Die sichergestellte Festplatte des ehemaligen Öbag-Chefs Thomas Schmid erweist sich für die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft weiterhin als Füllhorn. Der bereits sehr umfangreiche Akt hat diese Woche mit Hausdurchsuchungen und drei weiteren Beschuldigten neue Verästelungen erhalten. Dieses Mal geht es um den Vorwurf der Bestechung und Bestechlichkeit im Zuge eines Rechtsstreits um eine Steuernachzahlung des Industriellen Siegfried Wolf, der heuer das MAN-Werk in Steyr übernommen hat.

"Profil", "Standard", "Falter" und "Presse" haben aus Chats von Schmid und einem damaligen Kabinettsmitarbeiter zitiert, die sich scherzhaft zu Interventionen von Wolf unterhalten. "Vergiss nicht - du hackelst im ÖVP-Kabinett!! Du bist die Hure für die Reichen!", schreibt Schmid etwa. Die Antwort des Mitarbeiters: "Danke, dass wir das so offen besprechen können!"

Begonnen hat die Causa bereits im Jahr 2016, als in einem Finanzamt auffiel, dass das geänderte Steuerabkommen mit der Schweiz zu einer kräftigen Nachzahlung von Wolf führen muss. Danach folgten, so der "Standard", der aus der Hausdurchsuchungsanordnung zitiert, vier Phasen von Interventionen. Eine erfolgreiche 2016, nach der die Gesamtsumme der Nachzahlung von elf auf sieben Millionen Euro gedrückt wurde, eine weitere, nicht erfolgreiche, aufgrund von Strafzinsen in der Höhe von 630.000 Euro.

Die dritte Intervention ist für die Ermittlungen entscheidend. Obwohl den Beteiligten bekannt gewesen sei, so die WKStA, dass ein Antrag auf Nachsicht der Strafzahlung keinen Erfolg haben wird, brachte Wolf diesen beim Finanzamt Wiener Neustadt ein. Als dort der Fachvorstand des Finanzamts den Antrag abweisen wollte, ging der Akt an eine übergeordnete Mitarbeiterin. Mit dieser chattete Wolf direkt und sichtbar vertraut, auf einer Raststätte soll es laut der Anordnung im Juni 2018 zu einem Treffen gekommen sein.

Gegenseitige
Hilfe vereinbart?

Die WKStA hegt den Verdacht, dass bei jenem mutmaßlichen Treffen an der Autobahnraststation Wolf der Beamtin Unterstützung für einen erhofften Wechsel auf eine neue Position innerhalb der Finanzverwaltung zugesagt hat. An Schmid schreibt Wolf, dass er "mit der Dame" geredet habe und sie auf eine neue Dienststelle wechseln will. "Ich sagte ihr, es wird überlegt und sie soll ihr Thema erledigen!!" Die WKStA wertet dies als unlauteres Angebot an die Beamtin, das diese angenommen habe.

Rund ein Monat später erkundigte sich Wolf bei Schmid: "Lieber Thomas - war das hearing unserer Dame. . .gestern ok ? Sigi". Die Antwort: "Klar". Wolf antwortete mit vier Daumen nach oben und schrieb der Beamtin: ". . . hoere gerade - hearing ist top !! gelaufen". Die Finanzbeamtin bedankte sich zunächst mit Smileys, tags darauf auch mit Worten: "Nochmals thanks!!!!!!!! ‚scheine dem Herrn Bundesminister. . . vorgeschlagen zu sein‘". Wolf replizierte: "With pleasure. . .du gibst einfach einen aus.!"

In den Tagen zuvor hatten die Steuerberater Wolfs beim Finanzamt in Wiener Neustadt einen neuen Lösungsansatz dargelegt, der - rechtlich anders argumentiert - zu praktisch demselben Ergebnis führen würde, einem Steuernachlass jenseits der 600.000 Euro. Im Finanzamt konnte man der Argumentation nun plötzlich doch, zumindest teilweise, folgen.

Am 26. Juli 2018, etwas mehr als eine Woche nach dem Hearing, erstellte ein untergeordneter Mitarbeiter der Finanzbeamtin einen Bescheid, durch den rund 630.000 Euro nachgesehen wurden. Der Bescheid wurde zwar nicht von der erwähnten Finanzbeamtin unterzeichnet. Die Bescheidbegründung wurde ihr laut WKStA allerdings vorgelegt.

Auch soll sie mit Kollegen darüber diskutiert haben, ob eine Zustimmung durch das - bisher widerspenstige - Finanzministerium erforderlich wäre. Man kam zu dem Schluss, dass das nicht erforderlich sei. Wenige Wochen später wurde die Beamtin auf ihre Wunschposition bestellt.

Causa flog bei Routineprüfung auf

Der Fall flog im Mai 2019 bei einer Routineprüfung im Finanzamt Wiener Neustadt auf. Als Wolf davon erfuhr, kam es laut Chatverläufen zum vierten Interventionsversuch, wobei Schmid, damals bereits Öbag-Chef, sich offenbar heraushalten wollte: "Anzugeben der GS (Anm.: Generalsekretär) wurde informiert - ganz schlecht! Ich bin ja nicht der direkte Vorgesetzte [. . .] Rate Davon ab!"

Die Finanz hob den seinerzeitigen Bescheid auf. Der Fall liegt bis heute vor dem Bundesfinanzgericht, der Rechtsstreit über die Zahlung der Strafzinsen ist nicht entschieden, wie auch Josef Kalina, Sprecher von Wolf, zu dieser Zeitung sagte. Die Beteiligten streiten die Vorwürfe ab, laut Kalina seien auch die von der WKStA dargestellten zeitlichen Abläufe falsch.