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Wahlbremse ohne Zweitwohnsitz und der Kampf um Gemeindegeld

Von Karl Ettinger

Politik
© Rosner

Niederösterreich plant eine Wahlrechtsänderung - der Anlass ist das Wiener Parkpickerl.


Er sei "überrascht über die Geschwindigkeit". Der Präsident des niederösterreichischen Gemeindebundes, Johannes Pressl, zeigt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erfreut, ergänzte aber: "Ich bin selbst gespannt, was jetzt kommt." Am Dienstag ist in St. Pölten bekannt geworden, dass sich ÖVP und SPÖ über die Abschaffung des Wahlrechts für Bürger mit Zweitwohnsitz im Bundesland geeinigt haben. Die Details werden erst am heutigen Donnerstag am Rande der Sitzung des Landtags verkündet. Ein Paukenschlag, denn in jahrzehntelanger Diskussion hat die ÖVP dem nicht zugestimmt.

Es geht um zigtausende Personen, die Schätzungen schwanken zwischen 150.000 und gut 300.000 Nebenwohnsitzen in Niederösterreich. Der Großteil davon sind Wienerinnen und Wiener. Fix geplant ist, wie dieser Zeitung erläutert wurde, dass das neue Wahlrecht vor der Landtagswahl 2023 in Kraft treten wird. Wer seinen Hauptwohnsitz nicht in Niederösterreich hat, würde dabei sein Stimmrecht verlieren.

Im Hintergrund geht es um Geld für die Gemeinden. Denn mit dem Hauptwohnsitz ist die Aufteilung der Steuermittel aus dem Finanzausgleich an die Kommune nach einem abgestuften Bevölkerungsschlüssel verknüpft. Das macht je nach Gemeindegröße pro Einwohner rund 800 bis 1.100 Euro aus. Für Kommunen geht es um mehr als ein Drittel der Finanzgebarung.

Nur wer Hauptwohnsitz hat, soll stimmberechtigt sein

Als sicher gilt, dass das Ende des Wahlrechts für Zweitwohnsitze Ende Februar im Landtag beschlossen werden soll. Für eine Änderung ist eine Zweitdrittelmehrheit notwendig, die absolute Mehrheit der ÖVP reicht nicht.

Ein Grund für die Eile ist die Einführung des flächendeckenden Parkpickerls in Wien ab März. Es wird damit gerechnet, dass zahlreiche Personen ihren Hauptwohnsitz nach Wien verlegen werden, um ein Parkpickerl zu erhalten. Niederösterreichische Gemeinden würden damit Anteile am Finanzausgleich und Geld verlieren. Daran hängen Investitionen in die Infrastruktur, wie Wege oder das Hallenbad, von denen alle Einwohner profitieren.

"Wir wollen einfach Klarheit", sagt Pressl, der seit 2005 ÖVP-Bürgermeister in Ardagger an der Donau ist. Mit dem - sonst drohenden - Verlust des Wahlrechts bei Landtags- und Gemeinderatswahlen ist für den ÖVP-Gemeindebundchef die "Hoffnung" verbunden, dass sich Menschen "zu ihrem Heimatort bekennen".

Bereits 2017 hat es eine Änderung des Evidenzgesetzes gegeben: Wer einen Zweitwohnsitz in Niederösterreich hatte, war nicht mehr automatisch wahlberechtigt, sondern musste wirtschaftliche, berufliche oder gesellschaftliche Interessen in der Wohnsitzgemeinde anführen, um sein Wahlrecht zu sichern. Letztlich lag die Entscheidung bei der Gemeinde und beim jeweiligen Bürgermeister. Die unterschiedliche Handhabung sorgte bei der Landtagswahl im Jänner 2018 für Zündstoff und Proteste, insbesondere von Grünen.

Pressl erwartet durch die Neuregelung beim Wahlrecht auch eine Verwaltungsvereinfachung: "Das erspart uns wirklich viel Arbeit." Von den Gemeindevertretern hat es auch eine Forderung nach einer Abgabe für Personen mit Zweitwohnsitz in Niederösterreich gegeben. Das sei vorerst nicht Teil der Änderung im Landtag, hieß es in St. Pölten. Pressl ist dafür, sich einmal die Erfahrungen nach der Änderung des Wahlrechts anzuschauen.

Niederösterreichs SPÖ fordert in einem nächsten Schritt weitere Reformen: Abschaffung nicht-amtlicher Stimmzettel bei Gemeinderatswahlen, weil bisher Parteistimmzettel erlaubt sind, sowie bei der Auszählung der Stimmen, bisher hat ein Name Vorrang vor einer Stimme für eine Partei.