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Weiter scharfe Kritik an Impfpflicht

Von Karl Ettinger und Martin Tschiderer

Politik

Sozialsprecher Muchitsch stimmte als einziger SPÖ-Parlamentarier dagegen und ortet "krasse Schwächen im Gesetz". Kritik erntete auch die neue Impflotterie - wegen hoher Kosten und fehlender sozialer Treffsicherheit.


Zwischen der Impfpflicht und den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich steht seit Donnerstag nicht mehr viel. Zumindest legistisch. Denn nach ausführlichen und durchaus scharfen Debatten, die vor allem vom radikalen Kurs der FPÖ gegen eine verpflichtete Impfung geprägt waren, wurde das Covid-19-Impfpflichtgesetz am Donnerstagabend im Nationalrat beschlossen. Mit recht deutlicher Mehrheit: 137 Abgeordnete stimmten dafür, 33 dagegen.

Während die Mandatare der Koalitionspartner ÖVP und Grüne geschlossen für das Gesetz stimmten und die FPÖ dagegen, gab es bei den Neos vier Gegenstimmen - Gerald Loacker sowie die Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler, Stephanie Krisper und Johannes Margreiter. Bei der größten Oppositionspartei SPÖ gab es nur eine Gegenstimme, allerdings blieben einige der Abstimmung fern.

"Katastrophales Management der Regierung"

Die SPÖ-Führung hat nach der kurzfristig erfolgten Aufnahme eines Anreiz- und Belohnungssystems für Geimpfte, die bei einer Impflotterie ab 15. März 500-Euro-Gutscheine je Stich gewinnen können, mit einer weitgehend geschlossenen Zustimmung im Hohen Haus gerechnet. Der einzige "abtrünnige" rote Mandatar blieb schließlich der Chef der Bau-Holz-Gewerkschafter Josef "Beppo" Muchitsch. Er begründete sein Veto so: "Ich bin gegen die mit krassen Schwächen durchgepeitschte Gesetzesvorlage zur Corona-Impfpflicht."

Der Gewerkschafter bezeichnete die Ablehnung als "bisher schwierigste politische Entscheidung". Er selbst sei dreimal geimpft und auch "überzeugt, dass die Impfung als Grundimmunisierung, als Schutz vor schweren Verläufen und zur Eindämmung des Virus wirkt". Damit grenzte er sich von Verschwörungstheoretikern und anderen Kritikern der Corona-Vorschriften ab. Das "katastrophale Management der türkis-grünen Bundesregierung" zur Bekämpfung der Pandemie in den vergangenen 23 Monaten und das öffentliche Auftreten der Regierungsmitglieder in den vergangenen Tagen hätten ihn aber in seinem Entschluss bestärkt, gegen die Impfpflicht zu stimmen, führt er als Begründung an.

Im Detail nennt er folgende Punkte: Mit dem Beschluss erhalte der Gesundheitsminister die Ermächtigung, per Verordnung auch dreifach Geimpfte unter Strafdrohung zu weiteren Impfungen zu verpflichten. Vor allem habe es die Regierung in 23 Monaten nicht geschafft, für Behörden und Ärzte geeignete Strukturen für einen reibungslosen Ablauf bei Testergebnissen und Bescheiden zu sorgen. Wie solle das dann bei einer Million Einsprüchen gegen Strafen funktionieren, macht Muchitsch geltend.

FortschreitendePolarisierung befürchtet

Zudem gebe es keine Rechtssicherheit bei arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen etwa zur 3G-Regelung am Arbeitsplatz. Zugleich befürchtet Muchitsch eine weitere Polarisierung. Muchitsch wäre an sich an sich nicht der einzige SPÖ-Mandatar gewesen, der gegen die Impfpflicht gestimmt hätte. Sein steirischer Klubkollege Max Lercher war aber trotz dreier Impfungen nach eigener Aussage wegen einer Corona-Erkrankung in Quarantäne und verhindert. Via Facebook bekräftigte Lercher: "Das vorliegende Gesetz halte ich nicht für gut genug."

Bei den Grünen gab es zwar keine Gegenstimme zur Impfpflicht. Die Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic blieb aber der Abstimmung fern, weil sie der Gesetzesvorlage nicht ihren Sanktus erteilen wollte. Sie hatte das intern dem grünen Klub mitgeteilt.

Für einige Kritik sorgte überdies das Anreiz- und Belohnungspaket zum Impfen, auf das sich die türkis-grüne Bundesregierung mit der SPÖ geeinigt hat. Alle Geimpften können dabei Gutscheine im Wert von 500 Euro gewinnen, die bei heimischen Betrieben - im Handel, in der Gastronomie oder in Hotels - eingelöst werden können. Außerdem sollen Gemeinden finanzielle Mittel bekommen, deren Höhe sich nach der jeweiligen Impfquote richtet.

Kickl: "Glücksspielmit Steuergeld"

Während der Österreichische Gemeindebund das Paket wenig überraschend ebenso begrüßte wie die Wirtschaftskammer, die mit der Gutschein-Aktion zentrale eigene Forderungen erfüllt sah, kritisierte FPÖ-Chef Herbert Kickl das Paket scharf. Von "bis zu einer Milliarde Euro Steuergeld", die man nun in die Aktion stecken wolle, "könnten wahrscheinlich im Pflegebereich rund 30.000 Menschen ein Jahr lang bezahlt werden", so Kickl, der von einem "Glücksspiel mit Steuergeld im Impfzwang" sprach.

Auch in den sozialen Medien gab es viel Kritik an der Aktion. Etwa, weil die soziale Treffsicherheit fehle, nachdem die Gutscheine durch das Lotterieprinzip rein nach Losglück vergeben werden. So könnten etwa dreifach geimpfte Gutverdienende bis zu 1.500 Euro gewinnen (für jeden Stich gibt es eine eigene Gewinnchance), während Niedrigverdiener oder Sozialhilfeempfänger völlig leer ausgehen könnten.

Bei der Impfpflicht selbst ist Österreich zwar Pionier - als das erste europäische Land nach dem Vatikan, das eine generelle gesetzliche Impfpflicht für die Bevölkerung inklusive Strafandrohung bei Nichterfüllung beschlossen hat. Eine Impfpflicht für Teile der Bevölkerung gibt es aber in anderen Ländern bereits. So trat in Griechenland eine Impfpflicht für alle Einwohner ab 60 bereits am Montag in Kraft. In Italien, Frankreich, Kroatien, Ungarn, Polen oder Tschechien gibt es zudem bereits eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen.