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Trapezakt zwischen Dollfuß und Covid-Bonus

Von Karl Ettinger

Politik

Innenminister Karner beschwor im Hohen Haus dutzendfach, was er alles konsequent machen wird.


Er lächelte nicht umsonst so freundlich. Für Gerhard Karner, oft mit dem Stempel Mann fürs Grobe der ÖVP Niederösterreich versehen, war es sein erster Auftritt in einer Fragestunde des Nationalrats. Aber Karl Mahrer, der als ÖVP-Sicherheitssprecher das Parlament verlassen wird, um in Wien nicht-amtsführender Stadtrat zu werden, lieferte zu Beginn mit der Frage nach der Nachbarschafts-Initiative im Sicherheitswesen eine willkommene Aufwärmrunde. "Bürgernahe Polizeiarbeit", da wurde das Lächeln des Ministers bei der Antwort noch breiter.

Im Gegensatz zu Mahrers Thema wurde die restliche gute Stunde ein gar nicht einfacher Hochseilakt. Schließlich wollten nicht nur SPÖ, FPÖ und Neos Klarheit zu Antisemitismus, Abschiebungen und Radikalisierung der Corona-Impfgegner, sondern auch der grüne Koalitionspartner.

Den Abgeordneten und Zusehern der Liveübertragung wird von einer Stunde Karner eines in Erinnerung bleiben: das Wort konsequent. Der neue Innenminister wird alles konsequent machen: Den strengen Weg seines Vorgängers Karl Nehammer in der Asylpolitik wird er konsequent fortsetzen; gegen "rechte Randgruppen" und NS-Verharmlosungen bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen wird er konsequent vorgehen; den Schutz von Gesundheitspersonal und Medien "entsprechend konsequent umsetzen"; konsequent bei der Überarbeitung des Museums für Zwischenkriegskanzler Engelbert Dollfuß vorgehen. Ohne Konsequenz geht da nichts.

Andererseits macht Karner kein Hehl daraus, was er nicht konsequent umsetzen wird. SPÖ-Mandatarin Nurten Yilmaz möchte wissen, warum in Österreich im Gegensatz zu vielen anderen Staaten Polizisten kein Namensschild tragen müssen. Das sei gerade angesichts der jetzigen Demonstrationen auch mit Gewalt gegen Polizisten "nicht zielführend", schmettert der Minister das freundlich, aber bestimmt ab.

Später turnt er sich regelrecht über die Frage des SPÖ-Abgeordneten Dietmar Keck nach der Auszahlung eines Corona-Bonus auch für rund 30.000 Polizisten ein bisschen drüber. Die Exekutive leiste in der Tat "exzellente Arbeit", man sei in sehr enger Abstimmung mit der Personalvertretung, lobt Karner. Keck lässt er aber ratlos zurück, weil er den Corona-Bonus einfach übergeht.

Ungleich deutlicher fallen die Aussagen zur Asylpolitik aus, selbst wenn die Fragen dazu vom Koalitionspartner in Gestalt der Grün-Abgeordneten Barbara Neßler zur Abschiebung von Kindern im vergangenen Jänner kommen. Das sei nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erfolgt, verteidigt Karner seinen Vorgänger Nehammer. Neos und Grüne verweisen prompt auf Ergebnisse der von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) eingesetzten Kommission zum Kindeswohl. Leitfaden, Vier-Augen-Prinzip vor Abschiebungen und Rücksicht auf das Wohl des Kindes würden umgesetzt, bescheidet der Innenminister gleichsam amtlich.

"Wichtig ist, dass wir über diese Zeit reden"

Schutz der EU-Außengrenze und weitere enge Zusammenarbeit mit dem Westbalkan zur Eindämmung des Flüchtlingszustroms sind für ihn ohnehin keine wirkliche Frage. Trotz gegenteiliger Meldungen über illegale Abschiebungen von Flüchtlingen zurück über die Grenze, sagt Karner: "Illegale Pushbacks gibt es in Österreich nicht." Darüber hinaus kündigt er für das Frühjahr 2022 eine internationale Konferenz in Wien über die Rückführung von Asylwerbern an.

SPÖ und Neos nützen die Fragestunde, um Karner wegen Antisemitismusvorwürfen und dem Dollfuß-Museum in die Zange zu nehmen. Als ÖVP-Landesgeschäftsführer hat er 2008 in Richtung SPÖ gemeint, "Herren in Amerika und Israel" würden hinter Angriffen der SPÖ stehen. "Ich stehe nicht an, mich dafür zutiefst zu entschuldigen", bekräftigt der Innenminister Aussagen vom Vortag nun auch im Hohen Haus. Er sei persönlich gegen jede Form des Antisemitismus. Was die Überarbeitung des Dollfuß-Museums in Texingtal angeht, so möchte er die Bevölkerung einbinden: "Wichtig ist, dass wir über diese Zeit reden."

Konsequent sagt er da nicht explizit dazu. Das hat er insgesamt dutzendfach beschworen, mitunter zweimal in einem Satz.