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Der Staat lässt sich die Impfpflicht einiges kosten

Von Martina Madner

Politik

Der Bund rechnet mit zusätzlichen 150 Millionen Euro. Laut Gerichten, Ländern, Gemeinden und Städten wird es weit mehr.


Mit insgesamt 108.325 Stellungnahmen, die auf der Homepage des Parlaments abgegeben wurden und nun an das Gesundheitsministerium übermittelt wurden, ist der Gesetzesentwurf zur Impfpflicht schon mal Spitzenreiter. Der Blick in die Begutachtungsschreiben vieler öffentlicher Institutionen lässt vermuten, dass es nicht nur bei diesem Stockerlplatz bleibt, sondern eventuell ein zweiter droht: und zwar durch ausufernde Kosten, die bei der Umsetzung der Impfpflicht drohen.

Im Gesetzesentwurf selbst sind nur die Kosten für Impfstoff, Durchführung der Impfungen, amtsärztliche Bestätigungen und den Honoraren dafür die Rede: Diese seien "vom Bund zu tragen". In der wirkungsorientierten Folgeabschätzung heißt es zwar, die "für die Berechnung finanzieller Auswirkungen notwendige Datenlage ist nicht verfügbar".

Eine "erste Einschätzung" fördert allerdings schon zutage, dass das Vorhaben keineswegs kostenneutral umzusetzen sein wird: 2022 rechnet die Bundesregierung mit 112,5 Millionen Euro; in den beiden Jahren darauf mit weiteren 33,2 und 3,6 Millionen Euro. Der Bund selbst geht also bereits davon auch, dass er für die Umsetzung der Sars-CoV-2-Impfpflicht knappe 150 Millionen Euro - ganz genau sind 149.316.000 Euro vermerkt - berappen muss. Weitere Stellungnahmen legen nahe, dass es noch mehr werden könnte.

Sehr knapp bemessenes Personal für Strafverfahren

Ein Teil der Kosten ist offenbar für die Datenerhebung, -verarbeitung und Verständigung der impfpflichtigen Personen veranschlagt. "Der Großteil der Kosten beläuft sich auf die mit den behördlichen (Straf-)Verfahren im Zusammenhang stehenden Personalaufwendungen", heißt es in der Folgeabschätzung. 110,6 Millionen Euro von den knappen 150 Millionen Euro sind laut Rechnung der Bundesregierung zwischen 2022 und 2024 für zusätzliche Personalkosten notwendig.

Im heurigen Jahr rechnet der Bund mit 1,8 Millionen Strafverfügungen, die jenen ausgestellt werden, die trotz Aufforderung nicht zum Impfen bewegt werden. Dazu kommen weitere 1,4 Millionen Verwaltungsstrafverfahren sowie 100.000 Gerichtsverfahren. In Summe sind dafür zusätzliche 1.192 Vollbeschäftigtenäquivalente vorgesehen.

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichte gehen in ihrer Stellungnahme davon aus, dass der Bund damit "den zu erwartenden Mehraufwand bei weitem nicht vollständig" abbildet: Nicht nur die angenommenen drei Stunden Zeit einer Person pro Gerichtsverfahren seien viel zu knapp bemessen. Weder an Sachverständigen aus dem medizinischen Bereich noch an personellen Kapazitäten bei den Landesverwaltungsgerichten gebe es genügend. Viel entscheidender aber: Dass nur 100.000 von 1,4 Millionen Verfahren letztlich vor Gericht landen, sei "deutlich zu niedrig angesetzt": "Es ist vielmehr anzunehmen, dass ein Großteil aller von den Verwaltungsstrafbehörden (bis zu vier Mal im Jahr!) Bestraften sämtliche ihnen mögliche Rechtsschutzmöglichkeiten ausnutzen werden", ist da zu lesen.

Die Mittel sind noch nicht als Teil des Bundeshaushalts eingepreist. Sie sollen aus dem Covid-Krisenfonds des Finanzministeriums finanziert werden. Eventuelle Strafzahlungen am Ende der Verfahren sind nicht als Gegenfinanzierung vorgesehen. Sie sollen bekanntermaßen den "jeweiligen Krankenanstaltenträgern" und Sozialhilfeverbänden, also insbesondere den Spitälern zweckgewidmet zu Gute kommen.

Bund rechnet nicht mit Kosten für die Länder

Gänzlich unterschiedlich ist offenbar auch die Einschätzung der Kosten in den Ländern, Städten und Gemeinden. In der Folgeabschätzung des Bundes heißt es: "Aus dem Vorhaben ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen für Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger."

Zwar geht die Steiermark davon aus, dass man die Strafverfügungen hochautomatisiert ausstellt und in dieser Instanz "mit einem eher geringen Verwaltungsaufwand von wenigen Minuten zu rechnen ist". Anders aber bei den Verfahren danach: Es sei zu beachten, dass es sich "nicht um einige wenige Verfahren handelt, sondern im ersten Schritt (nur Impfstichtag 15. März 2022) in der Steiermark mit 150.000 bis 200.000 Verfahren zu rechnen ist". Alleine für die Steiermark benötige man Personalbedarf von mindestens 200 Vollzeitbeschäftigte zusätzlich, was inklusive Sachkosten für diese 17 Millionen Euro pro Jahr ausmache. Aber nicht nur das: Das Verschicken der Strafverfügungen per RSb-, also sogenannten Rückscheinbriefen koste dem Bundesland 1,3 Millionen Euro pro Durchgang. Laut Tirol habe der Bund die Kosten "weit unterschätzt", man verweist auf die "Kostentragungspflicht des Bundes".

Dem Gemeindebund ist es wichtig, dass Gemeinden keine zusätzlichen Kosten "aufgebürdet werden". Wien beansprucht laut Städtebund für 600.000 Strafverfahren bei den Magistratischen Bezirksämtern, weiteren Eintreibungs- und Vollstreckungsschritten bis hin zu Landesverwaltungsgerichtsverfahren alleine für 2022 73,3 Millionen Euro für sich. In der Stadt Graz rechnet man mit 100-mal mehr Straferkenntnissen, als heute bereits erlassen werden. Die Kosteneinschätzung des Bundes, dass sich aus dem Gesetz keine zusätzlichen Kosten für Städte ergeben, sei laut Städtebund "entschieden zurückzuweisen", sie "entspricht nicht der Realität", ein Kostenersatz durch den Bund "dringend erforderlich".