Bereiche wie der Gastronomie oder etwa zu Veranstaltungen auch für Geimpfte und Genesene nur noch mit einem zusätzlichen PCR-Test. Aus virologischer Sicht könnte das - neben der entscheidenden Booster-Impfung - sinnvoll sein, sagt Aberle: "Vor allem im Hinblick auf die bisherigen Ergebnisse, wonach zweifach Geimpfte und Genesene gegen eine Omikron-Infektion nicht gut geschützt sind."

Der Haken an der Sache: Testen ist teuer. Laut der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos rechnet das Gesundheitsministerium für das heurige Jahr mit Testkosten von 1,6 Milliarden Euro, für das kommende mit weiteren 1,3 Milliarden. Für das Impfen wird dagegen für heuer mit 470 Millionen mit weniger als einem Drittel der Test-Kosten gerechnet, für das kommende Jahr mit 750 Millionen, was etwas mehr als der Hälfte der 2022 erwarteten Test-Kosten entspräche. Im Kontext ist aber auch wichtig: Eine Woche Lockdown verursacht volkswirtschaftliche Kosten von aktuell rund 600 Millionen Euro.

Zu den noch höheren Kosten kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu: Außer Wien, das bereits seit vielen Monaten auf die "Alles gurgelt"-PCR-Tests setzt und zuletzt in eine Ausweitung der Testkapazitäten investierte, verfügt aktuell kein Bundesland über die Testinfrastruktur, die für eine flächendeckende 2Gplus-Regel nötig wäre. Auch wenn etwa Oberösterreich und Vorarlberg am Montag ankündigten, die Zahl der Abgabestellen für Gurgeltests deutlich zu erhöhen.

Aktuell habe Wien eine Kapazität von 500.000 PCR-Tests pro Tag, heißt es aus dem Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) gegenüber dieser Zeitung. Diese sei innerhalb kurzer Zeit auf 750.000 tägliche Tests erweiterbar. In Wien könnte demnach "mit einer Vorlaufzeit von wenigen Tagen" eine 2Gplus-Regel auch in der Gastronomie eingeführt werden, falls nötig.

Bundesländer bei 2Gplus zurückhaltend

Weniger ambitioniert bezüglich einer möglichen 2Gplus-Regel gibt man sich in anderen Bundesländern, wie ein Rundruf der "Wiener Zeitung" zeigt. So heißt es in Salzburg, wo es bei Einführung der PCR-Gurgeltests zunächst zu größeren Zeitverzögerungen kam, dass die Ergebnisse von Gurgeltests aktuell "nur in Ausnahmefällen" nicht innerhalb von 24 Stunden verfügbar seien. Dies auch dank der sinkenden Zahl an positiven Fällen, was die Testauswertung beschleunigt. Bezüglich einer 2Gplus-Regel verweist man im Büro von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hingegen auf den Bund, der dann die Testkapazitäten entsprechend ausbauen müsste.

Ähnlich klingt das in Kärnten. Die Kapazität liege aktuell bei rund 10.000 Gurgeltests, die pro Tag durchgeführt werden können. Die Ergebnisse kämen aktuell praktisch immer innerhalb von 24 Stunden. Ob die Kosten, die der Bund bei einer 2Gplus-Regel tragen müsste, im Verhältnis zum Nutzen stünden, sei aber fraglich, heißt es aus dem Büro von Gesundheitslandesrätin Beate Prettner (SPÖ).

Auch in Niederösterreich verweist man gegenüber dieser Zeitung darauf, dass inzwischen für 92 Prozent der abgegebenen Gurgeltests ein Ergebnis innerhalb von 24 Stunden vorliege. Testkapazitäten für eine 2Gplus-Regel müssten aber vom Bund ausgebaut werden.