Seit Montag ist die neue Corona-Variante Omikron in Österreich offiziell dominant. Faktisch schon seit der letzten Woche des vergangenen Jahres. Denn da überstieg die Zahl der Ansteckungen mit der infektiöseren Mutation erstmals jene mit der bis dahin vorherrschenden Delta-Variante. Und Omikron treibt die Ansteckungszahlen rasant nach oben. Die 5.496 Neuinfektionen am Dienstag bedeuten mehr als eine Verdoppelung der Fallzahlen innerhalb einer Woche (siehe auch Seite 20). Die steile Omikron-Welle hat also begonnen, Fahrt aufzunehmen - auch zeitlich ziemlich genau so, wie von den Prognostikern hervorgesagt.

Am Dienstag tagte dazu wieder die gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination (Gecko) und informierte danach die Bundesregierung über ihre Erkenntnisse. Für die Öffentlichkeit gibt es neue Informationen aber erst am Donnerstag, wenn der nächste Bund-Länder-Gipfel mit Gecko stattgefunden hat. Klar ist: Angepasste Maßnahmen wird es wegen der raschen Omikron-Ausbreitung geben müssen. Die Frage ist nur, welche.

"Aktuell wäre ein Lockdown nicht verhältnismäßig", sagt Epidemiologe Gerald Gartlehner zur "Wiener Zeitung". "Denn sonst müssten wir jetzt in einen Dauer-Lockdown bis Sommer gehen." Selbst damit könnte man eine Ausbreitung von Omikron aufgrund seiner hohen Infektiosität allerdings nicht verhindern, sondern höchstens bis zu den darauf folgenden Öffnungen verschieben, erklärt der Mediziner.

40 bis 50 Prozent weniger Krankenhausaufenthalte

Ob es hingegen am Höhepunkt der Omikron-Welle notwendig werden könnte, mit einem neuen Lockdown die Notbremse zu ziehen, sei "schwer vorherzusagen", aber "sicher nicht ausgeschlossen". Der positive Faktor bei Omikron ist bekanntlich, dass es mildere Krankheitsverläufe auslöst. Laut Gartlehner kann aus britischen Daten sogar geschlossen werden, dass es zu 40 bis 50 Prozent weniger schweren Verläufen kommt, die einen Krankenhausaufhalt zur Folge haben. Das Problem liegt aber schlicht in der hohen Gesamtzahl an Ansteckungen, die zu erwarten ist. Selbst ein verhältnismäßig deutlich kleinerer Anteil an Hospitalisierungen sorgt dann schnell für volle Spitäler. "Das wird unser Gesundheitssystem natürlich wieder sehr stark belasten", sagt der Epidemiologe.

Neu ist bei Omikron das deutlich höhere Infektionstempo: Während bei Delta von der Ansteckung einer Person durch eine andere rund vier Tage vergingen, sind es bei Omikron nur noch etwa zwei. Der Molekularbiologe Ulrich Elling sprach deshalb am Montagabend im ORF-Fernsehen von einer "Pandemie im Zeitraffer". Auch wenn die Evidenz dazu noch nicht auf sehr starken Beinen steht: Infektiös wird man im Schnitt bereits zwei Tage nach der Ansteckung, eine auch symptomatische Erkrankung beginnt in der Regel nach etwa drei Tagen. Auch die Inkubationszeit ist also durchschnittlich deutlich kürzer als bei der Delta-Variante.

In Kombination mit der schlechteren Wirksamkeit der Impfung wird diese Tatsache laut den Prognosen die Infektionszahlen binnen sehr kurzer Zeit auf neue Höchststände schießen lassen. Für sinnvoll hält es Gartlehner daher jedenfalls, die Quarantäneregeln zu adaptieren: "Sonst steckt plötzlich das halbe Land in Quarantäne." Man wisse zudem, dass Quarantänemaßnahmen bei einem sehr infektiösen Virus nicht mehr besonders gut wirkten. Umso mehr, wenn das Virus auch schon vor Beginn der Symptome stark infektiös ist. Deshalb müsse man bei einer Verkürzung der Quarantäne für Verdachtspersonen "dringend handeln". Insbesondere dreifach Geimpfte sollten laut Gartlehner automatisch zu K2-Kontaktpersonen werden, also nicht mehr in Quarantäne müssen. Auch aus den Ländern und der Wirtschaftskammer kommen Vorstöße für Quarantäne-Lockerungen.

Infizierte sollten aus medizinischer Sicht in Isolation bleiben, bis sie nicht mehr ansteckend sind. Derzeit können sie sich frühestens nach zehn Tagen freitesten. Auch bei ihnen kann sich Gartlehner aber Lockerungen vorstellen, etwa ein Freitesten bereits nach fünf Tagen.

Viele erkrankte Polizisten kein Grund für Lockdown

Wann aber könnte die schärfste Maßnahme zur Kontaktbeschränkung, ein Lockdown, aus juristischer Sicht verhältnismäßig werden? "Ausgangsbeschränkungen für alle müssen sowohl erforderlich als auch zum Erreichen des Ziels geeignet sein", sagt Verwaltungsrechtler Peter Bußjäger zu dieser Zeitung. Das im Gesetz definierte Ziel, an den ein Lockdown gebunden ist, ist die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems. Dazu zählt allerdings nicht nur eine kritische Auslastung der Intensivstationen, die in bisherigen Wellen das relevante Kriterium war. Auch das gleichzeitige Erkranken vieler Ärztinnen oder Sanitäter könnte in diesem Sinne ausgelegt werden, erklärt der Jurist.

Beim Ausfall von Mitarbeitern in der Energie- oder Wasserversorgung wäre das schon schwieriger. "Da kann man einer Überlastung vielleicht noch eher mit Homeoffice entgegenwirken als bei Sanitätern", so Bußjäger. Der gleichzeitige Ausfall sehr vieler Polizistinnen und Polizisten könnte indessen Probleme bei der Sicherheitslage bringen. Als Kriterium für einen Lockdown steht das allerdings nicht in der Verordnung. "Das hat der Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt nicht berücksichtigt", sagt Bußjäger.